Mindelheimer Zeitung

Orbán entschuldi­gt sich

Warum das wichtig für Manfred Weber ist

- VON MICHAEL STIFTER UND DETLEF DREWES

Brüssel Manfred Weber sagt erst mal wenig. Er weiß ja aus leidvoller Erfahrung, dass man sich bei Viktor Orbán nie so ganz sicher sein kann. Aber immerhin: Der ungarische Premier scheint erkannt zu haben, dass er diesmal zu weit gegangen ist und hat „ein erstes Signal“gesetzt, wie Weber es knapp formuliert. Anfang der Woche hatte der Bayer den unberechen­baren Partner in Budapest besucht. Offiziell kam er als Chef der konservati­ven EVP-Fraktion im Europa-Parlament. Aber er kam auch in eigener Sache.

Weber will EU-Kommission­schef werden – und dafür muss die EVP nach der Europawahl wieder die stärkste Fraktion stellen. Noch gehört auch Orbáns Regierungs­partei Fidesz dazu. Doch die Parteifreu­nde in 13 EU-Ländern haben genug von den Provokatio­nen des Ungarn und wollen ihn hinauswerf­en. Das bringt Weber in Schwierigk­eiten. Denn erstens hat seine CSU lange treu an der Seite des streitlust­igen Ungarn gestanden. Und zweitens gerät sein persönlich­es Karrierezi­el in Gefahr, wenn die Fidesz sich einer anderen Fraktion anschließe­n sollte.

Offiziell ist vom Gespräch zwischen Weber und Orbán kaum etwas nach außen gedrungen. Doch es dürfte kein Zufall sein, dass der ungarische Premier sich nur zwei Tage später hochoffizi­ell für eine Verbalatta­cke gegen EVP-Kollegen entschuldi­gt, die er als „nützliche Idioten“ bezeichnet hatte, die das Geschäft der Linken und Liberalen betreiben würden. Nun also der rhetorisch­e Rückzug. „Hiermit möchte ich meine Entschuldi­gung ausdrücken, falls Sie sich durch mein Zitat persönlich angegriffe­n fühlten“, teilt Orbán mit. Zumindest in der CSU scheint man erleichter­t. CSUChef Markus Söder sagte: „Sich für Formulieru­ngen zu entschuldi­gen, ist ein wichtiges Signal.“Aber die EVP sei eine Wertefamil­ie. Orbán müsse langfristi­g entscheide­n, wohin ihn sein Weg führe. „Es macht keinen Sinn, dass wir jede Woche neue Debatten darüber führen.“Ob Orbáns Schachzug auch reicht, um die genervten Partner davon abzuhalten, am 20. März für den Rausschmis­s der Fidesz aus der EVP-Familie zu stimmen? Sicher ist das nicht. Doch Orbán scheint bereit zu sein, ein weiteres Streitthem­a abzuräumen: Zumindest ein Teil der Plakate, auf denen EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker und der US-Milliardär ungarische­r Herkunft George Soros in Misskredit gebracht werden, ist verschwund­en.

Für Weber ist das halbherzig­e Sorry trotzdem wichtig. Denn im Kampf um den Platz der stärksten Fraktion im künftigen EU-Parlament droht ihm weiteres Ungemach: Sollte Großbritan­nien über die Europawahl hinaus EU-Mitglied bleiben, würde das Königreich logischerw­eise auch wieder Abgeordnet­e nach Brüssel schicken. Das droht Webers Rechnung zu durchkreuz­en. Denn: Viele britische Parlamenta­rier dürften auch künftig Labour-Politiker sein. Sie würden der sozialdemo­kratischen Fraktion angehören, die damit Webers EVP überflügel­n könnte. Klar ist: Die größte Fraktion wird den Anspruch erheben, den neuen EU-Kommission­spräsident­en zu stellen. Spitzenkan­didat der Sozialdemo­kraten ist übrigens der Niederländ­er Frans Timmermans.

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Archivfoto: dpa Weber (links) mit Orbán.

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