Wenn falsche Polizisten läuten
Sicherheit Sie sind freundlich, doch am Ende räumen sie das Bankkonto leer oder verlangen Bargeld: Falsche Polizeibeamte, Handwerker oder Enkel locken derzeit viele Bürger in die Falle
Mainz „Guten Tag, würden Sie uns bitte Ihr Geld geben?“Diese Frage würde wohl niemand mit „Ja“beantworten – vor allem nicht von Wildfremden, die plötzlich vor der Haustür auftauchen. Doch was, wenn diese Fremden Polizisten sind oder wenigstens so aussehen? Und dabei noch sehr gute Manieren haben, wahnsinnig verständnisvoll sind und vorher per Anruf angekündigt wurden – von der Nummer 110? Was dann? Das mag weit hergeholt klingen. Aber immer wieder sind Verbrecher genau mit dieser Methode erfolgreich. Die Opfer sind oft ältere Menschen. Und die Täter erbeuten teils erhebliche Geldsummen. „Die Schäden beziffern sich oftmals auf einen mittleren bis hohen fünfstelligen Betrag“, warnt Karl-Heinz Langner vom Verein Weißer Ring. Denn manchmal übergeben die Betrugsopfer nicht nur Bargeld, sondern auch Wertsachen oder sogar den Inhalt des Bankkontos.
Wie funktioniert der Trick genau? „Der falsche Polizeibeamte ist eine Erweiterung und verfeinerte Form des Enkeltricks“, erklärt Langner. Los geht es mit einem Anruf oder einem Klingeln an der Haustür: Hier sei die Polizei, es gebe Hinweise auf einen geplanten Einbruch, Geld und Wertsachen seien zu Hause nicht mehr sicher, behaupten die falschen Beamten. „Und die Bankmitarbeiter sind übrigens korrupt, leeren Sie deshalb Ihr Konto und geben Sie das Geld lieber uns. Wir schicken jemanden zum Abholen, keine Sorge“, fügen die Betrüger an, um ihre Opfer in eine Falle zu locken.
Damit das Schmierentheater überzeugender wirkt, wenden die Täter Tricks an – zum Beispiel mit der Notrufnummer 110 auf dem Telefondisplay. „Das ist leider heute technisch relativ leicht machbar“, sagt Langner. Die echte Polizei würde sich allerdings niemals von dieser Nummer aus melden. Noch weiter gehen Betrüger, die vor ihrem Anruf die echte Polizei anrufen und zum Beispiel verdächtige Personen in der Nachbarschaft des Opfers melden. Das führt dann dazu, dass dort ein Streifenwagen aufkreuzt. „Schauen Sie mal aus dem Fenster, da läuft schon ein Einsatz unserer Kollegen“, heißt es dann. Neben diesem falschen Polizeibeamten gibt es noch weitere ähnliche Tricks.
Da ist der schon bekannte Enkeltrick, wie die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes erklärt: Dabei geben sich die Täter als Angehörige des Opfers aus – Enkel eben, oder vielleicht deren Freunde. Man sei in einer Notlage, ob Oma oder Opa nicht schnell Geld überweisen können?
Eine Variante davon ist der Schockanruf, oft bei Menschen aus den ehemaligen Sowjetstaaten und in russischer Sprache: Hier geben sich die Täter nicht als Angehörige selbst aus, sondern wieder als Polizei. Ihr Enkel sei in ein Strafverfahren verwickelt und in Gewahrsam – gegen eine Geldzahlung werde man ihn aber entlassen.
Und natürlich gibt es unzählige unseriöse Haustürgeschäfte, von den guten alten Zeitschriftenabos der Drückerkolonne bis zu angeblich günstigen Telefon- oder Stromtarifen. Hinzu kommen falsche Handwerker oder GasversorgerMitarbeiter, meistens im Duo. Man müsse nur mal was ablesen oder nachschauen, heißt es dann – mit dem Ziel, alleine und unbeaufsichtigt im Haus unterwegs zu sein, auf der Suche nach Geld und Wertsachen. Und das funktioniert?
Tatsache ist, dass die Betrüger meist abblitzen, manchmal aber halt doch zum Ziel kommen. „Die Maschen funktionieren auch bei Älteren in den meisten Fällen nicht“, erklärt Thomas Görgen. Er ist Professor für Kriminologie an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster und kennt zum Beispiel eine Untersuchung aus NordrheinWestfalen: Von rund 2000 Enkeltricks, von denen die Polizei erfahren hat, waren etwas mehr als 100 erfolgreich. Das klingt nach einer miesen Quote – erst recht, wenn man bedenkt, dass viele potenzielle Opfer vermutlich einfach auflegen oder die Tür zuknallen und den Vorfall nicht der Polizei melden. Und trotzdem machen die Täter immer weiter. „Es ist für die Täter ein Massengeschäft mit geringem Aufwand im Einzelfall“, so Görgen. Ein Anruf ist ja schnell gemacht und bei Aussichtslosigkeit schnell wieder beendet. „Und wenn ab und an eine Tat gelingt, ist die Bilanz, wenn man es so ausdrücken will, für die Täter positiv.“
Gründe dafür, dass die Opfer meist Ältere sind, gibt es mehrere. Zum Beispiel erwarten die Täter dort „günstige Tatgelegenheiten“, wie Görgen es nennt. „Menschen, die über Vermögen verfügen, die am besten alleine leben, sich vielleicht nicht so gut zur Wehr setzen können wie Jüngere und möglicherweise auch leichter zu täuschen sind.“Dazu nennt die Kriminalprävention weitere Faktoren – Vereinsamung, Zerstreutheit oder sogar Demenz, eine Seh- oder Hörschwäche. Die sorgt dann zum Beispiel dafür, dass man Stimmen am Telefon schneller für die Stimme eines Verwandten hält.
Das Alter der Opfer ist auch ein Grund dafür, warum Karl-Heinz Langner bei Enkeltrick und Co. eine besonders hohe Dunkelziffer befürchtet. Denn ältere Menschen
Gerade ältere Bürger stehen im Visier der Täter
Niemals Geld übergeben! Keine Kontodaten nennen!
sprechen ihm zufolge oft nicht darüber, wenn sie auf solche Betrugsmaschen hereingefallen sind. „Aus Scham, aber auch aus Angst vor familiären Konsequenzen.“Die Befürchtung sei, dass Opfern das Recht auf ein eigenständiges Leben abgesprochen werde – nach dem Motto „Jetzt kann Oma nicht mal mehr allein auf ihr Geld aufpassen“.
Damit es gar nicht so weit kommt, sollten gerade Ältere misstrauisch bleiben, rät die Kriminalprävention – an Tür und Telefon. Das heißt konkret: Immer nachfragen, vermeintliche Polizeiangaben überprüfen, im Notfall mit einem Anruf bei der Dienststelle. Und dabei nie unter Druck setzen lassen, auch nicht von vermeintlichen Autoritäten. Im Zweifel einfach das Gespräch beenden.
Und natürlich: Niemals Geld übergeben! Keine Kontodaten oder finanzielle Informationen herausrücken! Nichts unterschreiben! Denn wenn die Täter erfolgreich sind, ist das Geld weg, sagt Langner.
Die Polizei verständigen sollten Ältere aber trotzdem – auch dann, wenn sie den Betrug vorher durchschaut haben. „Das könnte helfen, andere Menschen vor Schaden zu bewahren.“Tobias Hanraths, dpa