Unterallgäuer Komparsen unterstützen „die Goldfische“
Kino Wie elf Mitarbeiter der Unterallgäuer Werkstätten zu einer Rolle im Film „Die Goldfische“an der Seite von Tom Schilling kamen und warum dennoch keiner von ihnen Schauspieler werden will
Mindelheim Man kann wohl getrost sagen, dass es der Betriebsausflug der Unterallgäuer Werkstätten (UAW) im vergangenen Jahr in sich hatte: Als wären all die Fahrgeschäfte im Skyline Park nicht schon aufregend genug, wurden die Mitarbeiter auch noch Zeugen der Dreharbeiten für den Film „Die Goldfische“, der heute pünktlich zum Welt-Down-Syndrom-Tag in den deutschen Kinos anläuft – und bei dieser Gelegenheit gleich selbst als Komparsen entdeckt.
Eine Regieassistentin hatte die Gruppe angesprochen und damit das Engagement ins Rollen gebracht, von dem Andrea Paukert, Sozialpädagogin bei den UAW, rückblickend mit einem breiten Grinsen sagt: „Wenn ich gewusst hätte, was da auf mich zurollt, hätte ich vielleicht noch mal überlegt, bevor ich zusage.“Glücklicherweise hat sie das aber nicht getan – und so sich selbst, ihren Kolleginnen Birgit Gerbershagen und Theresa Jall sowie acht behinderten Mitarbeitern einen Tag beschert, den sie nicht so schnell vergessen werden.
Normalerweise arbeiten Felicitas Dinkel, Monika Rauch, Thomas Schieferle, Max Wiebel, Peter Gruber, Christa Heinzelmann, Katrin Gropper und Daniela Schöllhorn in der Schreinerei, im Gartenbau sowie in der Metall- und Elektromontage der UAW. Im Juli vergangenen Jahres brachen sie jedoch in aller Früh zu einem ehemaligen Bezirkskrankenhaus in München auf, um zum ersten Mal in ihrem Leben vor einer Kamera zu stehen. „Wir wussten am Anfang gar nicht, was da auf uns zukommt“, erzählt Felicitas Dinkel. Bekannt war nur, dass es sich um eine Komödie handelt. Tom Schilling spielt darin einen Banker, der nach einem Autounfall querschnittsgelähmt in einer Behinderten-WG mit dem Namen „Die Goldfische“landet. Mit der Gruppe als Tarnung will er sein Schwarzgeld aus der Schweiz holen. Inzwischen haben einige der Unterallgäuer Komparsen schon den Trailer gesehen und finden wie Felicitas Dinkel: „Das sieht ganz gut aus.“
Damals aber war erst einmal die Aufregung groß. „Puh, da war ich nervös“, erinnert sich Thomas Schieferle und die anderen nicken zustimmend. Allerdings merkten sie schnell, dass das Komparsen-Dasein längst nicht so aufregend ist, wie sie sich das vorgestellt hatten. Am meisten Zeit verbrachten die elf Unterallgäuer nämlich auf der Wartebank – wo sie immerhin Bobby Brederlow, einen der bekanntesten deutschen Schauspieler mit Down-Syndrom, kennenlernten, der ebenfalls als Statist fungierte. In weiser Voraussicht hatte die Gruppe außerdem Spiele und Malzeug eingepackt. „Aber irgendwann haben wir schon gedacht: Jetzt würd’s langsam reichen“, sagt Monika Rauch. Zumal auch bei den Dreharbeiten Geduld gefragt war: Jede Szene wurde mindestens drei, vier Mal wiederholt, bis alles gepasst hat.
Alls sie endlich an der Reihe waren, durften sie an den Tischen des Speisesaals Platz nehmen und sollten sich unterhalten – allerdings lautlos. „Und wir haben Tablets gekriegt und mussten was essen“, erzählt Katrin Gropper – was sich zunächst ja gar nicht schlecht anhört. Weil die Komparsen aber immer wieder die Plätze tauschen mussten, hatten bereits diverse Vorgänger von Erbsen, Kartoffelpüree und Hackbraten gekostet, was dann doch alle Beteiligten ein wenig unangenehm fanden. Nach mehreren Stunden Dreh war das Essen außerdem kalt. „Ich hab drei Tage Magenverstimmung gehabt“, sagt Monika Rauch, die außerdem noch vom Stuhl gefallen ist und deshalb im Anschluss an die Dreharbei- ten erst einmal krank war. Spaß hat es ihr – wie den anderen – trotzdem gemacht. „Es war ein außergewöhnlicher Tag für uns alle“, sagt sie und wieder nicken alle. Klar seien bei der Heimfahrt spät am Abend alle „fix und k.o.“gewesen wie Felicitas Dinkel sagt. Aber wann erlebt man schon einmal, dass der strahlende Sonnenschein, der später dem echten Regen draußen zum Trotz im Film zu sehen sein wird, einem Baum voller Scheinwerfer vor dem Fenster zu verdanken ist? Und wann trifft man schon einmal die Schauspieler persönlich, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt? „Ich kann mir schon vorstellen, als Komparse noch mal mitzumachen“, sagt Felicitas Dinkel. „Aber hauptberuflich? Nee!“
Da arbeitet sie lieber weiter bei der UAW, wo man ja auch einiges erleben kann. Zum Beispiel auch den Filmabend am kommenden Mittwoch, 27. März, im Filmhaus Huber in Türkheim. Kino-Chef Rudolf Huber will für die Gruppe an diesem Tag den roten Teppich ausrollen und die elf Statisten als Ehrengäste empfangen – was fast so spannend ist wie die Frage, ob sie überhaupt im Film zu sehen sein werden. Die einzigen aus dem Team, die das schon wissen, sind Andrea Paukert und Theresa Jall, die zur Deutschlandpremiere des Films in München eingeladen waren. Birgit Gerbershagen sagt derweil: „Auch wenn wir rausgeschnitten wurden, war’s ne tolle Erfahrung.“Und das sehen alle anderen genauso.
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Film In Kooperation mit der DownSyndrom-Elterngruppe Mindelheim zeigt das Filmhaus Huber „Die Goldfische“am heutigen Donnerstag, 21. März, um 20 Uhr im Kino in Türkheim. Nach der Vorstellung bietet die Gruppe bei einem Glas Sekt eine Gesprächsrunde an. Am Mittwoch, 27. März, findet dann um 20 Uhr die Premiere mit den Unterallgäuer Komparsen statt.