Mindelheimer Zeitung

Glyphosat: Ein teures Risiko für Bayer

Prozess Ist das Unkrautmit­tel von Bayers Tochterfir­ma Monsanto krebserreg­end? Ja, sagt ein US-Gericht. Anleger reagieren panisch, der Börsenwert bricht ein. Das könnte erst der Anfang sein

-

San Francisco/Leverkusen Es ist ein empfindlic­her Rückschlag für Bayer: Im wichtigen US-Großprozes­s um angebliche Krebsrisik­en von Monsantos Unkrautver­nichter Roundup, der Glyphosat enthält, hat das Unternehme­n den ersten Teil klar verloren. Die Jury des zuständige­n Bundesbezi­rksgericht­s in San Francisco befand am Dienstag (Ortszeit) einstimmig, dass das Produkt mit dem umstritten­en Wirkstoff Glyphosat ein wesentlich­er Faktor für die Lymphdrüse­nkrebsErkr­ankung des 70-jährigen Klägers Edwin Hardeman gewesen ist.

Bayer zeigte sich in einer Stellungna­hme enttäuscht von der Entscheidu­ng der Jury. Das Unternehme­n sei weiterhin fest davon überzeugt, dass die wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se bestätigen, dass glyphosatb­asierte Herbizide keinen Krebs verursache­n. „Wir haben großes Mitgefühl mit Herrn Hardeman und seiner Familie – dennoch stützen umfangreic­he wissenscha­ftliche Erkenntnis­se die Schlussfol­gerung, dass Roundup nicht die Ursache seiner Krebserkra­nkung ist“, heißt es in dem Statement. Bayer stehe hinter diesen Produkten und werde sie entschiede­n verteidige­n.

In den USA geht der Prozess nun mit derselben Jury in eine zweite Phase. In der sollen die Haftungsfr­agen geklärt werden. Dabei geht es etwa darum, ob Monsanto über Risiken hinwegtäus­chte und wie hoch der mögliche Schadeners­atz ausfallen könnte. Sollte Monsanto für haftbar befunden werden, könnte das Bayer viel Geld kosten. Ab jetzt gehe es für den Konzern nur noch um Schadensbe­grenzung, mit Blick auf die zweite Prozesspha­se sei das Schlimmste zu befürchten, meint Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research. Bayer ist hingegen zuversicht­lich, im zweiten Teil des Prozesses beweisen zu können, dass Monsantos Verhalten angemessen war und das Unternehme­n nicht für Hardemans Krebserkra­nkung haftbar gemacht werden sollte.

Die Börse reagierte prompt auf das Urteil. Die Furcht vor weiteren Milliarden­lasten, die Bayer entstehen könnten, lösten am Mittwoch ein Beben aus: Der Aktienkurs des Pharma- und Agrarchemi­ekonzerns brach im Dax am Vormittag um rund zwölf Prozent ein. Damit wurden fast acht Milliarden Euro an Börsenwert vernichtet. Die Wahrschein­lichkeit steige, dass Bayer eine große Zahl der vielen tausend Glyphosat-Klagen in den USA verlieren könnte, warnte Michael Leacock vom Investment­haus Mainfirst. Er rechnet aktuell mit rund elf Milliarden Euro an Rechtskost­en für den Konzern.

Für Bayer und Konzernche­f Baumann ist der Fall Hardeman hochbrisan­t, da es sich um einen richtungsw­eisenden „Bellwether Case“handelt. Damit ist im US-Recht eine Art Musterfall in einem Massenverf­ahren gemeint. Mehrere dieser repräsenta­tiven Fälle sind angesetzt. Sie sollen den Streitpart­eien helfen, das Ausmaß von Schäden und die Höhe denkbarer Vergleichs­zahlungen besser abschätzen zu können. Insgesamt sind bei dem zuständige­n US-Richter Vince Chhabria mehrere hundert Klagen von Landwirten, Gärtnern und Verbrauche­rn gebündelt. Bis Ende Januar wurden Monsanto in den USA glyphosatb­ezogene Klagen von etwa 11 200 Klägern zugestellt. Am 28. März soll bereits ein weiterer Prozess bei einem Landgerich­t im kalifornis­chen Oakland starten, weitere folgen.

Für Bayer-Chef Baumann, der als treibende Kraft der Rekordüber­nahme gilt, wird es durch Monsantos Probleme brenzlig. „Mit dieser Transaktio­n schaffen wir erhebliche­n Wert für die Aktionäre, unsere Kunden, Mitarbeite­r und für die Gesellscha­ft insgesamt“, hatte er versproche­n, als er den Deal 2016 besiegelte. Doch stattdesse­n litt der Aktienkurs und es hagelt Kritik von allen Seiten. Angesichts der Schwäche an der Börse könnte Bayer nach Einschätzu­ng von Experte Markus Mayer von der Baader Bank sogar selbst zum Übernahmez­iel werden, sollte der Kurs sich wieder der Tiefstände von 2018 nähern.

Die US-Klagewelle gegen Bayer war so richtig ins Rollen gekommen, nachdem eine Geschworen­enjury dem Krebspatie­nten Dewayne Johnson in einem anderen Verfahren im August insgesamt 289 Millionen Dollar an Schmerzens­geld und Entschädig­ung zugesproch­en hatte. Die Richterin senkte zwar die Strafe gegen den im vergangene­n Jahr von Bayer übernommen­en US-Saatgutkon­zern Monsanto später auf gut 78 Millionen Dollar (69 Mill. Euro), im Grundsatz änderte sie am Urteil aber nichts.

Der Bayer-Aktienkurs war nach dem Urteil im August eingebroch­en. Anleger und Analysten warfen bereits damals die Frage auf, ob die Leverkusen­er die Risiken des rund 63 Milliarden Dollar teuren Monsanto-Kaufs unterschät­zt hätten. Bayer gab sich zuletzt noch betont optimistis­ch: Bislang sah das Unternehme­n keinen Grund, für Schadeners­atzzahlung­en Vorsorge zu leisten. Viel Geld kosten die Glyphosat-Klagen aber dennoch schon: Die Rückstellu­ngen für Rechtsstre­itigkeiten stiegen im vergangene­n Jahr um rund 660 Millionen Euro. „Wir stellen hier im Wesentlich­en für drei Jahre Verteidigu­ngskosten zurück“, erklärte Finanzchef Wolfgang Nickl während einer Bilanzpres­sekonferen­z Ende Februar.

Nickl wird sich mit Bayer-Chef Baumann auf der Hauptversa­mmlung am 26. April harscher Aktionärsk­ritik stellen müssen. So bezeichnet­e Christian Strenger, Gründungsm­itglied der Regierungs­kommission Deutscher Corporate Governance Kodex, den MonsantoKa­uf in einem dem Manager Magazin vorliegend­en Brief als „den größten und schnellste­n Wertvernic­hter der Dax-Geschichte“. Er fordert, dem Bayer-Vorstand die Entlastung zu verweigern.

Hannes Breustedt und Michael Schilling, dpa

 ?? Foto: dpa ?? Der Unkrautver­nichter Glyphosat soll Felder von ungewollte­n Pflanzen befreien. Der Streit darüber, ob er krebserreg­end ist, belastet Bayer schwer.
Foto: dpa Der Unkrautver­nichter Glyphosat soll Felder von ungewollte­n Pflanzen befreien. Der Streit darüber, ob er krebserreg­end ist, belastet Bayer schwer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany