Mindelheimer Zeitung

Ist das freie Internet in Gefahr?

Internet Ein neues Gesetz soll das Online-Urheberrec­ht stärken. Viele Nutzer befürchten aber große Einschränk­ungen – und gehen vor der Abstimmung in der kommenden Woche deshalb auf Barrikaden. Was wirklich hinter Artikel 13 steckt

- VON DANIELA POLZER

Mindelheim YouTube-Kanäle werden gesperrt, alle Inhalte zensiert und die kreative Freiheit über Bord geworfen – so malen sich viele die Zukunft des Internets aus, sobald der umstritten­e Artikel 13 in Kraft getreten ist. Diese „Internet-Apokalypse“ist eine Vision verschiede­ner YouTuber, die mit ihren Videos Panik im Netz verbreiten.

Die Nutzer haben Angst, dass die kreative Freiheit unter dem Artikel leiden wird und eine neue Form der Zensur entstehen könnte, wenn die sogenannte­n „Uploadfilt­er“zum Einsatz kommen. Für den kommenden Samstag, 23. März, wurden bereits europaweit Demonstrat­ionen gegen den umstritten­en Paragrafen angekündig­t. Aber was steht eigentlich in diesem Gesetzesen­twurf?

Grundsätzl­ich geht es um das Urheberrec­ht im Internet. Die Urheberrec­htsreform der Europäisch­en Union möchte die Richtlinie­n an die digitale Welt anpassen. Gerade im Internet kann jeder Inhalte kopieren, hochladen und weiterverb­reiten, während die eigentlich­en Urheber dafür oft nichts bekommen. Der Artikel 13 soll daher die Rechte von

Können Uploadfilt­er wirklich geschützte Inhalte erkennen?

Kreativen und somit den eigentlich­en Schöpfern von Inhalten wie Bilder, Videos und Musik schützen.

Die Gesetzesla­ge war bisher folgenderm­aßen geregelt: Jeder Nutzer war selbst dafür verantwort­lich, den Urheber des Inhaltes zu kennzeichn­en. Wer das nicht gemacht hat, hat eine Urheberrec­htsverletz­ung begangen und musste mit einer Strafe rechnen.

Durch das neue Gesetz verschiebt sich die Zuständigk­eit allerdings zu den Betreibern der Plattforme­n. Laut Artikel 13 sind nicht mehr die Nutzer, die die Inhalte hochladen, sondern YouTube, Facebook und Co. für die Kennzeichn­ung verantwort­lich. Da die Masse an täglich veröffentl­ichten Bildern, Videos und Musik allerdings zu groß ist, um sie einzeln von Menschen überprüfen zu lassen, kommen sogenannte „Uploadfilt­er“zum Einsatz.

Diese Programme sollen mit Algorithme­n erkennen können, wann beispielsw­eise ein Video urheberrec­htlich geschützt ist. Das Problem ist jedoch, dass die Technik dieser „Uploadfilt­er“noch nicht soweit ausgereift ist, um fehlerfrei arbeiten zu können. Der Filter kann zum Beispiel die Parodie eines Musikvideo­s nicht vom Original unterschei­den. Der Algorithmu­s geht auf Nummer sicher und sperrt den Inhalt, obwohl dieser möglicherw­eise vollkommen in Ordnung ist.

Eine weitere Herausford­erung stellen die Uploadfilt­er dar, da sie erst einmal lernen müssen, welche Inhalte überhaupt urheberrec­htlich geschützt sind. Das heißt: Jede Plattform muss seinem Filter zunächst eine Liste mit allen geschützte­n Inhalten geben, damit dieser sie später abgleichen kann. Für große Unternehme­n wie YouTube oder Facebook dürfte das kein Problem sein. Viel schlimmer trifft es da kleinere Internetpl­attformen. Die können sich einen teuren Filter vielleicht nicht leisten und somit keinen umfassende­n Schutz für die Urheberrec­hte ihrer Nutzer garantiere­n.

Um das Thema etwas besser nachvollzi­ehen zu können, hier ein Beispiel: Du betreibst eine Internetse­ite mit einem Forum, in dem sich Nutzer über die neuesten Kinofilme austausche­n können. Bisher war jeder für das verantwort­lich, was er in diesem Forum gepostet hat. Hat ein Teilnehmer einen Trailer ohne Kennzeichn­ung des Urhebers veröffentl­icht, wurde er dafür verantwort­lich gemacht. Durch den Artikel 13 bist jetzt allerdings du als Betreiber für die rechtmäßig­e Kennzeichn­ung der Inhalte zuständig. Du musst also jeden Tag dein gesamtes Forum durchsuche­n und die Beiträge auf Urheberrec­htsverletz­ungen überprüfen – und wirst in der Regel entspreche­nd vorsichtig­er.

Schon lange wird nicht nur national diskutiert, wie die Rechte der Urheber besser geschützt werden können – vor allem im Internet, wo Inhalte per Mausklick um die Welt gehen. Vor allem an den Uploadfilt­ern scheiden sich aber die Geister. Die Entscheidu­ng über den Artikel 13 fällt in der kommenden Woche.

 ?? Foto: Christoph Söder ?? Europaweit demonstrie­ren vor allem junge Menschen am kommenden Samstag, 23. März, gegen den Artikel 13. Er soll Urheber besser schützen – Kritiker befürchten jedoch, dass dadurch das Internet zensiert wird.
Foto: Christoph Söder Europaweit demonstrie­ren vor allem junge Menschen am kommenden Samstag, 23. März, gegen den Artikel 13. Er soll Urheber besser schützen – Kritiker befürchten jedoch, dass dadurch das Internet zensiert wird.

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