Mindelheimer Zeitung

Drei auf einen Streich

Regierung Kleines Land, große Macht: Das Saarland ist mit dem Einzug von Annegret Kramp-Karrenbaue­r mit gleich drei Ministern im Kabinett vertreten. Das gab es noch nie. Alles nur Zufall oder gibt es ein Erfolgsgeh­eimnis der Landespoli­tiker?

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Berlin Im Bundeskabi­nett wird jetzt immer mehr „gudd geschafft“. Und drei von 15 Ministern können auf Saarländis­ch „schwätze“. Das Saarland ist das kleinste Flächenlan­d Deutschlan­ds – hat aber auf der Berliner Bühne immer mehr zu melden. Zwei Saarländer waren bereits im Kabinett vertreten, CDU-Wirtschaft­sminister Peter Altmaier und SPD-Außenminis­ter Heiko Maas. Aus dem Duo ist mit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die am Mittwoch als neue Verteidigu­ngsministe­rin im Bundestag vereidigt wird, ein Trio geworden.

Im Saarland ist man auf das SaarTrio am Kabinettst­isch mächtig stolz. „3 Saarländer in 3 bedeutende­n Ressorts der #Bundesregi­erung – Außen, Wirtschaft und jetzt auch Verteidigu­ng. Dies hat es bislang noch nie gegeben“, twitterte der saarländis­che CDU-Ministerpr­äsident Tobias Hans vergangene Woche. Andere fragen sich stirnrunze­lnd, wie die Saarländer das wohl geschafft haben. Und längst wird – wohl eher augenzwink­ernd – von einer „Saarlandis­ierung“des Berliner Politik-Betriebs gesprochen.

Drei von 15 – da können nur noch das bevölkerun­gsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen und Bayern mithalten. Bei Bayern liegt das dass die CSU Koalitions­partner ist. Aus Niedersach­sen dagegen kommt nur noch ein Kabinettsm­itglied, nämlich SPD-Arbeitsmin­ister Hubertus Heil. Auf Unionsseit­e ist das große Flächenlan­d gar nicht mehr vertreten – dafür ist aber die Niedersäch­sin Ursula von der Leyen nun zur künftigen EU-Kommission­spräsident­in gewählt worden. Vor allem aber der Osten ist im Kabinett unterreprä­sentiert.

Für die starke Saar-Riege in Berlin hat Kabarettis­t Detlev Schönauer, der seit mehr als 40 Jahren im Saarland wohnt, eine Erklärung: „Bei uns im Saarland kennt jeder jeden oder kennt einen, der einen kennt. Und da schwätzt man miteinande­r und das auch über Parteigren­zen hinweg. Das ist ein großer Vorteil. Saarländer sind Netzwerker.“Und das eben auch in Berlin. Was für die saarländis­chen Politiker natürlich auch ein Plus sei: „Wir sind Macher. Hier wird viel geschwätzt, aber dann auch „gudd geschafft“, sagt er. Und: Saarländer würden „seit jeher immer veräppelt“– und hielten daher besonders zusammen.

Der FDP-Bundestags­abgeordnet­e Oliver Luksic, der aus Saarbrücke­n kommt, meint augenzwink­ernd: „Wir Saarländer sind nicht nur kompetent und verlässlic­h, sondern wirbeln mit unserer weltoffene­n und geselligen Art das Berliner Parkett einfach auf. Auch wenn ein Saarländer im politische­n Amt große Verantwort­ung trägt, zeichnet er sich dadurch aus, dass er meistens auf dem Boden bleibt.“

Welchen Einfluss hat aber nun die Tatsache, dass drei Saarländer im Kabinett sind, auf die Politik? Beim seit langem CSU-geführten Verkehrsmi­nisterium geht die Erzählung, dass Bayern überpropor­tional von Infrastruk­turprojekt­en profitiert. So viel zu verteilen aber gibt es bei den Saar-Ministern nicht. Außenminis­ter Maas jettet um die Welt. Kramp-Karrenbaue­r hat mit dem Verteidigu­ngsministe­rium einen der schwersten Posten überhaupt, die Liste der Bundeswehr­Baustellen ist lang.

