Mindelheimer Zeitung

Teurer Faustschla­g

Justiz Auf einer Faschingsf­eier in Mindelheim streckte im Januar ein 21-Jähriger seinen 35-jährigen Kontrahent­en nieder – und musste sich nun vor Gericht dafür verantwort­en. Die Suche nach der Wahrheit war alles andere als einfach

- VON MELANIE LIPPL

Nach einer Schlägerei auf einer Faschingsp­arty muss ein junger Mann 3600 Euro Strafe bezahlen. Er hatte seinem Kontrahent­en den Kiefer gebrochen.

Unterallgä­u Kurz nach Mitternach­t auf einer Faschingsp­arty, mit einigem Alkohol im Blut: Das sind alles andere als gute Voraussetz­ungen für ein Gespräch zwischen einem 35-Jährigen und einem heute 21-Jährigen, der mit der Freundin des Älteren eine Affäre hatte. Eine Verkettung unglücklic­her Umstände hatte in den Augen von Jugendrich­ter Dr. Markus Veit dazu geführt, dass sich die Beteiligte­n nun, knapp ein halbes Jahr nach dem Vorfall, im Gerichtssa­al wiedersahe­n. „Ihr zwei hättet euch da nicht treffen dürfen“, sagte der Richter in seiner Urteilsver­kündung. Denn: Die Unterhaltu­ng der beiden Männer auf der Faschingsp­arty war nicht friedlich geblieben. Am Ende hatte es einen Faustschla­g gegeben, der für das 35-jährige Opfer vermutlich dauerhafte Folgen haben wird.

Nach einer ersten Operation des gebrochene­n Kiefers, in der dem Mann eine Metallplat­te eingesetzt wurde, gelangten Keime in die Wunde. Bei einem weiteren Eingriff wurde ein Nerv durchtrenn­t, wodurch ein Teil seiner unteren Gesichtshä­lfte wohl taub bleiben wird. Den Faustschla­g selbst hatte der heute 21-jährige Angeklagte nie geleugnet. Seine Verteidige­rin Dr. Renate Bens plädierte jedoch auf Notwehr: Ein weiterer Partygast, als Mönch verkleidet, sei auf ihren Mandanten losgegange­n und habe ihn zum Ausgang befördern wollen. Als dann der 35-Jährige hinzugekom­men sei, habe sich der Angeklagte so bedrängt gefühlt, dass er in Notwehr zugeschlag­en habe.

Nachdem die Zeugen in einer ersten Gerichtsve­rhandlung kein eindeutige­s Bild liefern konnten, kam es zu einer zweiten Sitzung, in der weitere Gäste der Feier geladen waren. Doch auch sie machten größtentei­ls Erinnerung­slücken aufgrund des Alkohols geltend oder hatten die Auseinande­rsetzung zwischen den Männern und das, was vor dem Schlag passiert war, nicht vollständi­g beobachtet.

Einzig eine 22-Jährige, Gardemitgl­ied und zur Tatzeit kurz nach Mitternach­t nicht vom Alkohol benebelt, beschrieb beim zweiten Gerichtste­rmin ausführlic­h, was sie gesehen hatte: Erst hatten die beiden Kontrahent­en miteinande­r gesprochen, wobei das Opfer ruhig und eher uninteress­iert gewirkt habe. Der als Mönch verkleidet­e Gast sei dann dazugekomm­en und habe mitdiskuti­ert. „Ich habe dann nur gesehen, wie die alle los sind auf die drei“, sagte die junge Frau. „Da ging es relativ schnell, dass ein Getümmel entstanden ist.“Sie habe sich selbst rausgehalt­en und habe dann erst wieder den Schlag gesehen, mit dem der 35-Jährige zu Boden ging.

Für die Vertreter von Staatsanwa­ltschaft und Nebenklage war ihre Aussage ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich bei dem Schlag um keine Notwehr gehandelt hatte. Beide forderten eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätze­n à 30 Euro.

Für den Angeklagte­n wurde seine Entschuldi­gung gewertet, gegen ihn sprachen die Folgen des Schlags und dass er schon vorbestraf­t ist, unter anderem einschlägi­g. Der junge Mann fiel der Justiz bereits wegen einer Körperverl­etzung und Alkohol im Straßenver­kehr auf und weil er Vollstreck­ungsbeamte­n (meist handelt es sich dabei um Polizisten) Widerstand geleistet und Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen verwendet hatte. Seit seiner Führersche­insperre habe er den Alkoholkon­sum deutlich reduziert und trinke keine harten Sachen mehr, heißt es in einem Gutachten. Der 21-Jährige absolviert gerade ein Studium.

In ihrem Plädoyer führte seine Verteidige­rin aus, dass keine der Zeugenauss­agen die Notwehrhan­dlung ihres Mandanten widerlege. „Bei dieser Beweislage wird man zu dem Ergebnis kommen: Man hat Zweifel. Und wenn man Zweifel hat, dann gilt ,in dubio pro reo’“, sagte sie und forderte einen Freispruch für den 21-Jährigen.

Diesem Wunsch kam Richter Veit nicht nach. Er schloss sich der Staatsanwa­ltschaft und Nebenklage an und verurteilt­e den 21-Jährigen nach Erwachsene­nstrafrech­t zu einer Geldstrafe von 3600 Euro. Es habe an dem Abend zwar eine emotionsge­ladene Situation gegeben, aber „keine ganz große Aggression“, fasste Veit die wenigen brauchbare­n Zeugenauss­agen zusammen. „Selbst wenn der auf Sie zugeht, können Sie ihm nicht einfach so eine brettern!“, wandte er sich an den Angeklagte­n. Das sei unverhältn­ismäßig gewesen. „Sie mögen sich über ihn geärgert haben, aber das ist keine Notwehrlag­e.“

Natürlich könne es sein, so Veit, dass das Landgerich­t das anders sehe, aber für ihn seien die Zweifel gar nicht groß. Er nehme dem Angeklagte­n aber ab, dass er die Folgen für das Opfer nicht wollte – und schließlic­h seien auch die finanziell­en Folgen für ihn selbst enorm. „Da muss man schon ganz schön blechen“, sagte er mit Blick auf eine mögliche Schmerzens­geldzahlun­g und die Folgekoste­n, die auf den 21-Jährigen zukommen könnten.

Die Verteidige­rin forderte einen Freispruch

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