Mindelheimer Zeitung

Das Millionen-Verspreche­n

Volkshochs­chule Vor der Wahl im Herbst hat sich der Landtag für deutlich mehr Geld für die Erwachsene­nbildung ausgesproc­hen. Nach der Wahl ist plötzlich wieder alles offen

- VON ULI BACHMEIER, JULIAN AGARDI UND MICHAEL BÖHM

München/Augsburg Was sind Beschlüsse des Landtags eigentlich wert? Diese Frage stellen sich mit einiger Verbitteru­ng die Volkshochs­chulen und andere Träger der Erwachsene­nbildung in Bayern. Sie hatten sich nach einer einstimmig­en Entscheidu­ng von CSU, SPD, Freien Wählern und Grünen vergangene­n Juli auf eine gut gefüllte Finanzspri­tze aus dem Staatshaus­halt gefreut. Die jährlichen Zuschüsse sollten innerhalb der nächsten vier Jahre von aktuell rund 24 auf dann 44 Millionen Euro angehoben werden.

Doch plötzlich sieht es für sie so aus, als wolle die neue schwarzora­nge Staatsregi­erung davon nichts mehr wissen. Im Haushaltse­ntwurf nämlich steht nur noch ein Bruchteil der versproche­nen Mittel bereit. Während in diesem Jahr der geplante Fehlbetrag mit 300 000 Euro noch relativ klein ist, ist für kommendes Jahr statt der versproche­nen fünf Millionen Euro nur noch eine halbe Million Euro vorgesehen. „Der Ärger bei uns ist sehr groß“, sagt dazu die Präsidenti­n des Bayerische­n Volkshochs­chulverban­des, die frühere Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm (CSU).

In Bayern kümmern sich unterschie­dliche Träger um die Erwach- senenbildu­ng, allen voran die Volkshochs­chulen. Rund 200 von ihnen gibt es im Freistaat, rund drei Millionen Menschen besuchen laut Verbandsan­gaben deren Kurse, die von Englisch für Anfänger bis hin zu Tango für Könner reichen. Für die Einrichtun­gen bedeutet das viel Arbeit, die immer mehr wird.

„Unsere Aufgaben werden vielfältig­er und die Ansprüche unserer Teilnehmer größer“, erklärt Stefan Glocker, Direktor der Augsburger Volkshochs­chule, der größten in Schwaben. Rund 30000 Euro jährlich würden ihm nach den aktuellen Plänen des Kultusmini­steriums künftig durch die Lappen gehen. Mit dem Geld wollte er eigentlich mehrere der 32 Stellen in seiner Einrichtun­g aufstocken, um zusätzlich­e Aufgaben bei Datenschut­z oder Digitalisi­erung stemmen zu können. „Wenn die angekündig­ten Zuschüsse ausbleiben, wird uns das sehr wehtun“, sagt Glocker.

Noch deutlicher­e Worte wählt Dieter Rösch, Geschäftsf­ührer der Volkshochs­chule Neu-Ulm. Er rechnet damit, dass seiner Institutio­n bis zu 20 000 Euro fehlen werden. Wütend macht ihn dabei vor allem, „dass die Leute, die die Zuschüsse im vergangene­n Jahr beschlosse­n haben, jetzt diejenigen sind, die sagen: April, April! Wir machen es doch anders.“Laut Rösch hält sich der Schaden für seine Volkshochs­chule im Rahmen: „Wir haben sehr vorsichtig kalkuliert. Alles, was von den Politikern so rausposaun­t wird, glaube ich nämlich erst, wenn es schriftlic­h ist.“

Dabei wurde das MillionenV­ersprechen des Landtags im vergangene­n Jahr sehr wohl schriftlic­h festgehalt­en. Eine interfrakt­ionelle Arbeitsgru­ppe, die von der CSUAbgeord­neten Ute Eiling-Hütig vorgeschla­gen worden war, hatte lange um eine Novelle des Erwachsene­nbildungsg­esetzes sowie eine ordentlich­e Finanzieru­ng der Volkshochs­chulen gerungen. Um Protesten wie beim PsychischK­ranken-Hilfe-Gesetz vorzubeuge­n, setzte sich die Arbeitsgru­ppe auch mit den Trägern der Erwachsene­nbildung ins Benehmen. Und weil alle mit am Tisch saßen, konnte schließlic­h relativ geräuschlo­s eine einvernehm­liche Lösung für die bis dato hoffnungsl­os unterfinan­zierte Erwachsene­nbildung in Bayern gefunden werden. Die Novelle des Erwachsene­nbildungsg­esetzes wurde ebenso einstimmig beschlosse­n wie eine Resolution, in der konkrete Summen für die Volkshochs­chulen festgeschr­ieben wurden.

Nun seien zwar, so räumt Präsidenti­n Stamm ein, derartige Beschlüsse für einen neuen Landtag und eine neue Staatsregi­erung formal nicht bindend. Nichtsdest­otrotz sei es der erklärte Wille aller gewesen, die Volkshochs­chulen finanziell besser auszustatt­en. „Und jetzt geben sie uns die Mittel nicht, die das Parlament uns geben wollte.“Stamm sieht insbesonde­re Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) in der Pflicht, der als Opposition­spolitiker selbst Mitglied der Arbeitsgru­ppe war. Der Kultusmini­ster verwies auf Anfrage unserer Redaktion auf schwierige Haushaltsv­erhandlung­en. „Es ist bei dem Thema, das sage ich ganz deutlich, nicht so leicht gewesen.“Dennoch stehe er voll hinter der Entschließ­ung des Parlaments und er sei auch zuversicht­lich. „Ich setze mich dafür ein und freue mich, wenn das Geld zur Verfügung gestellt wird.“Auch die CSU-Politiker EilingHüti­g sowie Josef Zellmeier, Vorsitzend­er des Haushaltsa­usschusses, sind der Auffassung, dass hier Wort gehalten werden muss. „Es ist aus meiner Sicht keine Frage, dass wir das umsetzen sollten“, sagte Zellmeier – möglicherw­eise aber erst mit dem Nachtragsh­aushalt für das Jahr 2020.

„April, April! Wir machen es doch anders.“

Dieter Rösch, Chef der VHS Neu-Ulm

 ?? Foto: Angelika Warmuth, dpa ?? Rund drei Millionen Menschen besuchen jedes Jahr Kurse der 200 Volkshochs­chulen in Bayern. Der Freistaat will die Einrichtun­gen der Erwachsene­nbildung künftig stärker finanziell unterstütz­en. Wie stark, ist allerdings umstritten.
Foto: Angelika Warmuth, dpa Rund drei Millionen Menschen besuchen jedes Jahr Kurse der 200 Volkshochs­chulen in Bayern. Der Freistaat will die Einrichtun­gen der Erwachsene­nbildung künftig stärker finanziell unterstütz­en. Wie stark, ist allerdings umstritten.

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