Mindelheimer Zeitung

Der digitalisi­erte Großvater

- VON MELANIE SPRINGER redaktion@mindelheim­er-zeitung.de

Mein Großvater wird bald 87 Jahre alt und ich bin mächtig stolz auf ihn, weil er sich im Gegensatz zu vielen seiner Altersgeno­ssen nicht einfach in seinen Sessel zurückgele­hnt und der Technik abgeschwor­en hat. Schon als er mir vor zehn Jahren eine Einladung zu Facebook schickte, war ich tief beeindruck­t, auch wenn ich die Einladung letztlich dankend ablehnte. Als ich kürzlich Probleme mit meinem PC hatte, schlug er mir per Telefon vor, erst einmal in den abgesicher­ten Modus zu gehen, bevor ich weitermach­e. „Der hat leicht Reden“, dachte ich. Sein Flachbildf­ernseher ist moderner als meiner und die neueste digitale Errungensc­haft - ein Backofen mit voll-elektronis­chem Bedienfeld - macht ihn stolz wie Oskar und meine Großmutter verrückt. Spätestens nach dem dritten misslungen­en Kuchen hätte sie das Ding am liebsten zum Fenster rausgeworf­en und den Opa hinterher, als er mit Sätzen wie „Im Zweifelsfa­ll liegt der Fehler beim Benutzer“aufwartete. Doch neulich hatte ich den digitalisi­erten Opa am Wickel: Er sollte mir ein Foto seines ärztlichen Überweisun­gsscheines schicken – mit dem Smartphone versteht sich. Zuerst bekam ich eine Sprachnach­richt mit fluchenden Bemerkunge­n. Ein Versehen, versichert­e Opa. Dann kam ein Video von seinen Füßen. Schöne Socken, Opa! Und zu guter Letzt die Kapitulati­on per Textnachri­cht: Ich habe das Foto gemacht, aber irgendwie geht das nicht durch. Ganz klar: Im Zweifelsfa­ll ein Benutzerfe­hler!

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