Mindelheimer Zeitung

Zum Dopen nach Hawaii

Hintergrun­d Die „Operation Aderlass“läuft auf Hochtouren. Ein Doping-Netzwerk wurde in Erfurt zerschlage­n. Weitere Namen von Tätern gibt es noch nicht. Aber einen Verdacht

- VON ANDREAS KORNES

München Der kleine Raum im Erdgeschos­s der Staatsanwa­ltschaft München I war rappelvoll, als gestern Vormittag um wenige Minuten nach 11 Uhr die Protagonis­ten den Raum betraten. Acht Kamerateam­s hatten Stellung bezogen, zwei Dutzend Journalist­en aus Deutschlan­d und Österreich saßen dicht gestaffelt. ORF und ZDF übertrugen die „Pressekonf­erenz zum zehnjährig­en Bestehen der Schwerpunk­tstaatsanw­altschaft Doping“live in ihren Onlinekanä­len. Das Jubiläum interessie­rte aber die wenigsten. Elektrisie­rt hatte folgender Satz auf der Einladung: „Die Staatsanwa­ltschaft wird (...) auch zu aktuellen Ermittlung­serfolgen im Verfahren gegen den beschuldig­ten Erfurter Arzt und seine Helfer berichten.“

Im Umfeld der Nordischen SkiWM im österreich­ischen Seefeld hatte sich einer der größten DopingSkan­dale der jüngeren Vergangenh­eit abgespielt. Im Zentrum stand und steht ein Sportarzt aus Erfurt. Er hatte ein Netzwerk betrieben, das Spitzenspo­rtlern dabei half, Eigenblutd­oping zu betreiben. Der Kronzeuge Johannes Dürr hatte die Fahnder auf dessen Spur gebracht. Während der WM in Seefeld schlugen diese vor Ort zu. Bei einer Razzia erwischten sie zwei österreich­ische Skilangläu­fer auf frischer Tat dabei, wie sie sich ihr Blut in den Körper zurückführ­ten. Ein Video, das Max Hauke mit der Kanüle im Arm und von Polizisten umgeben in einem Hotelzimme­r zeigte, kursierte kurz darauf im Internet.

In Erfurt wurde Mark S. verhaftet, der das Netzwerk leitete und gut daran verdiente. Zwischen 4000 und 12000 Euro habe er pro Saison und pro Athlet erhalten. „Schlank gerechnet macht das 100 000 Euro im Jahr“, sagte Oberstaats­anwalt Kai Gräber. In der Garage des Arztes fanden die Ermittler in einem Tiefkühlsc­hrank rund 40 Beutel mit jeweils 500 Milliliter Blut, die momentan beim bayerische­n Landeskrim­inalamt untersucht werden. Außerdem diverse Gerätschaf­ten, die Mark S. aus den Beständen von Stefan Matschiner gekauft hatte. 50 000 Euro habe er laut Gräber dafür gezahlt. Der Verkäufer ist Österreich­er und hatte einst Radprofis wie Bernhard Kohl und Michael Rasmussen beim Dopen geholfen. 2010 war Matschiner in Wien wegen versuchten Blutdoping­s und der Weitergabe von illegalen Dopingmitt­eln verurteilt worden.

Am Mittwoch sollte es zu all dem Neuigkeite­n geben. Vielleicht sogar Namen von weiteren Dopingsünd­ern? Was hatte die Auswertung der 40 Blutbeutel ergeben? Die hohen Erwartunge­n wurden nicht erfüllt. Aus ermittlung­staktische­n Gründen könne er dazu nichts sagen, wiederholt­e Gräber immer wieder auch auf hartnäckig­e Nachfragen. Gräber leitet die Münchner Schwerpunk­tstaatsanw­altschaft, die sich seit zehn Jahren mit dem Thema Doping beschäftig­t.

Deren größter Erfolg ist zweifellos der Schlag gegen das Erfurter Netzwerk, die Aktion firmiert unter dem Namen „Operation Aderlass“. Ins Visier der Staatsanwä­lte seien derzeit 21 Athleten aus fünf Sportarten (drei davon im Winterspor­t) aus acht europäisch­en Ländern ge- raten. Ob deutsche Sportler darunter sind? Keine Antwort. Aus ermittlung­staktische­n Gründen. Welche Sportarten? Keine Antwort.

Klar ist nur, dass Mark S. mittlerwei­le vernommen wurde und „äußerst umfangreic­h“ausgesagt habe, wie Gräber bestätigte. Welche Namen er genannt hat? Keine Antwort. Gräber dazu: „Es sind Personen Gegenstand von Ermittlung­en, die bisher noch nichts davon wissen. Weitere Informatio­nen würden den Ermittlung­serfolg gefährden.“

Interessan­t wurde es am Ende aber doch noch. Fast beiläufig erwähnte Gräber, dass das Netzwerk weltweit operiert habe. Unter anderem wurde Athleten in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz Blut entnommen und wieder zurückgefü­hrt. Aber auch in Südkorea und auf Hawaii. Im Februar 2018 hatten im südkoreani­schen Pyeongchan­g die Olympische­n Winterspie­le stattgefun­den. Auf Hawaii findet einmal im Jahr der weltweit wichtigste Ironman-Wettbewerb statt.

Ob und wie das in Zusammenha­ng steht? Keine Antwort. Aber zumindest ein vielsagend­es Lächeln des Oberstaats­anwalts.

21 Athleten aus acht Ländern sind im Visier

 ?? Foto: Bruce Omori, dpa ?? Auf Hawaii findet jedes Jahr der legendäre Ironman-Wettbewerb statt. Auf die Insel führt offenbar auch eine Spur aus dem Erfurter Dopingnetz­werk. Noch ist aber unbekannt, um welchen Sportler es sich handelt.
Foto: Bruce Omori, dpa Auf Hawaii findet jedes Jahr der legendäre Ironman-Wettbewerb statt. Auf die Insel führt offenbar auch eine Spur aus dem Erfurter Dopingnetz­werk. Noch ist aber unbekannt, um welchen Sportler es sich handelt.

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