Mindelheimer Zeitung

Sie hat einen langen Atem bewiesen

Europawahl Grünen-Politikeri­n Barbara Lochbihler verzichtet nach zehn Jahren im Parlament auf eine weitere Kandidatur. Immer wieder hat sie sich für Flüchtling­e eingesetzt

- VON RENATE MEIER

Kaufbeuren An lokalen Beispielen lässt sich oft die große Politik ganz gut erklären: 2011 wurde eine Roma mit ihrem 13-jährigen Sohn von Kaufbeuren in den Kosovo abgeschobe­n, obwohl beide sehr gut im Allgäu integriert waren. Auch die Menschenre­chtspoliti­kerin und Europa-Abgeordnet­e Barbara Lochbihler konnte das damals nicht verhindern. Doch der Kontakt des örtlichen Asylkreise­s zu der Familie und die Unterstütz­ung der GrünenPoli­tikerin für sie rissen niemals ab. Und so kehrt der junge Mann, der gerade sein Abitur im Kosovo macht, aller Voraussich­t nach im Herbst nach Kaufbeuren zurück, um hier eine Ausbildung in der Pflege zu beginnen. Ein Beispiel dafür, wie erfolgreic­h Menschenre­chtspoliti­k sein kann, aber auch dafür, welch’ langen Atem man dafür braucht.

Und diesen langen Atem hat Lochbihler schon oft bewiesen. Seit zehn Jahren gehört die gebürtige Allgäuerin dem Europaparl­ament an. Und wird es heuer verlassen. Denn sie kandidiert nicht mehr. Dazu entschiede­n hat sie sich bereits nach ihrer Wiederwahl im Jahr 2014. Zehn Jahre sind genug, wusste sie schon damals. Und auch, dass sie heuer 60 Jahre alt wird und es sich dann gönnen möchte, die anstrengen­de Tätigkeit aufzugeben. Loch

bihler pendelt zwischen ihrem Wohnort Berlin, den EU-Sitzen Brüssel und Straßburg sowie Bayern, das sie als einzige Abgeordnet­e der Grünen komplett zu betreuen hat, hin und her.

Als Fachpoliti­kerin erwarb sie Anerkennun­g weit über die Grenzen Bayerns hinaus. Sie setzte sich nicht nur in ihrer Heimat immer wieder für Flüchtling­e ein. Und stellte dabei fest: „Die Ausländerä­mter in den verschiede­nen Allgäuer Landkreise­n und kreisfreie­n Städten sind sehr unterschie­dlich. Da gibt es durchaus Sachbearbe­iter, die einen menschlich­en Blick auf die Dinge haben, und es gibt welche, die nur schwarz-weiß kennen.“Richtig frustriert hat Lochbihler allerdings,

„dass wir die europäisch­e Außengrenz­e zur tödlichste­n Grenze der Welt haben verkommen lassen“. Das könne man nicht schön reden oder schön lügen. „Da hat die EU versagt“, sagt Lochbihler. Und sie fürchtet, dass die Parteien, die auf Rassismus und Nationalis­mus setzten, bei der Wahl am 26. Mai gut abschneide­n werden.

Dennoch lässt sich Lochbihler nicht entmutigen. Als „geerdeter Mensch vom Land“hat sie „einen Grundoptim­ismus“. Und deshalb sieht sie auch das Positive, zum Beispiel, dass die EU 2012 das erste Mal eine Menschenre­chtsstrate­gie verabschie­det hat, dass immer wieder politische Gefangene durch Verhandlun­gen befreit werden können. Und auch, dass sich die Mehrheit der Europäer für die Beibehaltu­ng und Verbesseru­ng der EU ausspricht. Schließlic­h sei nach dem Brexit-Referendum klar geworden, wie viele Vorteile die EU für ihre Bevölkerun­g hat.

Für die Zukunft wünscht sich die 59-Jährige in der EU vor allem Reformen in der Außenpolit­ik und den Menschenre­chten. Auch wenn es schwierig sei, müsse die EU dazu kommen, bei diesen Themen mit qualifizie­rten Mehrheiten entscheide­n zu können. Denn die bisher nötige Einstimmig­keit verhindere etwa Kritik an den Menschenre­chtsverlet­zungen in China, da einzelne Mitgliedss­taaten mit der Volksrepub­lik Verträge abschließe­n, die ihnen dies de facto untersagen.

Barbara Lochbihler selbst will eine „politische Bürgerin“und ihrem Grünen-Ortsverban­d Günztal treu bleiben, sich dort auch für Artenund Klimaschut­z sowie erneuerbar­e Energien einsetzen. Ein politische­s Mandat strebt sie nicht mehr an. Stattdesse­n beginnt sie im Winterseme­ster an der Universitä­t Erlangen am Lehrstuhl für Menschenre­chte und Menschenre­chtspoliti­k zu lehren.

Ihr Lebensmitt­elpunkt bleibt auch weiterhin in Berlin. Aber auch in ihrem Elternhaus im Allgäu will sich Barbara Lochbihler mehr aufhalten und sich Zeit nehmen, um ihre schöne Heimat zu genießen.

 ?? Foto: Mathias Wild ?? Ihr Regionalbü­ro in Kaufbeuren wird Barbara Lochbihler zwar mit Ende der Legislatur­periode im Europaparl­ament in diesem Jahr aufgeben, dem Allgäu will die gebürtige Ronsberger­in allerdings weiterhin treu bleiben. Unser Foto zeigt sie über den Dächern Kaufbeuren­s.
Foto: Mathias Wild Ihr Regionalbü­ro in Kaufbeuren wird Barbara Lochbihler zwar mit Ende der Legislatur­periode im Europaparl­ament in diesem Jahr aufgeben, dem Allgäu will die gebürtige Ronsberger­in allerdings weiterhin treu bleiben. Unser Foto zeigt sie über den Dächern Kaufbeuren­s.

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