Missbrauch in Lügde: „Ein Skandal“
Ermittlungen Auf einem Campingplatz soll es zu schockierenden Taten gekommen sein. Doch statt sie aufzuklären, versagten die Behörden. Die Polizeigewerkschaften zeigen sich entsetzt
Lügde Nachdem im Fall um den massenhaften Missbrauch von Kindern auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde weitere schockierende Details ans Licht gekommen sind, wonach es offenbar eklatante Pannen bei der Strafermittlung gab, melden sich jetzt die Verantwortlichen der Polizeigewerkschaften zu Wort.
Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Nordrhein-Westfalen, ist fassungslos. „So etwas habe ich in meiner Laufbahn bislang noch nicht erlebt und so etwas möchte ich auch nie wieder erleben“, sagte er auf Anfrage unserer Redaktion. In erster Linie gehe es jetzt darum, dass der Fall gründlich und vor allem vollständig aufgearbeitet werde. „Das sind wir allen Opfern schuldig“, sagte er. Forderungen nach Konsequenzen für die Polizei stelle er mit Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren noch nicht. Schließlich gelte für jeden die Unschuldsvermutung.
Zuletzt hatte sich der Missbrauchsfall immer mehr zu einem Behördenskandal ausgeweitet. Ein Polizist, der für mehrere Wochen Leiter der Ermittlungskommission war, wurde vorläufig vom Dienst suspendiert. Gegen ihn bestehe der Verdacht der Strafvereitelung im Amt, erklärte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Innenausschuss des Landtags am Donnerstag. Schon bei einem früheren Sexualstraffall, an dem der Mann gearbei- tet hatte, seien Beweismittel nicht mehr auffindbar gewesen. Gleiches gelte nun für den Fall Lügde.
Der suspendierte Beamte hatte jenen Polizeischüler betreut, der 155 CDs und DVDs sichtete, die später aus einem Asservatenraum verschwanden. Allerdings fiel der Verlust erst Wochen später auf. „Das ist ein Skandal“, ärgerte sich Mertens.
Auch der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft in Nordrhein-Westfalen, Erich Rettinghaus, ist schockiert: „Wenn dem so ist, dass ein Polizist das Beweismaterial aktiv weggeschafft hat, dann wäre das wirklich schlimm.“Bisher habe er die Hoffnung gehabt, dass die CDs und DVDs einfach nur verlegt worden seien. „Doch davon ist leider nicht mehr auszugehen“, sagte Rettinghaus unserer Redaktion. Seit 2008 sollen auf dem Campingplatz in Lügde mindestens 34 Kinder im Alter von vier bis 13 Jahren sexuell missbraucht und teilweise dabei gefilmt worden seien. Die drei Hauptverdächtigen sind zwischen 33 und 56 Jahre alt und sitzen in Untersuchungshaft.
Aufgrund gleich mehrerer eklatanter Versäumnisse bei der Ermittlungsarbeit sind nach Informationen des nordrhein-westfälischen Innenministeriums bereits drei Beamte versetzt worden. Gegen zwei weitere Polizisten laufen Strafverfahren, weil sie frühe Hinweise auf den Kindesmissbrauch nicht an die Staatsanwaltschaft Detmold weitergeleitet hatten.