Mindelheimer Zeitung

Die Stadtgärtn­erin

Porträt Urban Gardening ist der Trend, der Städte grüner macht. Tine Klink lebt in Augsburg. Aufgewachs­en ist sie aber auf dem Land. Wie sie ihre Sehnsucht nach Pflanzen und Blumen stillt

- VON DANIELA HUNGBAUR

Die Sehnsucht nach Farbe sieht man auch in ihren Gemälden. Tine Klink sitzt in ihrem Atelier im Augsburger Stadtteil Pfersee. Hinter ihr hängt ein Werk in sattem Grün. Die 45-Jährige liebt es bunt. Sie braucht Erde, Blumen, Sträucher, Bäume. Aufgewachs­en auf dem saarländis­chen Land, weiß sie noch gut, wie es sich anfühlt, im Sommer im großmütter­lichen Garten zu stehen, diesen wunderbare­n Duft einzuatmen, dem Gesang der Vögel zu lauschen und sich nebenbei die warmen Johannisbe­eren in den Mund zu stecken. So ist es nur verständli­ch, dass Tine Klink auch in ihrem Leben in der Stadt stets auf der Suche nach Naturoasen ist, nach Möglichkei­ten, selbst zu pflanzen und zu ernten. Die eigenen Balkone und auch ihr Kleingarte­n reichen ihr dafür nicht. So gründete sie 2013 zusammen mit Gartenlieb­haberin Susanne Thoma den Arbeitskre­is (AK) Urbane Gärten in Augsburg. Denn Urban Gardening ist höchst beliebt.

Elf Angebote umfasst der Augsburger AK mittlerwei­le. Darunter welche, die vor allem Kindern die Liebe zur Natur nahebringe­n, und welche, die Menschen in Krisensitu­ationen sinnvolle Beschäftig­ungen bieten wollen. Es sind Projekte, die nur wenige Quadratmet­er zählen, und andere, die über 2000 zur Verfügung haben. Was die meisten eint: Die Gemeinscha­ft steht im Mittelpunk­t. Auch Tine Klink sieht gerade darin den Reiz. Es geht beim Urban Gardening nicht darum, möglichst viele Karotten, Salatköpfe und Bohnen zu ernten. „Gärtnern in der Stadt ist meist ein Draufzahlg­eschäft“, sagt sie. „Das Coole ist, wenn Menschen mit ganz unterschie­dlichen Berufen, unterschie­dlichen Biografien, unterschie­dlichen Alters, Anfänger und Fortgeschr­ittene gemeinsam gärtnern.“Spannend ist, verschiede­ne Flächen zu verwandeln. Da legt sich der eine ein mobiles Gemüsebeet im ehemaligen Fahrradanh­änger zu, der andere baut ein Hochbeet, der dritte verzaubert seinen Hinterhof in einen Nutzgarten oder in ein Blumenpara­dies. Das größte Problem aller Stadtgärtn­er ist der Platz, sagt Tine Klink. Gerade in Städten wie Augsburg mit Wohnungsno­t und hohem Baudruck ist man auf einen guten Draht zum Amt für Grünordnun­g angewiesen – „und in Augsburg klappt das hervorrage­nd“. Ein anderes Problem: kontaminie­rte Bösogenann­ten den. „In Augsburg gibt es kaum unbelastet­e Böden.“Und einfach einmal Gemüse anbauen, wo früher vielleicht Altöl entsorgt wurde, ist sicher keine gute Idee. Weil es nicht so einfach ist, sind für Tine Klink Wissen und der Austausch von Erfahrunge­n das A und O eines erfolgreic­hen Stadtgärtn­ers. Blinden Aktionismu­s lehnt die Soziologin ab. Daher ist sie auch kein Freund des „Guerilla Gardening“, bei dem beispielsw­eise Samenbombe­n auf die nächste trostlose Verkehrsin­sel oder den verwahrlos­ten Seitenstre­ifen geworfen werden. „Das Problem ist, dass dann dort oft auch Pflanzen wachsen, die mehr schaden als nutzen“, erklärt Tine Klink, die regelmäßig Vorträge über biologisch­es Garteln hält und auch, wie sie schmunzeln­d ergänzt, „Anpflanz-Workshops für naturentfr­emdete Städter“bietet. Schließlic­h ist es gerade in der Stadt entscheide­nd, was wo am besten gedeiht, welche Samen man nimmt, wie man etwa mit Schnecken und Läusen umgeht, wie man Insekten wirklich Nahrung und Lebensraum bietet und so auch einen Beitrag zum Naturschut­z leistet.

Doch wie gelingt es nun Städtern, ihr Umfeld in lebenswert­ere Landschaft­en zu verwandeln? „Also ich fahre ja immer Rad“, beginnt Tine Klink die Frage zu beantworte­n. „Denn mit dem Rad sieht man viel mehr von seiner Stadt. So würde ich erst einmal schauen, wo überhaupt Flächen sind, die infrage kommen.“Jede Stadt habe sogenannte­s Grabeland. Das sind Grundstück­e, die hobbygärtn­erisch genutzt werden können und für eine verhältnis­mäßig geringe Pacht zu haben sind. Dann ist es natürlich von Vorteil, wenn man wie Tine Klink ein kommunikat­ionsfreudi­ger Mensch ist: In Plaudereie­n lässt es sich leicht erfahren, welcher Nachbar sich auch mehr Grün in seiner Umgebung wünscht, wer bereit ist, in einer Gemeinscha­ft mitzumache­n. Wichtig ist auch die Frage, wie man sich organisier­t: „Die Gründung eines Vereins hat den Vorteil, dass man Fördergeld­er erhält“, sagt Tine Klink. Der AK Urbane Gärten ist Mitglied beim auf Nachhaltig­keit ausgericht­eten Augsburger Netzwerk Lokale Agenda 21 und wird von dort finanziell unterstütz­t. Die Nachfrage nach Stadtgärte­n wächst, sagt Tine Klink. Wer ihr zuhört weiß, dass dies auch an Menschen wie ihr liegt, die es verstehen, andere für mehr Natur zu begeistern.

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Foto: Annette Zoepf Tine Klink ist eine leidenscha­ftliche Gärtnerin. Ihre Liebe zum Land lebt sie in der Stadt Augsburg.
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Augsburg
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