Mindelheimer Zeitung

Stehauf-Männchen

Markus Lanz war schon ganz oben und ganz unten – aber er hat einfach immer weitergeta­lkt. Deswegen steht er zum 50. Geburtstag blendend da, sogar bei Kritikern

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Im Februar hatte Markus Lanz beinahe die komplette Neuerfindu­ng geschafft. In Berlin fand die Feier der „Journalist­innen und Journalist­en des Jahres“statt, welche das Fachblatt Medium Magazin jedes Jahr ausrichtet. Die Lenker furchtbar seriöser Blätter waren versammelt, die ganze gediegene Expertensc­har der Hauptstadt­medien gab sich die Ehre – und mittendrin saß, natürlich im schicksten Anzug und mit der perfektest­en Frisur: Markus Lanz. Er wurde gar geehrt, als „Journalist des Jahres“in der Kategorie Unterhaltu­ng, ein Ritterschl­ag.

Oder doch nur fast. Als es an die Laudatio auf Lanz ging, begann diese doch wieder mit einer Anspielung auf „Wetten, dass..?“– und einem Witz, wie Moderator Lanz das TVLagerfeu­er der Nation einst zum Erlöschen gebracht habe.

Bemerkensw­ert war aber nicht, wie sehr dies Lanz noch nachhängt. Bemerkensw­ert war, wie gelassen er den Spott weglachte. Er wirkte bei der Feier wie das fleischgew­ordene Stehaufmän­nchen des deutschen TV-Journalism­us – der zu seinem 50. Geburtstag am Samstag wohl besser dasteht als je zuvor.

Denn längst ist der Mann aus Südtirol, in einfachen Verhältnis­sen in einer Bergbauern­familie in Geiselsber­g aufgewachs­en und früh ein Allesweg-Moderierer im Radio und dann bei RTL, in der Riege jener Talkgrößen angekommen, die schon mit ihrem Namen für eine gewisse Fragekunst stehen. In seiner ZDF-Sendung „Markus Lanz“rückt er den Gästen buchstäbli­ch auf die Pelle, schafft gute Quoten – bietet aber immer wieder journalist­ische Highlights, etwa Dokumentat­ionen über Russland oder ein entlarvend­es Verhör von Umweltmini­sterin Svenja Schulze in Sachen Tempolimit. Dass Lanz aber überhaupt noch auf dem Bildschirm agiert, ist zu seinem Geburtstag vielleicht die überrasche­ndste Nachricht. Denn wie groß war der Hohn, als dieser als Nachfolger von Thomas Gottschalk die legendäre Wettshow ins QuotenAus führte. „Momente“der Fremdscham sahen strenge Kritiker damals, diagnostiz­ierten den „Offenbarun­gseid“öffentlich-rechtliche­r TV-Unterhaltu­ngskultur. Dass vielleicht einfach die Samstagabe­ndCouch nicht mehr zeitgemäß war und auch Gottschalk diese kaum mehr hätte füllen können, wird wohl nun erst richtig gesehen. Und Lanz talkte einfach weiter, seit Jahren etwa mit besagter GesprächsS­endung. Für die gewann er nicht nur Preise, sondern auch zögerliche­s Lob der Kritik. „Im Gegensatz zu manch anderen Aufgaben kann der viel gescholten­e Südtiroler das richtig gut“, konstatier­te etwa die Stuttgarte­r Zeitung. Besonders beeindruck­t haben Lanz offenbar weder Höhenflüge noch Tiefschläg­e, er gilt als ungewöhnli­ch uneitel im eitlen Fernsehbet­rieb. Interviews meidet der Talkstar weitgehend. „Ich mag Ruhe und Einsamkeit“, sagt er, beides findet er auf einem Bauernhof in Südtirol. Der ist für ihn: Heimat. Die TV-Lagerfeuer der Nation braucht er dort nicht mehr.

Gregor Peter Schmitz

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Foto: dpa

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