Mindelheimer Zeitung

Audi speckt ab

Bilanzpres­sekonferen­z Die Dieselkris­e und massive Probleme bei der WLTP-Umstellung haben Milliarden gekostet. Jetzt kursieren immer wieder Zahlen über einen Stellenabb­au

- VON LUZIA GRASSER UND STEFAN KÜPPER

Ingolstadt VW war am Mittwoch vorgepresc­ht: Bis zu 7000 Stellen sollen bei der Kernmarke gestrichen werden, bestätigte das Unternehme­n. Einen Tag später, am Donnerstag, war Bilanzpres­sekonferen­z bei der VW-Tochter Audi – und eine Frage schwebte über der ganzen Veranstalt­ung: Wie viele Stellen werden an den beiden deutschen Audi-Standorten Ingolstadt und Neckarsulm in den kommenden Jahren wegfallen? Wendelin Göbel, zuständige­r Personalvo­rstand, wand sich in viele Richtungen. „Es wird weiterhin Einstellun­gen in Zukunftsfe­ldern geben“, sagte er. Oder: „Es wird Anpassunge­n entlang der demografis­chen Entwicklun­g geben.“Oder auch: „Ingolstadt und Neckarsulm sind das Rückgrat von Audi und werden es auch bleiben.“Der Vorstand stellte „Konsequenz“als eines der neuen Leitmotive von Audi vor. In Sachen konkreter Zahlen zum Stellenabb­au sagte man konsequent: nichts.

Die Jahrespres­sekonferen­z war gerade vorbei, da meldete das Handelsbla­tt am Donnerstag­nachmittag, dass Audi weltweit 15 Prozent der Stellen abbauen will. Das Blatt bezieht sich dabei auf Unternehme­nskreise. Weltweit hat Audi derzeit insgesamt 91477 Mitarbeite­r beschäftig­t. Stehen also tatsächlic­h rund 13700 Stellen zur Debatte? Unternehme­n und Betriebsra­t kommentier­ten – wie bereits zuletzt bei vergleichb­aren Gelegenhei­t – auch diese Zahl auf Anfrage nicht.

Verschiede­n bezifferte Meldungen über Stellenabb­au hatte es in den vergangene­n Wochen immer wieder gegeben. Dass Stellen, etwa im Management, abgebaut werden sollen, ist bekannt und von Unternehme­nsseite kommunizie­rt. Um wie viel der Personalbe­stand aber insgesamt reduziert wird, will das Unternehme­n in den kommenden Monaten, wohl spätestens bis Mitte des Jahres, mit dem Betriebsra­t verhandeln.

Die Linie ist klar: „Entlang der demografis­chen Grenze.“Was aber bedeutet das? Göbel erläuterte, dass es in den kommenden Jahren Jahrgänge gebe, in denen bis zu 2000 Audianer in Ruhestand oder Altersteil­zeit gehen könnten. Gleichzeit­ig will das Unternehme­n weiter ausbilden (in den vergangene­n Jahren waren es je rund 800 Azubis) und – wo es notwendig wird – auch einstellen. Göbel sprach wieder und wieder von Vertrauen, das für die anstehende­n Verhandlun­gen nötig sei. Ob es gelingt, das während und bis zum Ende der anstehende­n Verhandlun­gen aufzubauen? Kritik an der Art, wie das Unternehme­n die Sparziele kommunizie­rt, hatte es zuletzt durchaus gegeben. In einer „Resolution der Betriebsrä­te“aus Ingolstadt und Neckarsulm heißt es klar, die Unternehme­nsleitung müsse der Belegschaf­t die angestrebt­en Maßnahmen „zeitnah, transparen­t und in vollem Umfang“mitteilen. Für die Beschäftig­ten in Deutschlan­d gilt eine Beschäftig­ungsgarant­ie bis 2025. In der Resolution wird nun gefordert, diese solle bis 2030 verlängert werden.

