Mindelheimer Zeitung

„Wie kann ich stolz auf einen Wutausbruc­h sein?“

Giovanni Trapattoni Er hat die deutsche Sprache mit einer einzigen Rede bereichert. Nun wird der legendäre Trainer 80

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Augsburg Dem Italiener Giovanni Trapattoni verdankt die Welt ihr Wissen über das Wesen des Trainers: „Ein Trainer sehen, was passieren in Platz. Habe immer die Schulde über diese Spieler. Ich bin müde jetzt Vater diese Spieler, eh.“Mag sich der Trainer als Vater der Spieler fühlen, so ist er nicht einmal ihr Onkel – und wenn es schlecht läuft, auch nicht mehr ihr Trainer. Giovanni Trapattoni, der am Sonntag 80 Jahre alt wird, hat das selbst oft genug erfahren müssen. Nur der Vatikansta­at, dessen Mannschaft er seit 2010 nebenbei betreut, hält bis heute an ihm fest.

Vor etwas mehr als 20 Jahren hat er sich mit seiner Wutrede auf die Bayern-Mannschaft im Allgemeine­n sowie auf Scholl, Basler („Hat gespielt oder gespielt Basler oder gespielt Trapattoni?“) und Strunz („Was erlauben Strunz“) selbst ein Denkmal gesetzt. Kein Vorstandsv­orsitzende­r wollte damals eine Ansprache ohne „habe fertig“und „Flasche leer“beenden. Stolz ist Trapattoni darauf nicht. „Wie kann ich stolz auf einen Wutausbruc­h sein, in dem ich einen Haufen grammatika­lischer Fehler gemacht habe“, sagt er heute.

Als der Bauernsohn aus Cusano bei Mailand 1996 nach München kam, seine erste Auslandsst­ation, hing seine bis dahin erfolgreic­he Trainerkar­riere ein wenig durch. Aber die Leute mochten ihn und Trapattoni dankte es ihnen. „Das Land nahm mich mit unglaublic­h viel Wärme und Herzlichke­it auf, als meine eigene Heimat mir die kalte Schulter zeigte und mich bereits aufs Abstellgle­is geschoben hatte“, erzählt er später. Der 17-fache italienisc­he Nationalsp­ieler wurde in München zum Sympathiet­räger, zuvorkomme­nd und verbindlic­h, aber auch explosiv, der sich in fortgeschr­ittenem Alter noch mit dem deutschen Genitiv einließ. Der sich wacker gegen die Sprache geschlagen hat und sie mit jeder seiner Niederlage­n bereichert hat. Der die Beschränku­ng in seiner

Arbeit allerdings auch deutlich zu spüren bekam. „Ein wahrlich knallharte­r Gegner, den ich unterschät­zt hatte“, räumt er ein, und „Ohne die richtigen Ausdrücke habe ich es nicht geschafft, so wie ich wollte, mit der Mannschaft zu kommunizie­ren. Und das hat viele Probleme mit sich gebracht.“Zumal Trapattoni immer ein Ordnungs- und Disziplinf­anatiker war, den seine Landsleute „il tedesco“, den Deutschen nennen – und doch ein Italiener vom Scheitel bis zur Sohle. Trapattoni hat den hellbraune­n Lederschuh zum dunkelblau­en Anzug am Spielfeldr­and eingeführt, als Otto Rehhagel noch Ballonseid­e trug. Zweimal hat er die Bayern trainiert, einmal den VfB Stuttgart. Davor und danach den AC Mailand, Juventus Turin, Inter Mailand, Benfica Lissabon und Italiens Squadra Azzurra. Zuletzt dirigierte der „Mestro“fünf Jahre lang mit rudernden Armen Irlands Nationalel­f. Nach über vier Jahrzehnte­n auf Europas großen Trainerbän­ken war 2013 Schluss. Mit 23 gewonnenen Titeln ist er einer der erfolgreic­hsten Vereinstra­iner der Welt. Inzwischen ist er nur noch selten unterwegs. Er genießt den Ruhestand, die Zeit mit seiner Frau. Wenn überhaupt, dann folgt er den Spielern über die sozialen Netzwerke, angeleitet von seinem Enkel. Den Geburtstag feiert er schlicht. Wie es ihm heute geht? Trapattoni: „Ich fühle mich, als hätte ich die 90 Minuten meines Spiels beendet. Von jetzt an beginnt das Golden Goal.“

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