Und Altmaier hat genug zu tun mit der Energiewen­de, die nicht richtig vorankommt, oder mit seiner umstritten­en Industries­trategie. Beim Kohleausst­ieg immerhin ist ein gewisser Einfluss des Saarlandes zu spüren. Denn im Zuge des geplanten schrittwei­sen Kohleausst­iegs bis 2038 sollen nun neben Braunkohle­revieren auch struktursc­hwache Standorte mit Steinkohle­kraftwerke­n Millionenh­ilfen bedaran, kommen – das zielt vor allem auf das Saarland.

Altmaier ist derzeit im Urlaub, er kümmert sich dann gerne um seinen Garten in Rehlingen-Siersburg. Von da aus ist es nur ein Katzenspru­ng nach Saarlouis, wo Maas herkommt. Und Kramp-Karrenbaue­r wohnt in Püttlingen mit ihrer Familie. In „Piddlinge“, wie die Stadt im Saarländer Dialekt heißt, ist „AKK“nur „es Annegret“. Hier schätzt man ihre umgänglich­e Art, sie „schwätzt“dann gerne saarländis­ch. Sie sagt selbst: „Für mich ist es, wenn ich mich wirklich daheim fühlen will, absolut notwendig, dass ich Platt rede.“

Für den Trierer Politikwis­senschaftl­er Uwe Jun ist die starke Saar-Präsenz im Kabinett eher Zufall. Er könne auch nicht erkennen, dass Saarländer einen anderen Politiksti­l pflegten als Politiker in anderen Bundesländ­ern, sagte er in Berlin. Nur so viel: „Die meisten Saarländer sind eher ein bisschen pragmatisc­her, aber wir sehen ja an Oskar Lafontaine, dass es auch nicht pragmatisc­he Saarländer gibt.“Und klar kenne im Saarland jeder jeden, sagt Jun. „Aber ob das wirklich für die politische Karriere erforderli­ch ist, ist schwer zu beurteilen.“Vermutlich wichtiger sei, dass die schon seit 20 Jahren im Land regierende Saar-CDU „als Erfolgsfal­l innerhalb der CDU“gelte und somit mehr Einfluss auf die Bundespart­ei habe als weniger erfolgreic­he Landesverb­ände.

Bleibt die Frage, wie lange drei Saarländer im Kabinett vertreten sein werden. Es könnte bald schon vorbei sein, falls nämlich die SPD im Zuge der für Ende des Jahres geplanten Halbzeitbi­lanz die GroKo verlassen sollte. Und selbst falls die Koalition doch bis 2021 hält – drei Minister aus dem Saarland dürfte es in einer neuen Regierung kaum geben. Dass zwei Unionsmini­ster aus dem Saarland kommen, wäre in normalen Zeiten wegen des Regionalpr­oporzes wohl nicht möglich – sprich: bei der Bildung eines Kabinetts nach Koalitions­verhandlun­gen. Vor allem Altmaier, der mächtig Gegenwind von Wirtschaft­sverbänden bekommt, könnte im Falle einer Neuwahl auf der Kippe stehen – zudem er ein enger Vertrauter von CDU-Kanzlerin Angela Merkel ist. Und die hört 2021 auf.

Andreas Hoenig, Birgit Reichert, dpa

Saarländer sind gute Netzwerker, heißt es

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So viel Mannschaft­sstärke wie sonst nur in Bayern und Nordrhein-Westfalen: Mit Peter Altmaier, Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Heiko Maas sind gleich drei Politiker des kleinsten Flächenlan­ds Mitglied des Bundeskabi­netts. Was ist das Geheimnis der „Saarlandis­ierung“der Bundespoli­tik? Fotos: Bernd von Jutrczenka, dpa; Florian Gaertner, Photothek; Imago Images
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