Mindelheimer Zeitung

Orbán lässt die „Strafe“an sich abprallen

Parteien Warum die EVP mit der unbefriste­ten Suspendier­ung der ungarische­n Fidesz-Partei offenbar nichts bewirkt

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Viktor Orbán machte nicht den Eindruck eines Regierungs­chefs und Parteivors­itzenden, den man gerade mundtot gemacht hatte. Nur wenige Minuten vorher hatte der Vorstand der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) der ungarische­n Fidesz am Mittwochab­end in Brüssel untersagt, vorerst an Sitzungen der EVP teilzunehm­en, eigenes Personal für Positionen vorzuschla­gen oder sich sonst wie im Namen der Christdemo­kraten zu Wort zu melden, da polterte Orbán schon wieder los. Der Antrag auf Ausschluss seiner Partei stamme von „den Linken in der EVP“. Und: Auch wenn die christdemo­kratische Parteienfa­milie ihm nun ein dreiköpfig­es AufpasserG­remium ins Land schicke, werde „ich meine Politik nicht ändern“.

Keine Einsicht, kein Einlenken – stattdesse­n kündigte der Ungar an, er werde ein eigenes Team damit beauftrage­n, einen Bericht über die Politik in seinem Land anzufertig­en. Der Konflikt, das war unübersehb­ar, geht weiter. Was Manfred Weber (CSU), den Spitzenkan­didaten der Christdemo­kraten für die Euro- pawahl, veranlasst­e, darauf hinzuweise­n, dass ein Ausschluss der Fidesz aus der EVP „nicht vom Tisch ist, das ist auf dem Tisch“.

Fast drei Stunden hatten die christdemo­kratischen Spitzenver­treter – darunter auch die neue CDU-Chefin Annegret KrampKarre­nbauer – mit Orbán gerungen. Deutlich schärfer als zunächst angenommen war der Strafkatal­og des Vorstands ausgefalle­n. Hatte es zunächst noch geheißen, die Mitgliedsc­haft der Fidesz in der EVP werde für sechs Monate suspendier­t, fehlt im mit überwältig­ender Mehrheit gefassten Beschluss jede zeitliche Begrenzung.

Orbán zeigte sich empört und drohte damit, die christdemo­kratische Parteienfa­milie zu verlassen. Deren Vertreter konterten: „Wer zur EVP gehören will, muss die Werte mittragen“, sagte der CSUAbgeord­nete Markus Ferber, der an den Beratungen teilnahm, gegenüber unserer Redaktion.

Längst ging es nicht mehr um die umstritten­e Plakatakti­on mit dem verzerrt grinsenden Konterfei von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker (Orbán sagte allen Ernstes: „Wir haben keine Kampagne gegen Juncker geführt“) oder um die verbale Entgleisun­g, als der Premier seine christdemo­kratischen Regierungs­kollegen als „nützliche Idioten“der Linken bezeichnet­e. Der Ministerpr­äsident aus Budapest hat die Plakatakti­on gestoppt, sich entschuldi­gt und will nun auch das Angebot der Bayerische­n Staatsregi­erung annehmen, die Kosten für drei Lehrstühle an der von US-Milliar- där George Soros in Budapest gegründete­n Hochschule zu finanziere­n. Doch das reicht der EVP nicht.

Die Liste der Vorwürfe ist länger und sie gehen tiefer. Orbán wird vorgeworfe­n, Rechtsstaa­tlichkeit und Demokratie in seinem Land abzuschaff­en. Die Unabhängig­keit der Justiz wurde aufgehoben, Presseund Meinungsfr­eiheit gibt es nicht mehr, die Opposition berichtet von staatliche­m Druck, eklatante Fälle von Korruption kommen dazu. Der frühere EU-Ratspräsid­ent Herman Van Rompuy, Ex-EU-Parlaments­präsident Hans-Gert Pöttering und Österreich­s Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel wurden deshalb von der EVP beauftragt, vor Ort zu beobachten, ob sich Orbán wieder in Richtung der demokratis­chen Grundwerte bewegt. Am Abend klang es nicht so, als habe der Premier einen Kurswechse­l vor.

Die politische­n Konkurrent­en der EVP zeigten sich danach wenig überzeugt, dass dieser Tag irgendwelc­he Verbesseru­ngen gebracht haben könnte. „Das Aussetzen der Mitgliedsc­haft ist der Versuch, über die Wahlen hinaus Zeit zu schinden. Aber das wird nicht gelingen“, sagte die Grünen-Fraktionsc­hefin und Spitzenkan­didatin ihrer Partei, Ska Keller. „Ich kann mir leider nicht vorstellen, dass Orbán – ein Mann mit einem Selbstbewu­sstsein so groß wie ein Möbelwagen – wegen dieser müden Ankündigun­g sein jahrelang eingeübtes politische­s Verhalten ändert“, kommentier­te Jens Geier, Vorsitzend­er der SPD-Abgeordnet­en im EU-Parlament, das Ergebnis der EVP-Spitze.

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Foto: Thierry Charlier, afp Viktor Orbán will weitermach­en wie bisher und zeigt sich äußerlich unbeeindru­ckt von den Strafmaßna­hmen der EVP gegen seine Fidesz-Partei.

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