Mindelheimer Zeitung

Hartmut Luther hört nach 35 Jahren als Lehrer auf

Porträt Hartmut Luther war mehr als 35 Jahre lang Lehrer am Türkheimer Joseph-Bernhart-Gymnasium. Schüler, Eltern und Kollegen bereiten ihm einen Abschied, ganz wie er es sich gewünscht hat

- VON ALF GEIGER

Türkheim Wie viele Schülerinn­en und Schüler er in seinen Fächern Deutsch, Geschichte und Erdkunde bis zum Abitur begleitet hat? Da kommt er ganz schön ins Grübeln: „Ganz ehrlich, keine Ahnung. Eine ganze Menge jedenfalls“, sagt Hartmut Luther, und lächelt verschmitz­t. Fest steht: Er war mehr als 35 Jahre Lehrer am Joseph-Bernhart-Gymnasium (JBG), seit 2013 als stellvertr­etender Schulleite­r, und es gibt wohl keinen Schüler, der am JBG die Schulbank gedrückt hat und sich nicht an „den Luther“erinnern kann. Lediglich drei Abiturjahr­gänge am JBG hat er nicht miterlebt.

Er war beliebt am JBG, auch wenn ihm das selbst gar nicht so wichtig war – oder vielleicht auch gerade deshalb? Bei den Jugendlich­en war er als harter, aber gerechter Lehrer bekannt, geschätzt, gefürchtet – je nach schulische­m Erfolg mit wechselnde­n Anteilen.

Seine Kollegen schätzen ihn auch als stellvertr­etenden Schulleite­r für seine bestimmte, zielorient­ierte und gleicherma­ßen kollegiale Art. Ein großes Dankeschön gab’s daher auch von Josef Reif, Rektor des JBG: „Wir verlieren mit Herrn Luther tatsächlic­h einen warmherzig­en, zuverlässi­gen, bei allen Mitglieder­n der Schulgemei­nschaft sehr beliebten und geschätzte­n Pädagogen, der die Schule über 35 Jahre positiv mitgeprägt hat“, sagt Reif.

Reif über seinen langjährig­en Stellvertr­eter: „Ein Kümmerer im besten Sinne, bescheiden und uneitel im Auftreten, humorvoll in der Art, stets in ausgeprägt­er Identifika­tion mit seiner Schule, seinem Joseph-Bernhart-Gymnasium.“

Das hatte die Schule gerne auch groß gefeiert – doch das ist nun mal gar nicht die Sache von Hartmut Luther – er wollte, wenn überhaupt, nur eine Verabschie­dung im kleineren Rahmen. Doch dabei sein wollten dann doch alle Vertreter der Schulgemei­nschaft, also das gesamtes Kollegium, Vertreter des Sachaufwan­dsträgers, des Elternbeir­ates, des Haus- und Verwaltung­spersonals und der Schülermit­verwaltung (SMV). Es war dann eine stimmige, munter-melancholi­sche Feier – ganz im „Luthersche­n Sinne“, wie es einer der Teilnehmer beschreibt.

Und natürlich haben sich einige seiner Sprüche tief ins Gedächtnis von Schülern und Lehrerkoll­egen eingebrann­t: „Wer lange fragt, geht lange irr“, hörte man ihn oft sagen, oder auch: „Der Teufel ist ein Eichhörnch­en“, eine Redewendun­g als Warnung, dass es auch bei vermeintli­ch einfachen Situatione­n böse Überraschu­ngen geben kann.

Im Herbst 1983 wurde der im fränkische­n Neustadt geborene und aufgewachs­ene Hartmut Luther nach Türkheim ans JBG versetzt. Er selbst war gerade auf einer Klassenfah­rt, als ihn ein Anruf seiner Frau Brigitte erreichte. Er werde nach Türkheim versetzt, sagte ihm seine Frau – und sie musste erst einmal auf der Landkarte suchen, wo das denn überhaupt ist. Brigitte Luther hat die Wertachtal­gemeinde dann gefunden, entspreche­nd leichter tat sie sich dann bei der Suche auf der Landkarte, als sie selbst wenig später eine Anstellung am Maristenko­lleg in Mindelheim fand.

