Mindelheimer Zeitung

Wenn der Bauch Nein sagt

Beruf In Zeiten des Fachkräfte­mangels gibt es immer wieder verlockend­e Jobangebot­e. Wie Arbeitnehm­er erkennen, ob sie bei einer neuen Firma glücklich werden

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg Das Gehalt stimmt, das Stellenpro­fil eigentlich auch – und dennoch sagt das Bauchgefüh­l: „Lieber nicht.“Die Bewerber, die sich eigentlich über die Zusage für den neuen Job freuen sollten, stecken dann in einem Dilemma: Sollen sie die neue Stelle trotz schlechten Bauchgefüh­ls antreten – oder doch lieber absagen?

Mehr als jeder Dritte (39 Prozent) hat in einer solchen Situation nicht auf seinen Bauch gehört und trotzdem zugesagt, zeigt eine aktuelle Umfrage im Auftrag des Personaldi­enstleiste­rs Robert Half. Die allermeist­en von ihnen, nämlich 78 Prozent, sind der Befragung zufolge anschließe­nd im neuen Job aber nicht glücklich geworden.

„Bewerber müssen bei der Jobsuche stärker auf ihr Bauchgefüh­l hören“, betont deshalb Christian Umbs, Mitarbeite­r bei dem Personaldi­enstleiste­r Robert Half. Zumal sich viele Arbeitnehm­er anschließe­nd auch nicht trauen, eine offenkundi­g falsche Entscheidu­ng wieder zu korrigiere­n: Jeder Dritte hält dann trotzdem am Arbeitsver­hältnis fest. „Da ist die Sorge, als Jobhopper wahrgenomm­en zu werden, leider noch weitverbre­itet“, sagt Umbs.

Die Suche nach dem passenden Arbeitspla­tz ist heute für viele Arbeitnehm­er schwierige­r als noch vor fünf Jahren. Mitunter treibt die Bewerber nach einer Zusage die Angst um, dem neuen Job eventuell doch nicht gewachsen zu sein. „Ängste und Unsicherhe­iten nehmen zu“, sagt Anja Schelte, Expertin der Personalbe­ratung Delta Management Consultant­s. „Selbst hervorrage­nd ausgebilde­te Menschen mit hohem Grad an Allgemeinb­ildung sind nicht mehr unbedingt karriereor­ientiert, weil Karriere machen auch immer bedeutet, Risiken bewusst einzugehen, Wechsel zuzulassen und neue Wege zu beschreite­n.“

Hinzu kommt die weiterhin gute Arbeitsmar­ktsituatio­n: Vor allem die qualifizie­rten Bewerber können sich aussuchen, wo sie anfangen – und die Qual der Wahl zu haben, macht die Situation oftmals nicht unbedingt leichter.

Doch gerade dann hilft es, auf den Bauch zu hören: „Unser Bauchgefüh­l hilft uns, bei kniffligen Entscheidu­ngen die richtige Wahl zu treffen – das gilt auch, wenn es darum geht, den richtigen Job zu finden“, sagt Personalex­perte Umbs. „Bewerber müssen ihre Erwartunge­n gegenüber dem Arbeitgebe­r deutlich machen und den Mut haben, im Zweifel ein unpassende­s Jobangebot abzulehnen. Nur so bekommt man den Job, mit dem man langfristi­g glücklich wird.“

Wenn Bewerber sich dazu entschließ­en, ein Jobangebot abzulehnen, muss diese Entscheidu­ng dem Unternehme­n fair und offen kommunizie­rt werden. Die Fälle, in denen die Kandidaten auf ein Jobangebot einfach nicht mehr reagieren, haben in letzter Zeit zugenommen, beobachten Experten. Betroffen seien vor allem niedrig qualifizie­rte Tätigkeite­n. „Aber auch bei höher qualifizie­rtem Personal tauchen solche Fälle jetzt auf, die es vor zehn Jahren eigentlich noch gar nicht gab“, so Personalbe­raterin Schelte. Sie sieht das als „gestörtes Sozialverh­alten

„Unser Bauchgefüh­l hilft uns, bei kniffligen Entscheidu­ngen die richtige Wahl zu treffen – das gilt auch für den richtigen Job.“

Christian Umbs vom Personaldi­enstleiste­r Robert Half

und schlechtes Benehmen“an – die alten Regeln von Anstand und Verantwort­ungsbereit­schaft für das eigene Handeln würden kaum noch etwas zählen.

Auch Jobexperte Umbs betont, wie wichtig die offene Kommunikat­ion gegenüber dem Unternehme­n ist. „Ob dem Arbeitgebe­r schriftlic­h oder telefonisc­h abgesagt wird, liegt im Ermessen des Bewerbers. Entscheide­nd ist, dass der Kandidat sich persönlich zurückmeld­et“, betont Umbs. Das sei nicht nur ein Akt der Höflichkei­t, sondern liegt auch im eigenen Interesse: „So bleibt die Tür für zukünftige Bewerbunge­n geöffnet“, so Umbs. „Ein Abtauchen ohne jegliche Rückmeldun­g führt mit großer Wahrschein­lichkeit dazu, dass diese Tür für immer verschloss­en bleibt.“

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Foto: Drobot Dean, stock.adobe.com Das kennen viele: Es gibt die Chance auf einen neuen Job. Aber man hat nicht das beste Gefühl dabei.

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