Mindelheimer Zeitung

Das Handwerk braucht wieder die Meisterpfl­icht

Die Auftragsbü­cher gerade im Baubereich sind voll. Kunden warten oft lang. Doch vielen Betrieben fehlen Mitarbeite­r. Daher müssen die Berufe attraktive­r werden

- VON DANIELA HUNGBAUR huda@augsburger-allgemeine.de

Wer einen Handwerker braucht, muss oft sehr lange warten. Weil die Auftragsbü­cher vieler Handwerker brechend voll sind. Gerade der Baubranche geht es glänzend, gerade ihr fehlen aber Mitarbeite­r. Seit Jahren schon kämpft das Handwerk um mehr Fachkräfte. Gesucht sind nicht nur junge Leute für eine Ausbildung. Qualifizie­rte Nachfolger für Betriebe gibt es auch zu wenig. Was das Handwerk zusätzlich vermisst, ist Wertschätz­ung.

Auf Menschen, die vor allem körperlich arbeiten, wird leider noch zu oft herabgebli­ckt. Da wundert es nicht, dass viele Jugendlich­e nicht ins Handwerk wollen. Geschadet hat dem Ruf des Handwerks aber noch etwas anderes: der Wegfall der Meisterpfl­icht in vielen Gewerken. Er droht das ganze Handwerk abzuwerten und das ohnehin schwer angekratzt­e Image weiter zu verschlech­tern. Denn der Wegfall der Meisterpfl­icht macht das Handwerk in Teilen zu einem Auffangbec­ken für Ungelernte. Daher sollte dieser Fehler revidiert und die Meisterpfl­icht wieder eingeführt werden.

Es ist der Meistertit­el, der für Qualität steht. Das gibt vor allem Kunden Sicherheit. Dass aber auch von Meisterhan­d Pfusch kommen kann, ist klar. Schwarze Schafe gibt es überall. Dennoch sorgen gerade Meisterbet­riebe, indem sie ausbilden, für qualifizie­rten Nachwuchs und für einen wichtigen Wissenstra­nsfer von einer Generation zur nächsten. Das oft traditions­reiche Können muss erhalten werden. Zumal der Austausch zwischen Jung und Alt die Basis bildet, damit Innovation­en entstehen – etwa neue Techniken.

Doch mit Innovation­skraft und Kreativitä­t wird das Handwerk noch immer zu wenig verbunden. Dafür mit Schufterei. Mit Drecksarbe­it bei jeder Witterung. Und zum Teil stimmt es ja auch, dass etliche Handwerksb­erufe – etwa am Bau – nichts für empfindlic­he Wesen sind, die bei jedem Regenguss eine Erkältung fürchten oder kriegen. Allerdings macht die Technisier­ung der Arbeitswel­t auch nicht ausgerechn­et vor dem Handwerk Halt. Viele Handwerker können heute viel komfortabl­er arbeiten. Und wer mal schaut, was Handwerker für ihre Dienste verlangen können (und sich als Kunde darüber ärgert), dem sollte klar sein, dass diese Branche beste Berufschan­cen bietet. Er kann den eigenen Kindern eigentlich nur raten, sich die Sache zumindest einmal anzusehen.

Aber eine fundierte Ausbildung mit einem anschließe­nd auskömmlic­hen Gehalt bieten eben die meisten der vielen Kleinstbet­riebe nicht, die nach dem Wegfall der Meisterpfl­icht entstanden sind. Sicher, es gab eine Gründerwel­le. Und ja, viele dieser fleißigen Generalist­en machen einen guten Job und helfen dabei, den Auftragsbe­rg abzuarbeit­en. Aber es bleiben eben oft nur Kleinstbet­riebe. Zudem nicht selten mit geringer Überlebens­dauer. Doch das Problem ist: Ohne Ausbildung­sbereitsch­aft und Ausbildung­squalifika­tion verschärft sich die Fachkräfte­not im Handwerk noch schneller und stärker.

Viele Handwerker wissen längst, dass die Zukunft ihrer Berufe auf dem Spiel steht. Sie nehmen sich die Zeit und gehen in Kindergärt­en und Schulen. Sie versuchen, dort die Kinder und Jugendlich­en direkt für ihre Branche zu begeistern. Das ist der richtige Weg. Und warum nicht die Idee der Gewerkscha­ft IG Bau aufgreifen und ein verpflicht­endes Praktikum im Handwerk einführen? Jugendlich­e sollen doch auch Lebensprax­is lernen. Es schadet keinem Schüler, wenn er sich in einer handwerkli­chen Arbeit zumindest einmal versucht hat. Fein heraus ist längst jeder, der ein Handwerk gelernt hat und selbst etwas reparieren kann. Denn, geht der Fachkräfte­kampf so weiter, wird sich die Wartezeit auf einen Handwerker massiv verlängern.

Pflicht-Praktikum im Handwerk schadet keinem Schüler

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany