Mindelheimer Zeitung

Chemnitz zeigt, wie gefährlich das Wegsehen ist

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger-allgemeine.de

Der Chemnitzer FC kommt nach dem Skandal um die Trauerakti­on für einen toten Rechtsradi­kalen nicht zur Ruhe. Kurz vor Spielbegin­n war am Samstag eine Schweigemi­nute für einen Nazi abgehalten worden, samt Einblendun­g auf dem Videowürfe­l. Über 4000 Zuschauer waren dabei, als einem gedacht wurde, der offen rassistisc­he Meinungen vertrat und in den 90er Jahren „Hoonara“– ein Netzwerk für „Hooligans, Nazis und Rassisten“gegründet hatte. Es ist ein unglaublic­her Vorgang.

Die Details, die in den vergangene­n Tagen über das Innenleben des Klubs ans Tageslicht gekommen sind, sind ebenfalls verstörend. Ein

Stürmer, der mit einem Nazi-Spruch jubelt. Eine Fanbetreue­rin, die das Wirken eines Rechtsradi­kalen verharmlos­t. Ein ganzer Verein, der wissentlic­h die Augen verschloss­en hat und der offenbar am Ende nicht mehr die Handlungsg­ewalt innehatte.

Obwohl es immer wieder Vorfälle mit Rechtsradi­kalen gab, verzichtet­e der Klub darauf, sich gegen die Vereinnahm­ung durch die rechte Szene zu positionie­ren und Hilfestell­ungen anzunehmen.

Immer wieder versuchen Rechtsradi­kale, in den Fanblöcken der Bundesliga­klubs an Einfluss zu gewinnen. Die Rechten mischen sich unter die Fans, brüllen ihre Parolen und bedrohen jene, die nicht ihrer Meinung sind.

Was passieren kann, wenn ein Fußballklu­b diese Tendenzen zu lange unterschät­zt und verharmlos­t, ist nun in Chemnitz zu sehen. Natürlich stehen nicht alle Fans des Regionalli­gisten politisch rechtsauße­n. Ihre Stimme findet derzeit aber kein Gehör. Tonangeben­d sind ganz offensicht­lich diejenigen, die des toten Nazis gedachten.

Wie sehr das derart beschädigt­e Image einem Verein schadet, ist ebenfalls in Chemnitz zu sehen: Längst haben sich die relevanten Sponsoren vom Verein abgewandt, kaum ein größeres Unternehme­n will mit einem Klub werben, der ein derartiges Image hat. Seit Monaten wird der Klub von einem Insolvenzv­erwalter geführt. Der Verein ist schwer beschädigt – und hat das selbst zu verantwort­en, weil er zu lange weggesehen hat.

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