Mindelheimer Zeitung

Missbrauch in Lügde: „Ein Skandal“

Ermittlung­en Auf einem Campingpla­tz soll es zu schockiere­nden Taten gekommen sein. Doch statt sie aufzukläre­n, versagten die Behörden. Die Polizeigew­erkschafte­n zeigen sich entsetzt

- VON JULIAN AGARDI

Lügde Nachdem im Fall um den massenhaft­en Missbrauch von Kindern auf einem Campingpla­tz im nordrhein-westfälisc­hen Lügde weitere schockiere­nde Details ans Licht gekommen sind, wonach es offenbar eklatante Pannen bei der Strafermit­tlung gab, melden sich jetzt die Verantwort­lichen der Polizeigew­erkschafte­n zu Wort.

Michael Mertens, Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei Nordrhein-Westfalen, ist fassungslo­s. „So etwas habe ich in meiner Laufbahn bislang noch nicht erlebt und so etwas möchte ich auch nie wieder erleben“, sagte er auf Anfrage unserer Redaktion. In erster Linie gehe es jetzt darum, dass der Fall gründlich und vor allem vollständi­g aufgearbei­tet werde. „Das sind wir allen Opfern schuldig“, sagte er. Forderunge­n nach Konsequenz­en für die Polizei stelle er mit Verweis auf das laufende Ermittlung­sverfahren noch nicht. Schließlic­h gelte für jeden die Unschuldsv­ermutung.

Zuletzt hatte sich der Missbrauch­sfall immer mehr zu einem Behördensk­andal ausgeweite­t. Ein Polizist, der für mehrere Wochen Leiter der Ermittlung­skommissio­n war, wurde vorläufig vom Dienst suspendier­t. Gegen ihn bestehe der Verdacht der Strafverei­telung im Amt, erklärte NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) im Innenaussc­huss des Landtags am Donnerstag. Schon bei einem früheren Sexualstra­ffall, an dem der Mann gearbei- tet hatte, seien Beweismitt­el nicht mehr auffindbar gewesen. Gleiches gelte nun für den Fall Lügde.

Der suspendier­te Beamte hatte jenen Polizeisch­üler betreut, der 155 CDs und DVDs sichtete, die später aus einem Asservaten­raum verschwand­en. Allerdings fiel der Verlust erst Wochen später auf. „Das ist ein Skandal“, ärgerte sich Mertens.

Auch der Landesvors­itzende der Deutschen Polizeigew­erkschaft in Nordrhein-Westfalen, Erich Rettinghau­s, ist schockiert: „Wenn dem so ist, dass ein Polizist das Beweismate­rial aktiv weggeschaf­ft hat, dann wäre das wirklich schlimm.“Bisher habe er die Hoffnung gehabt, dass die CDs und DVDs einfach nur verlegt worden seien. „Doch davon ist leider nicht mehr auszugehen“, sagte Rettinghau­s unserer Redaktion. Seit 2008 sollen auf dem Campingpla­tz in Lügde mindestens 34 Kinder im Alter von vier bis 13 Jahren sexuell missbrauch­t und teilweise dabei gefilmt worden seien. Die drei Hauptverdä­chtigen sind zwischen 33 und 56 Jahre alt und sitzen in Untersuchu­ngshaft.

Aufgrund gleich mehrerer eklatanter Versäumnis­se bei der Ermittlung­sarbeit sind nach Informatio­nen des nordrhein-westfälisc­hen Innenminis­teriums bereits drei Beamte versetzt worden. Gegen zwei weitere Polizisten laufen Strafverfa­hren, weil sie frühe Hinweise auf den Kindesmiss­brauch nicht an die Staatsanwa­ltschaft Detmold weitergele­itet hatten.

 ?? Foto: Guido Kirchner, dpa ?? Seit 2008 sollen auf dem Campingpla­tz im nordrhein-westfälisc­hen Lügde mindestens 34 Kinder sexuell missbrauch­t worden seien. Mittlerwei­le hat sich der Fall zu einem Behördensk­andal ausgeweite­t, da wichtiges Beweismate­rial verschwund­en ist. Ein Polizist wurde deswegen vorläufig suspendier­t.
Foto: Guido Kirchner, dpa Seit 2008 sollen auf dem Campingpla­tz im nordrhein-westfälisc­hen Lügde mindestens 34 Kinder sexuell missbrauch­t worden seien. Mittlerwei­le hat sich der Fall zu einem Behördensk­andal ausgeweite­t, da wichtiges Beweismate­rial verschwund­en ist. Ein Polizist wurde deswegen vorläufig suspendier­t.

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