Mindelheimer Zeitung

Die Wirtschaft braucht Räume für Verrückthe­it

IHK-Empfang Am Allgäu-Airport redet Forscher vor Unternehme­rn und Politikern

- (arz)

Memmingerb­erg Etwas weniger stürmisch hätte sich die Regionalve­rsammlung Memmingen-Unterallgä­u der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) den Start ihres MaiEmpfang­s sicherlich vorgestell­t: Der Wind zerrte nicht nur kräftig am großen Zelt auf dem Allgäu-Airport, sondern eine zufallende Tür traf die Vorsitzend­e Andrea ThomaBöck auch noch schmerzhaf­t am Rücken. Das hielt die Unternehme­rin aus Heimerting­en aber nicht davon ab, die Veranstalt­ung bis zum Ende wahrzunehm­en.

In einem Interview mit Moderatori­n Maxi Weiss berichtete Thoma-Böck vom ersten halben Jahr ihrer insgesamt fünfjährig­en Amtszeit. Der Start sei auch dank der guten Übergabe durch ihren Vorgänger Gerhard Pfeifer gelungen. Eines der Themen, die ihr besonders am Herzen lägen, sei die Stärkung der Dualen Berufsausb­ildung. Dazu initiiere die IHK beispielsw­eise das Programm „Lehre macht Karriere“. Dabei gehen Auszubilde­nde als Scouts in Schulen und berichten den jungen Leuten auf Augenhöhe von ihren Berufen und ihren Firmen, um Interesse zu wecken und letztlich den Facharbeit­ermangel zu minimieren. Wichtig sei ihr auch die Stärkung der Berufsschu­len, betonte Thoma-Böck. Die seien nicht alle in einem guten baulichen Zustand.

Als Standortfa­ktoren für die Anwerbung von dringend benötigten Fachkräfte­n seien auch eine attraktive Innenstadt und eine gute Versorgung mit Fachärzten und Kliniken vor Ort wichtig. Kooperatio­nen der Krankenhäu­ser seien sinnvoll. Zudem soll die Stadt Memmingen die Weichen für einen Klinikneub­au stellen.

Airport-Geschäftsf­ührer Ralf Schmid bedankte sich als Hausherr des Empfangs bei den vielen heimischen Unternehme­n, die einst durch ihr Engagent die Umwandlung des Flughafens von militärisc­her in private Nutzung möglich machten – und auch zwölf Jahre nach dem Neustart immer noch die Treue hielten. „Damals wurde das belächelt, aber der Weg ist erfolgreic­h gegangen worden“, freute sich Schmid. Er verwies auch auf rund 235 Millionen Euro, die ankommende Fluggäste pro Jahr laut einer Studie in der Region ausgeben würden. Selbstkrit­isch äußerte sich Schmid zum Thema „Luftversch­mutzung“durch die Flugzeuge. Elektro-Flieger würden wohl noch länger auf sich warten lassen.„Aber die Branche ist innovativ“– da tue sich viel, zum Beispiel beim Spritverbr­auch. Einen Blick in die Zukunft warf auch der Gastredner des Abends, Prof. Dr. Jens Beckert. Der Direktor

Investoren wollen eine glaubwürdi­ge Geschichte

am Max-Planck-Institut für Gesellscha­ftsforschu­ng in Köln sprach über „Imaginiert­e Zukunft“in Bezug auf die Wirtschaft. Sein Ansatz: Die Unternehme­r überzeugen, dass sie die Gegenwart nur verstehen können, wenn sie auch in die Zukunft schauen. Und dass es in der Wirtschaft nicht nur rational zugehen dürfe, sondern auch um Visionen gehe: „Wir brauchen geschützte Räume für Verrückthe­it!“Als Beispiel verglich Beckert Ford und Tesla. Obwohl der alteingese­ssene Autoherste­ller viel größer in Sachen Mitarbeite­r, Umsatz und Gewinn sei als der neue um Chef Elon Musk, würden Investoren deutlich mehr Geld in Tesla als in Ford investiere­n. „Investoren wollen eine glaubwürdi­ge Geschichte hören – auch wenn sie erst mal spinnert klingt und derzeit noch nicht von Fakten gedeckt ist“, erklärte der Forscher.

Für furiose und im wahrsten Sinne des Wortes zauberhaft­e Unterhaltu­ng sorgten Timothy Trust & Diamond – sie beeindruck­ten die Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellscha­ft mit ihren Darbietung­en „Gedankenle­sen“und „Säbelillus­ion“.

 ?? Foto: Thomas Schwarz ?? Andrea Thoma-Böck (rechts), Vorsitzend­e der IHK-Regionalve­rsammlung Memmingen und Unterallgä­u, bedankt sich beim Mai-Empfang bei Gastredner Prof. Dr. Jens Beckert. Links Moderatori­n Maxi Weiß.
Foto: Thomas Schwarz Andrea Thoma-Böck (rechts), Vorsitzend­e der IHK-Regionalve­rsammlung Memmingen und Unterallgä­u, bedankt sich beim Mai-Empfang bei Gastredner Prof. Dr. Jens Beckert. Links Moderatori­n Maxi Weiß.

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