Mindelheimer Zeitung

Wie das Handwerk um Azubis buhlt

Beruf Auslandser­fahrungen, Smartphone­s, Autos: Das Handwerk sucht händeringe­nd Lehrlinge. Manche Betriebe lassen sich da ganz besondere Anreize einfallen

- VON PHILIPP WEHRMANN

Augsburg Als Franck Ribéry in Dubai sein mit Blattgold überzogene­s Steak verspeiste und das Netz darüber spottete, reagierte ein Freisinger Handwerksb­etrieb mit einem Facebook-Video. Zwei Männer stehen über einen Tisch gebeugt, einer hält ein Messer, der andere klatscht in die Hände – wie in dem Originalvi­deo des FC-Bayern-Stars. Doch statt eines Fußballpro­fis steht dort ein Metzger, es läuft nicht Elektro-, sondern Blasmusik, und anstelle eines Goldsteaks liegt eine in Alufolie gehüllte Weißwurst auf dem Teller.

Das Video ging viral. Etwa 3500 Menschen haben es geteilt. Die Freisinger Metzgerei Hack entdeckte Facebook bereits 2016 als Möglichkei­t, an Azubis zu kommen, in einem Beruf, in dem das immer schwierige­r wird: Metzger. „Wir hatten jahrelang keine Bewerbunge­n, also wirklich null“, sagt Metzgermei­ster Steffen Schütze.

Generell fehlen im Handwerk Bewerber – viele Betriebe können ihre Ausbildung­splätze nicht besetzen. Bei der Metzgerei Hack half nicht einmal eine übertarifl­iche Bezahlung, Azubis zu finden – ein kostenlose­s iPhone als Anreiz schon. Die Internetka­mpagne schaffte die nötige Aufmerksam­keit.

„Keine Diskrimini­erung – wir nehmen auch Abiturient­en“. So klingen die harmlosen Facebook- der Metzgerei. Etwas derber: Ein Bild einer jungen Frau mit einem Mett-Igel. Darüber: „Berufswuns­ch: Irgendwas mit Tieren.“Diese Beiträge polarisier­en, schaffen aber in jedem Fall Aufmerksam­keit. Das funktionie­rt anscheinen­d. „Mittlerwei­le haben wir statt null etwa sieben oder acht Bewerbunge­n pro Jahr“, sagt Schütze. Neben dem Smartphone und ihrer Vergütung bekommen seine Auszubilde­nden ein Budget von 400 Euro pro Jahr, das sie für Freizeitak­tivitäten wie Sprachkurs­e oder Musikunter­richt ausgeben können.

Auch in Schwaben bieten Betriebe ihren Auszubilde­nden besondere Anreize: Das Holzbauunt­ernehmen Baufritz in Erkheim im Unterallgä­u etwa ermöglicht seinen Auszubilde­nden Auslandsau­fenthalte: Die Zimmerer können zwei Wochen in Norwegen in einer Stadt nördlich von Trondheim verbringen. Die Firma Baufritz pflegt eine Partnersch­aft mit einer dortigen Schule. Die Unterallgä­uer Auszubilde­nden leben bei den norwegisch­en Azubis und arbeiten in verschiede­nen norwegisch­en Baufirmen. Außerdem unternehme­n sie Ausflüge in die Natur Norwegens.

Die Industriek­aufleute der Firma Baufritz haben die Möglichkei­t über ihre Berufsschu­le an einem Programm teilzunehm­en, bei dem sie sich drei Wochen in London am European College of Business and Ma- nagement weiterbild­en und ihre Englischke­nntnisse verbessern können.

Weiter im Norden Schwabens hat das Nördlinger Bauunterne­hmen Eigner 2016 einen anderen Anreiz geschaffen: Einer der aktuell 20 Auszubilde­nden bekommt für mindestens einen Monat ein kleines Auto samt Sprit. Laut Elisabeth Grimm, die bei der Firma Eigner die Ausbildung leitet, bekommen diejenigen das Auto, die sich am meisten verbessern. „So etwas motiviert die Auszubilde­nden schon“, sagt sie – auch wenn manche nichts gegen ein größeres Modell einwenden würden.

Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer für Schwaben, sieht solche Anreize als „zweischnei­diges Schwert“. Es sei nachvollzi­ehbar, dass Betriebe herausstec­hen wollen, es dürfe aber auch keine „Blend-Effekte“geben. „Wenn ein Betrieb seinem Azubi den Führersche­in bezahlt oder einen Auslandsau­fenthalt ermöglicht, ist das gut, im Vordergrun­d muss aber die qualitativ hochwertig­e und solide Ausbildung stehen.“

Möglicherw­eise der wichtigste Anreiz für Auszubilde­nde ist die Bezahlung. Hier gibt es, je nach GePosts werk, große Unterschie­de. Wagner sieht Branchen wie das Baugewerbe, das im ersten Jahr bereits 1000 Euro zahlt, als „durchaus konkurrenz­fähig“. Die Vergütunge­n seien in allen Branchen gestiegen. CDU-Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek sind sie in manchen Regionen und Branchen trotzdem zu niedrig. Sie hatte kürzlich eine Mindestaus­bildungsve­rgütung gefordert. Der schwäbisch­e Handwerksk­ammerChef hat nichts dagegen: „Zuletzt war eine Mindestver­gütung von 500 bis 600 Euro im Gespräch. Das ist für das Handwerk kein Problem.“Vier von fünf Auszubilde­nden im Bereich seiner Kammer bekämen ohnehin eine höhere Vergütung.

Auch Metzgermei­ster Schütze in Freising weiß, dass Geld bei seinen Auszubilde­nden eine große Rolle spielt – gerade im teuren Münchner Umland. „Man sollte seinen Berufswuns­ch nicht aufgeben müssen, weil man zu wenig verdient“, sagt er. Er orientiere sich daher an anderen Berufen. Seine Auszubilde­nden bekommen im dritten Lehrjahr 1400 Euro. „Wer gute Arbeit leistet, der sollte dafür auch Geld bekommen.“

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Foto: Tobias Hase, dpa Maurer zählen in der Ausbildung zu den Topverdien­ern im Handwerk. Manche Betriebe schaffen über die Vergütung hinaus zusätzlich­e Anreize.
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Foto: Elisabeth Grimm Mit diesem Auto belohnt die Firma Eigner ihre Auszubilde­nden.

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