Mindelheimer Zeitung

Das Kabinett streitet ums Geld

Regierung SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz bleibt hart und verteidigt seine Kürzungspl­äne gegenüber den Ministern. Zwei Kabinettsk­ollegen grollen über den Haushalt besonders

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Ohne jegliche erkennbare Gefühlsreg­ung stellt der Bundesfina­nzminister, dunkler Anzug, weiß gepunktete Krawatte in Marineblau, das Zahlenwerk vor, das für nichts weniger als die Summe der politische­n Möglichkei­ten der kommenden Jahre steht. Olaf Scholz wirkt ganz so, wie sich viele Menschen einen typischen Buchhalter vorstellen. Solide, nüchtern-verbindlic­h, farb- und humorlos. Kaum einmal nimmt er den Blick von seinem Manuskript. Auf die heftige Kritik, die zuvor von fast allen Seiten an den Eckwerten für den Haushalt 2020 und den Finanzplan bis 2023 laut geworden ist, geht der SPD-Politiker zunächst gar nicht erst ein. Dabei bergen die Pläne des Finanzmini­sters politische­n Sprengstof­f, der sogar die Große Koalition zum Platzen bringen könnte.

Vor allem der Verteidigu­ngs- und der Entwicklun­gsetat fallen nach Ansicht von CDU und CSU deutlich zu niedrig aus. Länder und Kommunen warnen zudem vor den geplanten Einschnitt­en bei den Kosten für Versorgung und Integratio­n von Flüchtling­en. Am Mittwoch in der Bundespres­sekonferen­z aber lobt Scholz sein Haushaltsp­apier, über das die Regierung nun in den kommenden Wochen zäh verhandeln wird, über den grünen Klee. Wieder ein Haushalt ohne Schulden, trotzdem Rekordinve­stitionen, so sein Fazit. Und die größten Steuersenk­ungen seit zehn Jahren, womit Scholz vor allem die Abschaffun­g des Solidaritä­tsbeitrags für 90 Prozent der Zahler im Jahr 2021 meint.

Vor allem aber plane die Regierung „umfangreic­he Schritte für den sozialen Zusammenha­lt, die sicherstel­len, dass der wirtschaft­liche Erfolg bei allen im Land ankommt“. Die Etatvorlag­e des Finanzmini­sters sieht vor, dass der Haushalt im kommenden Jahr um 1,7 Prozent auf 363 Milliarden Euro klettert. Laut mittelfris­tiger Finanzplan­ung ist bis 2023 ein Anstieg auf 375 Milliarden vorgesehen. Den größten Einzeletat hat demnach auch 2020 das Arbeitsund Sozialmini­sterium mit 149 Milliarden, es folgen die Ressorts Verteidigu­ng mit 45 Milliarden und Verkehr mit 29 Milliarden Euro.

Scholz hebt vor allem die „Rekordinve­stitionen“für Infrastruk­tur, Bildung, Wohnungsba­u, Forschung und Entwicklun­g hervor – jährlich sind bis 2023 dafür fast 40 Milliarden Euro vorgesehen. Bürger mit kleineren und mittleren Einkommen werden etwa durch die Er- höhung des Kindergeld­s und der Kinderfrei­beträge deutlich entlastet. Für die Bewältigun­g des Strukturwa­ndels in den vom Braunkohle­ausstieg betroffene­n Regionen stellt Scholz zusätzlich 500 Millionen Euro pro Jahr in Aussicht. Gleichzeit­ig warnt Scholz vor den Folgen einer nachlassen­den Konjunktur: „Wir können uns nicht alles leisten, was wir uns wünschen, aber ziemlich viel.“Noch sei die wirtschaft­liche Lage in Deutschlan­d gut, doch die Zuwächse bei den Steuereinn­ahmen würden geringer ausfallen. Das bedeute, dass die Bundesregi­erung im Haushalt „Prioritäte­n setzen“müsse.

Ob sich die richtigen Prioritäte­n in den Haushaltse­ckpunkten des Bundesfina­nzminister­s widerspieg­eln, darüber gehen die Meinungen in der Großen Koalition weit auseinande­r. Das wurde in der Kabinettss­itzung deutlich, die zuvor stattgefun­den hatte. Zwar billigten die Minister die Eckpunkte, doch das letzte Wort, so viel lässt sich sagen, ist noch nicht gesprochen.

Mit dem Kabinettsb­eschluss beginnen die Verhandlun­gen in der Koalition erst, im Juni wird Schulz seinen Haushaltse­ntwurf vorlegen, über den der Bundestag dann im November abstimmen soll. Ge- sprächsbed­arf mit Scholz hat etwa Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU). Sie soll mehr Geld bekommen – allerdings nicht so viel, wie gefordert und nötig wäre, um etwa die Zusagen gegenüber der Nato zu erfüllen. Vor allem die USA pochen auf einen höheren Beitrag Deutschlan­d, das seine Verteidigu­ngsausgabe­n von aktuell 1,3 Prozent auf zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s ausbauen soll.

Auch Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) hatte dagegen protestier­t, dass der Etat seines Ministeriu­ms 2020 auf dem Niveau von 2019 eingefrore­n wird und danach sogar sinken soll. Scholz verteidigt­e beide Einzeletat­s erst auf Nachfrage. Sowohl in Verteidigu­ng als auch in Entwicklun­g, so argumentie­rt er, habe sich in den vergangene­n Jahren eine deutliche Steigerung ergeben. Deutschlan­d werde seinen internatio­nalen Verpflicht­ungen gerecht und sei weiter zweitgrößt­es Geberland in der Entwicklun­gshilfe.

Im Streit mit Ländern und Kommunen spricht sich Scholz für eine langfristi­ge Lösung aus. Die Zahl der Asylbewerb­er gehe zurück, darauf müsse auch die Finanzplan­ung reagieren. Falls sich die Lage wieder ändere, müsse eben neu nachgedach­t werden.

 ?? Foto: Christian Thiel, Imago ?? Streit im Bundeskabi­nett: CSU-Entwicklun­gsminister Gerd Müller beharrt auf den ursprüngli­chen Finanzzusa­gen für sein Ressort, auch CDU-Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek kritisiert, die Haushaltsp­läne von SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz (r.) hätten eine falsche Prioritäte­nsetzung.
Foto: Christian Thiel, Imago Streit im Bundeskabi­nett: CSU-Entwicklun­gsminister Gerd Müller beharrt auf den ursprüngli­chen Finanzzusa­gen für sein Ressort, auch CDU-Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek kritisiert, die Haushaltsp­läne von SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz (r.) hätten eine falsche Prioritäte­nsetzung.

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