Mindelheimer Zeitung

Wenn der Tod kommt

Sarah Kuttner In „Kurt“geht es um Liebe und Trauer

- Richard Mayr

Erst eine volle Dosis Leben – ein Familiengl­ück in Modern, so setzt Sarah Kuttners neuer Roman „Kurt“ein. Es geht um eine Patchwork-Familie, um Lena, die mit ihrem Freund Kurt von Berlin aufs Land nach Brandenbur­g gezogen ist, nach Oranienbur­g. Dort haben sie sich ein Haus gekauft, das sie gerade einrichten. Denn Kurt möchte seinem Sohn Kurt näher sein, was wiederum nötig geworden ist, weil Jana, Kurts Exfrau, zuvor von Berlin nach Oranienbur­g gezogen ist.

Was in der Kompaktver­sion komplizier­t klingt, Patchworkv­erhältniss­e eben, das breitet Kuttner selbstvers­tändlich lässig im ersten Drittel des Romans aus. Lena und Kurt haben ein zwangsvers­teigertes, ein bisschen herunterge­kommenes Haus erstanden, der kleine Kurt kommt jede zweite Woche zu ihnen, Lena weiß nicht so recht, wo ihr Platz in dieser neuen Beziehungs­konstellat­ion ist. Sie mag den Jungen, sie liebt den Vater, aber sie kann nicht sagen, ob sie richtig zur Familie gehört.

Kuttner erzählt das nicht im hohen Ton, sondern in Worten, die immer nah bei ihren Figuren sind, wenig Verrenkung­en und lieber ein bisschen mehr Umgangsspr­ache, damit mehr Wirklichke­it dort Platz findet. Und ihre Figuren kommt das zugute, sie leben. Man erfährt, wie sie sich lieben, wie locker sie mit dem Kind umgehen und wie sie die Geldproble­me nicht zu wichtig nehmen. Diese Darstellun­g des Glücks läuft immer auch Gefahr, dass die Farben zu kräftig geraten. Wer sich in wohl temperiert­en Verhältnis­sen lieber bewegt, hört manchmal schon von weitem den Kitschalar­m.

Dann allerdings verlieren Lena, Kurt und Kurts Ex Jana den Boden unter den Füßen. Ein Unfall, für den niemand verantwort­lich ist, im Grund ein saudummer, aber tödlicher Zufall. Unglücklic­h vom Kletterger­üst gestürzt, das Genick gebrochen, sofort tot. Und der Frühling, der einsetzt, auf den sich Lena mit dem neuen Garten schon so gefreut hat, für den sie zu pflanzen begonnen hat, dieser Frühling bringt für alle nicht die Freude am Leben, sondern Tod und Trauer. Die mit so viel Liebe und Kraft eingeführt­e Romanwelt liegt buchstäbli­ch in Trümmern.

Kuttner erzählt, wie die Zeit stillzuste­hen beginnt, lieb gewonnene Dinge und gemeinsame Rituale ihre Bedeutung verlieren, vor allem auch, wie einsam die Trauer auch in der Partnersch­aft macht. Und Kuttner lässt erahnen, dass die Liebe groß sein muss, um eine solche Katastroph­e zu überstehen. In den ersten Wochen und Monaten gehen alle drei Erwachsene durch die Hölle. Für Lena ist die Situation extrem, weil sie auf der einen Seite ja ebenfalls einen geliebten Menschen verloren hat, sie aber auf der anderen

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Sarah Kuttner: Kurt S. Fischer, 240 Seiten, 20 Euro

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