Die Stadtgärtnerin
Porträt Urban Gardening ist der Trend, der Städte grüner macht. Tine Klink lebt in Augsburg. Aufgewachsen ist sie aber auf dem Land. Wie sie ihre Sehnsucht nach Pflanzen und Blumen stillt
Die Sehnsucht nach Farbe sieht man auch in ihren Gemälden. Tine Klink sitzt in ihrem Atelier im Augsburger Stadtteil Pfersee. Hinter ihr hängt ein Werk in sattem Grün. Die 45-Jährige liebt es bunt. Sie braucht Erde, Blumen, Sträucher, Bäume. Aufgewachsen auf dem saarländischen Land, weiß sie noch gut, wie es sich anfühlt, im Sommer im großmütterlichen Garten zu stehen, diesen wunderbaren Duft einzuatmen, dem Gesang der Vögel zu lauschen und sich nebenbei die warmen Johannisbeeren in den Mund zu stecken. So ist es nur verständlich, dass Tine Klink auch in ihrem Leben in der Stadt stets auf der Suche nach Naturoasen ist, nach Möglichkeiten, selbst zu pflanzen und zu ernten. Die eigenen Balkone und auch ihr Kleingarten reichen ihr dafür nicht. So gründete sie 2013 zusammen mit Gartenliebhaberin Susanne Thoma den Arbeitskreis (AK) Urbane Gärten in Augsburg. Denn Urban Gardening ist höchst beliebt.
Elf Angebote umfasst der Augsburger AK mittlerweile. Darunter welche, die vor allem Kindern die Liebe zur Natur nahebringen, und welche, die Menschen in Krisensituationen sinnvolle Beschäftigungen bieten wollen. Es sind Projekte, die nur wenige Quadratmeter zählen, und andere, die über 2000 zur Verfügung haben. Was die meisten eint: Die Gemeinschaft steht im Mittelpunkt. Auch Tine Klink sieht gerade darin den Reiz. Es geht beim Urban Gardening nicht darum, möglichst viele Karotten, Salatköpfe und Bohnen zu ernten. „Gärtnern in der Stadt ist meist ein Draufzahlgeschäft“, sagt sie. „Das Coole ist, wenn Menschen mit ganz unterschiedlichen Berufen, unterschiedlichen Biografien, unterschiedlichen Alters, Anfänger und Fortgeschrittene gemeinsam gärtnern.“Spannend ist, verschiedene Flächen zu verwandeln. Da legt sich der eine ein mobiles Gemüsebeet im ehemaligen Fahrradanhänger zu, der andere baut ein Hochbeet, der dritte verzaubert seinen Hinterhof in einen Nutzgarten oder in ein Blumenparadies. Das größte Problem aller Stadtgärtner ist der Platz, sagt Tine Klink. Gerade in Städten wie Augsburg mit Wohnungsnot und hohem Baudruck ist man auf einen guten Draht zum Amt für Grünordnung angewiesen – „und in Augsburg klappt das hervorragend“. Ein anderes Problem: kontaminierte Bösogenannten den. „In Augsburg gibt es kaum unbelastete Böden.“Und einfach einmal Gemüse anbauen, wo früher vielleicht Altöl entsorgt wurde, ist sicher keine gute Idee. Weil es nicht so einfach ist, sind für Tine Klink Wissen und der Austausch von Erfahrungen das A und O eines erfolgreichen Stadtgärtners. Blinden Aktionismus lehnt die Soziologin ab. Daher ist sie auch kein Freund des „Guerilla Gardening“, bei dem beispielsweise Samenbomben auf die nächste trostlose Verkehrsinsel oder den verwahrlosten Seitenstreifen geworfen werden. „Das Problem ist, dass dann dort oft auch Pflanzen wachsen, die mehr schaden als nutzen“, erklärt Tine Klink, die regelmäßig Vorträge über biologisches Garteln hält und auch, wie sie schmunzelnd ergänzt, „Anpflanz-Workshops für naturentfremdete Städter“bietet. Schließlich ist es gerade in der Stadt entscheidend, was wo am besten gedeiht, welche Samen man nimmt, wie man etwa mit Schnecken und Läusen umgeht, wie man Insekten wirklich Nahrung und Lebensraum bietet und so auch einen Beitrag zum Naturschutz leistet.
Doch wie gelingt es nun Städtern, ihr Umfeld in lebenswertere Landschaften zu verwandeln? „Also ich fahre ja immer Rad“, beginnt Tine Klink die Frage zu beantworten. „Denn mit dem Rad sieht man viel mehr von seiner Stadt. So würde ich erst einmal schauen, wo überhaupt Flächen sind, die infrage kommen.“Jede Stadt habe sogenanntes Grabeland. Das sind Grundstücke, die hobbygärtnerisch genutzt werden können und für eine verhältnismäßig geringe Pacht zu haben sind. Dann ist es natürlich von Vorteil, wenn man wie Tine Klink ein kommunikationsfreudiger Mensch ist: In Plaudereien lässt es sich leicht erfahren, welcher Nachbar sich auch mehr Grün in seiner Umgebung wünscht, wer bereit ist, in einer Gemeinschaft mitzumachen. Wichtig ist auch die Frage, wie man sich organisiert: „Die Gründung eines Vereins hat den Vorteil, dass man Fördergelder erhält“, sagt Tine Klink. Der AK Urbane Gärten ist Mitglied beim auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Augsburger Netzwerk Lokale Agenda 21 und wird von dort finanziell unterstützt. Die Nachfrage nach Stadtgärten wächst, sagt Tine Klink. Wer ihr zuhört weiß, dass dies auch an Menschen wie ihr liegt, die es verstehen, andere für mehr Natur zu begeistern.