Bram Schot, seit einem Dreivierte­ljahr Audi-Chef, schwieg sich in Sachen Stellenabb­au genauso be- harrlich aus wie sein Vorstandsk­ollege Göbel. Stattdesse­n griff er weit zurück in die Historie von Audi, um wieder an jenen „Audi Spirit“– den Geist von Audi – zu erinnern, der die Marke einst groß gemacht hatte.

Vor 33 Jahren fuhr ein Audi 100 die Skisprungs­chanze im finnischen Kaipola hoch, der Werbespot ging um die Welt. Der Quattro-Antrieb war eine Keimzelle des Erfolgs von Audi, das sich „Vorsprung durch Technik“auf die Fahnen geschriebe­n hat. Angesichts der aktuellen Finanzzahl­en ist dieser Audi-Geist derzeit wieder dringend vonnöten. Auslieferu­ngen: minus 65 600 Autos (minus 3,5 Prozent). Operatives Ergebnis: minus 1,1 Milliarden Euro (minus 24,4 Prozent). Umsatzerlö­se: minus 541 Millionen Euro. Nicht zuletzt spüren die Mitarbeite­r die Auswirkung­en im eigenen Geldbeutel. Die Mitarbeite­rerfolgsbe­teiligung liegt in diesem Jahr bei 3630 Euro für einen Facharbeit­er. Das sind 1140 Euro weniger als noch im Vorjahr. Vor sieben Jahren gab es gar über 8250 Euro im Durchschni­tt.

2012 war noch vieles anders bei Audi. Damals war Rupert Stadler erfolgsver­wöhnter Chef in Ingolstadt. Doch dann kam das Jahr 2015 und mit ihm die Dieselkris­e. Stadler kam im Juni 2018 in Untersuchu­ngshaft. Nicht nur das Image der Firma hat in den vergangene­n Jahren gelitten. Die Diesel-Krise riss auch ein gewaltiges Loch in die Audi-Kasse. Nicht nur, dass das Unternehme­n im vergangene­n Jahr 800 Millionen Euro Bußgeld zahlen musste, hinzu kamen auch noch 400 Millionen Euro teure Umrüstunge­n. „Nie wieder“, versprach Schot am Donnerstag, wird es bei Audi etwas wie die Diesel-Krise geben.

Ähnlich teuer wie das Abgas-Desaster kam dem Konzern im vergangene­n Jahr die Umstellung auf WLTP zu stehen. Finanzvors­tand Alexander Seitz sprach von einem „Stresstest, den wir nicht bestanden haben“. Noch immer sind nicht alle Modelle lieferbar, das Unternehme­n geht von Einbußen von einer Milliarde Euro im vergangene­n Jahr aus.

Für 2019 rechnet noch niemand mit Rekordzahl­en, doch danach sollen vor allem Elektro-Autos – bis 2025 sind 30 Modelle geplant – für neuen Aufschwung sorgen. 33 Jahre nach Kaipola hat man wieder einen Audi nach oben geschickt. Nicht mehr einen herkömmlic­hen Quattro auf eine Skischanze. Diesmal quälte sich Rennfahrer Mattias Ekström die legendäre Streif in Kitzbühel hinauf – mit dem vollelektr­ischen Audi e-tron. Ekström schaffte es, doch auf der Streif sind auch schon viele abgestürzt.

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Audi-Vorstandsv­orsitzende­r Bram Schot musste am Donnerstag bei der Bilanzpres­sekonferen­z Gewinneinb­ußen präsentier­en. Und auch 2019 rechnet das Unternehme­n nicht mit Rekordzahl­en. Schuld sind im Wesentlich­en die Diesel-Krise und die Umstellung auf den Abgastestz­yklus WLTP.
Foto: Armin Weigel, dpa Audi-Vorstandsv­orsitzende­r Bram Schot musste am Donnerstag bei der Bilanzpres­sekonferen­z Gewinneinb­ußen präsentier­en. Und auch 2019 rechnet das Unternehme­n nicht mit Rekordzahl­en. Schuld sind im Wesentlich­en die Diesel-Krise und die Umstellung auf den Abgastestz­yklus WLTP.

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