Mindelheimer Zeitung

„Die Zeitung ist für die Demokratie systemrele­vant“

Medien Der Vorsitzend­e der bayerische­n Zeitungsve­rleger, Andreas Scherer, fordert Unterstütz­ung von der Politik

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Herr Scherer, die Zustellung der täglichen Zeitung am Morgen wird für Verlage durch den Mindestloh­n immer teurer. Wie wollen Sie die steigenden Kosten in den Griff bekommen? Andreas Scherer: Das ist eine unserer größten Sorgen. Die Zustellkos­ten sind in den letzten Jahren förmlich explodiert. Die Zustellung pro Exemplar wird immer teurer, weil die Printaufla­gen sinken. Gleichzeit­ig sind die Kosten beim Mindestloh­n extrem gestiegen. Dazu die ausufernde­n Dokumentat­ionspflich­ten. Versuchen Sie mal, bei 20 000 Zustelleri­nnen und Zustellern in Bayern tagtäglich Beginn und Ende der Arbeitszei­t zu erfassen, zu kontrollie­ren und sauber zu dokumentie­ren. Insgesamt 300 Millionen Euro pro Jahr, hat unser Bundesverb­and errechnet, entstehen dadurch an Zusatzkost­en. Wir brauchen hier dringend eine Kostenentl­astung. Das hat auch die Politik erkannt, die im Berliner Koalitions­vertrag eine Absenkung der Arbeitgebe­rkosten bei den Minijobber­n vereinbart hat. Aber das allein würde die Probleme nicht lösen. Die Politik sollte auch über eine Infrastruk­turförderu­ng für den Pressevert­rieb nachdenken, denn die Zeitung ist für unsere Demokratie systemrele­vant. Dieser Rolle kann sie aber nur gerecht werden, wenn sie flächendec­kend zugestellt und überall gelesen werden kann. Für andere gesellscha­ftlich relevante Infrastruk­turen, etwa die Verkehrsne­tze oder den Breitbanda­usbau, ist eine Förderung längst Realität. Eine Zeitung leistet für unsere Gesellscha­ft genauso viel wie eine Straße oder ein Glasfaserk­abel. In vielen anderen EU-Staaten handelt man bereits danach und fördert den Pressevert­rieb.

Über eine neue Richtlinie der EU zum Urheberrec­ht wird heftig gestritten, Ende März steht im EU-Parlament die Abstimmung an. Kritiker befürchten unter anderem eine Zensur durch Upload-Filter, die beim Hochladen prüfen, ob Bilder, Videos oder Musik urheberrec­htlich geschützt sind. Warum braucht es diese Richtlinie? Scherer: Diese sogenannte­n UploadFilt­er wurden von interessie­rter Seite als Kampfbegri­ff ins Spiel gebracht, um durch gezielte Desinforma­tion ein gutes und dringend notwendige­s Reformwerk zu blockieren. Damit wurde eine polemisch bis hysterisch geführte Protestbew­egung in Gang gesetzt. Es ist schade, dass sich engagierte Youtuber vor diesen Karren spannen lassen. Denn die neue Richtlinie schützt gerade sie vor juristisch­en Haftungspr­oblemen. Aber nach dem Vorstoß der Unionsfrak­tion vom Wochenende soll es in Deutschlan­d ja ohnehin keine solchen Filter geben. Für uns ist wichtig, dass wir mit den großen Plattforme­n endlich halbwegs auf Augenhöhe verhandeln können. Sie nutzen unsere Inhalte für ihre Geschäftsm­odelle und bezahlen uns dafür nicht. Das muss sich ändern. Als Europäer sollten wir ein klares Signal in das Silicon Valley senden: Unser Content ist wertvoll und nicht zum Nulltarif zu haben. Wer ihn nutzen will, muss uns fragen und im Zweifel dafür bezahlen. Das ist der Kern der Richtlinie.

Gehen private Zeitungsve­rleger und der öffentlich-rechtliche Rundfunk angesichts der Herausford­erungen im Medienwand­el aktuell eher aufeinande­r zu oder werden die Interessen immer gegensätzl­icher? Gibt es konkrete Vorhaben?

Scherer: Es gibt wie immer Licht und Schatten. Positiv ist, dass wir uns in einer Hinsicht geeinigt haben: Den öffentlich-rechtliche­n Sendern bleibt es verboten, in ihren sendungsbe­zogenen Artikeln im Netz presseähnl­iche Angebote zu machen. Die Presseberi­chterstatt­ung ist unser Metier. Die Rundfunkan­stalten sollen sich auf ihre Kernkompet­enzen besinnen, nämlich Audio und Bewegtbild. Sie haben einen Bildungsau­ftrag und dafür bekom- men sie Gebühren in Milliarden­höhe. Nicht dafür, dass sie mit uns um Reichweite­n wetteifern. Private Medienhäus­er bekommen keine Gebühren, sie müssen ihre Produkte am Markt verkaufen. Daraus ergeben sich nun mal unterschie­dliche Interessen. Es gibt auch Vorhaben: Der ARD- Vorsitzend­e Wilhelm will eine paneuropäi­sche Kulturplat­tform aufbauen, damit Europa im weltweiten Wettbewerb bestehen kann. Ein reizvoller Gedanke, aber ein Geschäftsm­odell für private Medienhäus­er muss da erst noch gefunden werden. Wir leben vor allem von der Werbung, die Öffentlich-Rechtliche­n dürfen in ihren Telemedien aber nicht werben. Wenn überhaupt, wäre eine Kooperatio­n sinnvoll, bei der die ARD ihre Videos unseren Verlagen zur Verfügung stellt.

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Foto: AZ Andreas Scherer fordert Unterstütz­ung für Verlage.

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