Der Mann mit der Mütze
Fernsehen Mehr als acht Millionen Krimi-Fans sehen zu, wenn Otto Garber in „Ein starkes Team“ermittelt. Florian Martens spielt den Kommissar, und das seit 25 Jahren. Wie er dennoch um die Figur kämpfen muss und was ihn am ZDF stört
Sein Name ist Garber, Otto Garber. Seine Markenzeichen sind die Wollmütze auf dem kahlen Schädel und die Berliner Schnauze. Otto ist gern ein bisschen ruppig, aber im Zweifelsfall der beste Freund und Partner, den man sich nur wünschen kann. Das macht ihn zum beliebtesten Berliner im deutschen Fernsehen, und das schon seit 25 Jahren: Garber ist der Star der im März 1994 gestarteten ZDF-Krimireihe „Ein starkes Team“. Am Samstag zeigt der Sender die 78. Episode, „Erntedank“.
Bei einer derart langen Laufzeit einer Serie lässt sich kaum vermeiden, dass zwischen Darsteller und Figur eine gewisse Annäherung stattgefunden hat. Schauspieler Florian Martens sieht gerade darin die Stärke seiner Rolle: „Ich höre oft, dass die Leute Otto mögen, weil er so glaubwürdig ist. Ich versuche, ihn so authentisch wie möglich zu spielen, und habe alle Freiheiten, meine Dialoge entsprechend anzupassen.“Die Zuschauer spürten, ob ein Schauspieler bloß zeigen wolle, wie gut er sei, oder ob er ehrliche Arbeit abliefere.
Deshalb kämpft der gebürtige Berliner auch um die Figur. Er findet, „dass die Filme heute ein bisschen glattgebügelt wirken“, und vermutet, das sei auch ein Preis des Erfolges: „Normalerweise braucht eine neue Reihe eine gewisse Anlaufzeit, dann gehen die Zuschauerzahlen in die Höhe, und irgendwann hat sie ihren Zenit überschritten und wird abgesetzt.“Bei „Ein starkes Team“sei das etwas anders gewesen. „Wir hatten den größten Erfolg in den letzten Jahren, und ich habe das Gefühl, der Sender möchte jetzt am liebsten die schöne Quote pflegen und kein Risiko eingehen“, kritisiert Martens erstaunlich offen.
ZDF-Redaktionsleiter Günther van Endert, von Anfang an für die Reihe zuständig, sagt dagegen, der Erfolg der letzten Episoden mit mehr als acht Millionen Zuschauern habe vor allem „programmstrukturelle Gründe“: „Früher haben wir im ZDF abwechselnd Krimi und Show gezeigt. Das haben wir umgestellt und zeigen auch mal an elf Samstagen hintereinander nur Formate des ZDF-Samstagskrimis.“Davon profitierten alle Reihen, aber vor allem die beiden Klassiker „Ein starkes Team“und „Wilsberg“.
Trotzdem bleibt der 60-jährige Martens dabei, dass in seinen Filmen früher mehr los gewesen sei: „Sie waren wesentlich lebendiger. In letzter Zeit gibt es zu viele Szenen mit vier braven Beamten in ihrer Dienststube, die sich gegenseitig über den Stand der Ermittlungen informieren.“
Unter dieser Entwicklung leidet nach Martens’ Meinung vor allem der von ihm gespielte Otto: „Der war von Anfang an kein Bürotyp und hat öfter mal auf eigene Faust ermittelt. Das ist heute deutlich seltener.“Natürlich seien sie beide, der Otto und er, älter geworden und nicht mehr so agil wie vor 25 Jahren. „Aber diese übertriebene Political Correctness ist nach wie vor nicht Ottos Ding.“Der habe seine Zigaretten früher „beim Vietnamesen unter der Brücke gekauft und im Verhör auch mal zugeschlagen, wenn ihm der Kragen geplatzt ist“.
Dass Otto nicht mehr ständig rauchen soll, sieht Martens zwar ein – „man hat ja eine Vorbildfunktion.“Und er rauche ja selbst schon seit Jahren nicht mehr. „Aber wenn sich die Figur weiter anpassen muss, wird sie irgendwann unglaubwürdig.“Martens betrachtet es daher als seine Aufgabe, darauf zu achten, dass Otto seine Ecken und Kanten nicht völlig verliert. „Damit es auch weiter Spaß macht, die Figur zu verkörpern.“In der Folge „Erntedank“jedenfalls darf er aus dem Vollen schöpfen – als UndercoverErmittler unter Schrebergärtnern.
