Die Frau, die Neuseeland vereint
Porträt Nach dem Terror findet Regierungschefin Jacinda Ardern die richtigen Gesten und Worte
Augsburg Am vergangenen Sonntag hat Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern ihre typische Unbeschwertheit verloren. Als der 28 Jahre alte Rechtsextremist in Christchurch auf der Südinsel Neuseelands 50 Menschen zwischen drei und 77 Jahren bei einem Anschlag auf zwei Moscheen tötete, wurde Ardern zur Krisenmanagerin ihres Landes. Die meisten Neuseeländer waren sich schon vorher einig: Premierministerin Jacinda Ardern macht ihre Sache gut. Zu Hause und im Rest der Welt genießt sie ein gutes Image: Eine fröhliche Frau mit 38 Jahren, die mit ihrer Unbeschwertheit erfolgreich ist, der so gut wie alles gelingt: „Happy-go-lucky“sagte man über sie vor dem Anschlag. Jetzt steht die Bevölkerung Neuseelands unter Schock.
Doch für die Verletzten, die Angehörigen der Opfer und die Bevölkerung wurde Jacinda Ardern eine Stütze. Mit tiefen Ringen unter den Augen, noch schmaler geworden als ohnehin, steht sie täglich Rede und Antwort. Und sie findet dabei stets die richtigen Worte, über den Täter sagt sie: „Er wollte viele Dinge mit seinem Akt des Terrors erreichen. Eines davon war, berühmt zu werden. Deshalb werden Sie von mir niemals seinen Namen hören.“
Die Sozialdemokratin versuchte auch die richtigen Gesten zu wählen, als sie ihr Beileid den Hinterbliebenen bei einem Besuch in Christchurch überbrachte. Ardern kam ganz in Schwarzblau, dazu trug sie ein schwarzes Kopftuch, den Hidschab, wie ihn Musliminnen tragen. „Neuseeland ist in Trauer vereint. Wir sind in Trauer vereint“, sagte sie und nahm bei ihrem Besuch immer wieder muslimische Frauen in den Arm. Die muslimische Gemeinde bedankte sich für die Unterstützung der Premierministerin. Eines der Gemeindemitglieder, Habib Ullah, sagte: „Das sind kleine Gesten, die für uns sehr viel bedeuten ...“ Adern gehörte auch zu den Personen, denen der mutmaßliche Täter per E-Mail seine rechtsextremistische Kampfschrift schickte. Die Nachricht ging in Arderns Büro neun Minuten vor Beginn der Tat ein – zu spät, um das Attentat zu verhindern, selbst wenn man die Brisanz sofort erkannt hätte.
Einen Tag später brachte Ardern ihr Kabinett zu einer Krisensitzung zusammen. Dabei ging es insbesondere um die angekündigte Verschärfung von Neuseelands Waffengesetzen. Am Dienstag eröffnete sie eine Rede vor den Abgeordneten mit der arabischen Grußformel „Salam aleikum“, auf Deutsch „Friede sei mit dir“. Jetzt sprach Ardern erneut zu den Angehörigen, nachdem die ersten Todesopfer beigesetzt worden waren. Im Islam ist es eigentlich üblich, Tote innerhalb von 24 Stunden zu beerdigen. Doch wegen der kriminaltechnischen Ermittlungen mussten die Familien auf die Freigabe der Leichen viel länger warten als üblich. Ardern bat die Hinterbliebenen deshalb um Geduld. „Ich weiß, wie schwierig und frustrierend langsam das aus Sicht der Familien ist.“Dazu kündigte sie eine nationale Trauerfeier in Christchurch für einen späteren Zeitpunkt an.
Die politischen Geschäfte Neuseelands führt Ardern seit 2017, nachdem sie im Wahlkampf ihre Labour-Partei aus einem aussichtslosen Rückstand an die Regierung führte. Neuseeland schwelgte in „Jacinda-Manie“. Sie ist die jüngste Regierungschefin, die das Land je hatte. Acht Monate später brachte sie eine Tochter auf die Welt, als weltweit erste amtierende Regierungschefin seit vielen Jahrzehnten. Ihr Lebensgefährte Clarke Gayford, ein TV-Moderator, kümmert sich um Tochter Neve Te Aroha. Auch international hat sie sich einen Namen gemacht. Die Zeiten, als Donald Trump sie beim ersten Treffen für die Frau des kanadischen Premierministers Justin Trudeau hielt, sind endgültig vorbei.