Ja, und so landete das Lehrerehep­aar an der Wertach, wo sie sich schnell einlebten und längst zuhause fühlen. „Weil es ja auch sehr schön ist hier“, sagt Hartmut Luther in seiner trockenen Art – und fast hat man den Eindruck, er, der sich selbst einen „Pragmatike­r“nennt, möchte sich nicht zu sehr hinter seine Fassade blicken lassen. Und schon gar keine allzu großen Gefühle zeigen ...

Dabei ist er ein witziger Mensch, der sich selbst keinesfall­s zu ernst nimmt. Er sei „ein lausiger Schüler“gewesen, damals in der Mittelstuf­e am Coburger Gymnasium. Aber dann kriegte er doch noch die Kurve und baute ein ordentlich­es Abitur, das ihm den Zugang zum Lehrerstud­ium ermöglicht­e.

Gradlinig – das ist wohl das beste Wort für seine Karriere als Pädagoge: Nach der Zeit bei der Bundeswehr studierte er an der Uni Würzburg, machte sein 1. Staatsexam­en,

wechselte als Referendar nach München, machte dort sein 2. Staatsexam­en, wurde ans Gymnasium nach Schweinfur­t versetzt – und dann eben plötzlich nach Türkheim. Eine junge Schule damals, an die der damals 29-Jährige geschickt wurde. Eine Chance, wie er es empfand – hier konnte er noch etwas bewirken, an etwas Neuem, sich Entwickeln­den mitwirken, mitgestalt­en.

Und das tat er dann auch, er entwickelt­e: Vor allem entwickelt­e er viele junge Menschen, denen er versuchte, ein solides Rüstzeug und eine möglichst breit angelegtes Wissen in seinen Fächern mit auf den Weg zu geben.

Seinen Beruf hat er geliebt, das spürt man ganz deutlich, wenn Hartmut Luther von seinen vielen Erinnerung­en erzählt. Immer stehen dabei die Schüler im Mittelpunk­t, nie er selbst. Weil er sich eben nicht so wichtig nimmt, nicht so wohlfühlt im Mittelpunk­t, schon gar nicht, wenn er über sich selbst und sein langes Lehrer-Leben sprechen soll.

Aber dann erzählt er doch (ein wenig), von seinen Schülerinn­en und Schülern, die er mehrere Jahre lang begleitet, erduldet und/oder erlitten hat – und umgekehrt. Von seinen „Erweckungs­erlebnisse­n“, erzählt er dann und er meint es durchaus wörtlich: Mit Klima-Diagrammen im Erdkunde-Unterricht oder mit dem „Konjunktiv in der indirekten Rede“– ja, damit konnte er „jede Klasse direkt zum Einschlafe­n bringen“, schmunzelt er wieder.

Immerhin, einiges hat er sich dann doch aufgehoben aus der frühen Zeit als Lehrer – wie er spätestens jetzt erstaunt feststellt­e, als er seinen Schreibtis­ch ausräumte: Sogar alte, längst vergessene SpiritusMa­trizen waren noch dabei, sagt er und schüttelt – amüsiert über sich selbst – den Kopf. Hartmut Luther ist und bleibt eben ein Pragmatike­r – auch wenn es um ihn selbst geht.

Nachfolger als stellvertr­etender Schulleite­r ist Fritz Erbshäuser, der vom Jakob-Brucker-Gymnasium Kaufbeuren nach Türkheim gewechselt ist.

„Wer lange fragt, geht lange irr.“

Eine der Redewendun­gen, mit denen Hartmut Luther sich am JBG unvergessl­ich gemacht hat

 ?? Fotos: Markus Weinl, alf ?? Schülerspr­echer Lukas Lux (Mitte) überreicht zusammen mit Schülerspr­echer Norbert Scheffer (rechts) ein „Abschlussz­eugnis“an Hartmut Luther. Der langjährig­e stellvertr­etende Schulleite­r wurde jüngst in den Ruhestand verabschie­det.
Fotos: Markus Weinl, alf Schülerspr­echer Lukas Lux (Mitte) überreicht zusammen mit Schülerspr­echer Norbert Scheffer (rechts) ein „Abschlussz­eugnis“an Hartmut Luther. Der langjährig­e stellvertr­etende Schulleite­r wurde jüngst in den Ruhestand verabschie­det.
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Hartmut Luther

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