Filmreif ist auch die Geschichte, wie Martens einst die Rolle bekommen hat: Kollege und Kumpel André Hennicke hatte zur Eröffnung seiner Kneipe eine Party gegeben. „Nachts um zwei, ich war schon nett zurechtgemacht, wie man bei uns sagt, will ich an der Bar noch einen Absacker nehmen“, erzählt Martens. „Da spricht mich jemand an. Wir plaudern ein bisschen über Gott und die Welt, dann geht jeder wieder seiner Wege.“Am nächsten Tag ruft Martens’ Agentin bei ihm an und beglückwünscht ihn zur Rolle des männlichen Hauptdarstellers in der neuen ZDF-Reihe „Ein starkes Team“. Der Mann an der Bar war der Regisseur Konrad Sabrautzky, der Martens unter die Lupe nehmen wollte. Ihm sei dann auch klar geworden, warum Schauspielerin Maja Maranow, die ebenfalls auf der Party gewesen sei, immer wieder zu ihm rübergeschaut habe. Maranow wurde als Kriminalkommissarin Verena Berthold besetzt.
Damals konnten die beiden noch nicht ahnen, dass sie 22 Jahre lang zusammenarbeiten würden. Umso betroffener war Martens, als er die wahren Gründe für Maranows Abschied von der Reihe im Jahr 2015 erfuhr. Sie hatte in einer Rundmail verkündet, „dass sie beim ‚Starken Team‘ aussteigt, weil sie ständig tolle Angebote bekommt und die endlich mal annehmen will“, erzählt er. Obwohl er mit ihr in den 90ern einmal liiert war, hatte sie ihm ihre Krebs-Erkrankung verschwiegen. Von ihrem Tod im Januar 2016 erfuhr er durch Facebook. Da waren die ersten Folgen mit Maranows Nachfolgerin Stefanie Stappenbeck längst abgedreht.
Auch wenn den meisten Menschen zu Florian Martens als Erstes „Ein starkes Team“einfallen dürfte: Der Berliner hat in rund hundert weiteren Filmen und Serienepisoden mitgewirkt, darunter in den Wedel-Mehrteilern „Der Schattenmann“, „Der König von St. Pauli“
Wie er zu seiner Rolle kam, ist eine filmreife Geschichte
Schauspieler wollte er eigentlich gar nicht werden
und „Die Affäre Semmeling“. „Meine Berufsbezeichnung ist nach wie vor Schauspieler, nicht Otto Garber“, sagt er. Mittlerweile bleibt ihm bei bis zu fünf „Ein starkes Team“-Episoden pro Jahr aber kaum Zeit für andere Engagements.
Dabei war der Schauspieler-Beruf gar nicht sein Traumjob: „Ich wollte eigentlich Berufsreiter werden, aber dafür war ich zu groß und zu schwer.“Also wurde er Baumaschinist und lernte, Bagger und Planierraupen zu fahren. Nach einigen Jahren „auf Montage“und positiven Erfahrungen in einem Arbeitertheater bewarb er sich dann an der Schauspielschule Ernst Busch und wurde gleich genommen.
Kein Wunder: Martens stammt aus einer Schauspielerfamilie. Seine Mutter Ingrid Rentsch gehörte zum Ensemble der Berliner Volksbühne, sein Vater war Wolfgang Kieling, einer der populärsten Filmschauspieler der westdeutschen Nachkriegsjahrzehnte. Den ersten Kontakt zu seinem Vater hatte er allerdings erst spät: „Meine Eltern haben sich 1958 auf der Bühne am Ku’damm kennengelernt, waren kurz liiert und haben mich gezeugt. Dann wurde die Mauer gebaut, meine Mutter arbeitete an der Volksbühne im Ostteil der Stadt. Ende der Geschichte.“Als Kieling erfuhr, dass der Sohn in seine Fußstapfen treten wollte, haben sich die beiden schließlich öfter gesehen. Das war 1983. Zwei Jahre später starb Martens Vater.