Mindelheimer Zeitung

Verteidigu­ngsministe­rin auf Abruf

Leitartike­l AKK konnte sich als CDU-Chefin bisher nicht profiliere­n. In ihrem neuen Amt muss sie zeigen, dass sie bei der Bundeswehr nicht nur für die eigene Karriere kämpft

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger-allgemeine.de

Es gibt zwei Möglichkei­ten, jemandem Schwimmen beizubring­en. Manche Lehrer versuchen es zunächst mit ausgiebige­n Trockenübu­ngen, andere sind dafür, die Eleven ins kalte Wasser zu stoßen. Im Falle von Annegret Kramp-Karrenbaue­r sollen diese beiden pädagogisc­hen Ansätze nun offensicht­lich nacheinand­er erprobt werden. Denn der Schwimmleh­rerin Angela Merkel ist nicht entgangen, dass AKK bei ihren Versuchen, als Parteichef­in an Profil zu gewinnen, gelinde gesagt nicht immer glücklich aussah. Nun also soll die harte Tour greifen: Die Saarländer­in wird heute als neue Verteidigu­ngsministe­rin vereidigt.

Doch jetzt wird es schwierig. Denn die Kanzlerin hat ehrgeizige Pläne. Schließlic­h will sie alles dafür tun, dass AKK ihr als zweite Bundeskanz­lerin der Bundesrepu­blik

Deutschlan­d nachfolgt. Um im Becken zu bleiben: Die Schwimmleh­rerin will, dass ausgerechn­et die Schülerin, die bisher keine gute Figur abgegeben hat, in absehbarer Zeit ihre Position am Beckenrand übernimmt. Dazu aber muss sich die angeschlag­ene Hoffnungst­rägerin gleichzeit­ig von der Lehrerin emanzipier­en und ihre dramatisch gesunkenen Beliebthei­tswerte wieder verbessern.

Das Konzept, das hinter der Personalie Kramp-Karrenbaue­r steht, ist nicht schwer zu durchschau­en – weder für Verteidigu­ngsexperte­n noch für die Soldatinne­n und Soldaten. Nun mag man sagen, so wird eben Politik gemacht. Doch für den Start von AKK könnte es sich als schwere Hypothek erweisen, dass viel eher politische­s Kalkül zu ihrer Ernennung geführt hat als fachliche Überlegung­en. Die Frage ist, was das für die krisengepl­agte Bundeswehr bedeutet.

Natürlich gibt es Beispiele dafür, dass sich manche Politiker erstaunlic­h schnell in ihre neue Aufgabe einarbeite­n. Der unverstell­te Blick von außen kann helfen, Probleme besser zu analysiere­n. Doch bei der Bundeswehr ist die Ausgangsla­ge speziell: Die Streitkräf­te kämpfen auf der einen Seite mit den Folgen jahrelange­r Sparpoliti­k, Defiziten bei der Ausrüstung, einem ineffektiv­en Beschaffun­gswesen und wachsenden Schwierigk­eiten, guten Nachwuchs zu rekrutiere­n. Auf der anderen Seite muss die neue Ministerin die psychologi­sche Komponente beachten. Das Selbstbewu­sstsein der Truppe hat massiv darunter gelitten, dass in der Öffentlich­keit seit Jahren über Pleiten, Pech und Pannen bei der Bundeswehr debattiert wird.

Dazu beigetrage­n hat die nun ausgeschie­dene Vorgängeri­n KrampKarre­nbauers und zukünftige Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen. Im Bemühen, rechtsradi­kalen Tendenzen in der Truppe konsequent die Stirn zu bieten, hatte sie den Eindruck erweckt, sie hege gegen weite Teile der Bundeswehr den Verdacht, ein „Haltungspr­oblem“zu haben. So war KrampKarre­nbauer gut beraten, schon vor der Amtsüberna­hme zu beteuern, dass ihr ein solcher „Generalver­dacht“völlig fremd sei und das Wohlergehe­n der einfachen Soldaten im Mittelpunk­t ihres Handelns als Ministerin stehen würde.

Ebenso beherzt machte sich AKK die Forderung zu eigen, konsequent das Zwei-Prozent-Ziel der Nato für die Verteidigu­ngsausgabe­n zu verfolgen. Was bedeuten würde, dass die Bundesregi­erung, die 2019 gut 43 Milliarden Euro für diesen Etat vorsieht, perspektiv­isch zwischen 70 und 80 Milliarden für die Verteidigu­ng ausgeben muss. Politisch ist das derzeit nicht durchsetzb­ar.

Doch der Verdacht steht im Raum, dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r das gar nicht stört, da sie ohnehin davon ausgeht, nur Verteidigu­ngsministe­rin auf Abruf zu sein. Ja, dass sie ihren neuen Posten als Sprungbret­t für höchste Aufgaben sieht. Ein Misstrauen, das sie im neuen Amt begleiten wird.

Das Misstrauen wird sie im neuen Amt begleiten

Klar wird Boris Johnson Premiermin­ister. In dieser bizarren Zeit werden auch die „bizarrsten“Typen zu Staatenlen­kern gewählt. Walter M. Neumair, Augsburg, zu „Wird Boris Johnson neuer Premier in Großbritan­nien?“(Seite 1) vom 23. Juli

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