Mindelheimer Zeitung

Literaturl­and Tschechien – so nah und doch so fern

Leipziger Buchmesse Die Autoren unseres Nachbarn werden hierzuland­e nicht mehr so gelesen wie einst. Das soll sich ändern

-

Leipzig Wenn Tomásˇ Kubícˇek über den Stellenwer­t der tschechisc­hen Literatur in Deutschlan­d redet, schlägt er nachdenkli­che Töne an. „Ich habe viele Freunde in Deutschlan­d“, sagt der Direktor der Mährischen Landesbibl­iothek in Brünn. „Wenn ich sie vor 20 Jahren gefragt habe, was sie an aktueller tschechisc­her Literatur kennen, da war das eine ganze Liste. Kundera, Kohout, Hrabal. Wenn ich sie jetzt frage, dann ist das: fast nichts.“Kubícˇek will das ändern. Seine Bibliothek verantwort­et im Auftrag des Kulturmini­steriums den Auftritt Tschechien­s als Gastland der Leipziger Buchmesse (21. bis 24. März).

Die Tschechen kommen mit großen Hoffnungen auf die Messe. Zwei Jahre hat das Team am Programm für den Gastland-Auftritt gebastelt. Ursprüngli­ch war der Plan, 40 Autoren in Leipzig zu präsentier­ten, sagt Projektkoo­rdinator Martin Krafl. „Aber wir fanden das etwas begrenzt.“Nun kommen 55 Autorinnen und Autoren nach Leipzig. Darunter sind bekanntere Namen wie Jáchym Topol, Iva Procházkov­á oder Jaroslav Rudisˇ, aber auch sehr viele junge Schriftste­ller. 70 Neuerschei­nungen haben sie im Gepäck. Der Buchmesse-Auftritt ist eingebette­t in ein ganzes tschechisc­hes Kulturjahr in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz.

Bisher seien im Jahr fünf oder sechs Titel ins Deutsche übersetzt worden, sagt Bibliothek­sdirektor Kubícˇek. „Das ist nicht so viel.“In den nicht deutschen Nachbarlän­dern sehe es für die Tschechen besser aus. In Polen erscheinen laut Kubícˇek 25 bis 30 neue Bücher aus Tschechien, die Verbindung­en zur Slowakei seien sowieso eng. Unter dem Gastland-Motto „Ahoj Leipzig!“sollen nun die Barrieren zum deutschspr­achigen Markt abgebaut werden. Ein Erfolg in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz sei zentral für das Vorankomme­n der tschechisc­hen Literatur in der Welt, sagt Ondrej Buddeus vom Literaturz­entrum CzechLit. „Was dort räsoniert, werden wir internatio­nal zeigen können.“Ein Schwenk in der tschechisc­hen Kulturpoli­tik habe dafür gesorgt, dass viel mehr Geld als noch vor einigen Jahren zur Verfügung steht, um die Autoren zu unterstütz­en. Auch Übersetzer gebe es genug, sagt Buddeus. Er beziffert auf „40 plus x“die Zahl der Experten, die tschechisc­he Literatur ins Deutsche übertragen könnten.

Das Kuchenstüc­k, das es für die kleineren Länder auf dem deutschspr­achigen Markt zu verteilen gibt, ist aber sowieso nicht groß. Fast 90 Prozent der literarisc­hen Übersetzun­g ins Deutsche stammen aus dem Englischen, gefolgt von Sprachen wie Spanisch und Französisc­h. Die Tschechen sind dennoch zuversicht­lich, dass sie über Leipzig und ihr Kulturjahr in den deutschspr­achigen Ländern eine Brücke in die Welt schlagen können.

 ?? Foto: dpa ?? Die Aufmerksam­keit der Nachbarn aus dem Westen für die Literatur Tschechien­s hat nachgelass­en: Blick auf Karlsbrück­e und Veitsdom in Prag.
Foto: dpa Die Aufmerksam­keit der Nachbarn aus dem Westen für die Literatur Tschechien­s hat nachgelass­en: Blick auf Karlsbrück­e und Veitsdom in Prag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany