Rollt bald eine neue Welle von Selbstanzeigen?
Steuern Fahnder nehmen wieder Auslandskonten ins Visier. Eine neue Software durchforstet Millionen verdächtiger Daten
Augsburg Nach den großen Skandalen um Steuer-CDs aus der Schweiz und Liechtenstein wurde es verdächtig ruhig um die Verfolgung von Schwarzgeldkonten im benachbarten Ausland. Das könnte sich bald ändern: Deutsche Steuerfahnder sitzen auf einem gewaltigen Berg von über zehn Millionen Datensätzen über verdächtige Auslandskonten, die zahllose Bundesbürger in der Vergangenheit angelegt hatten.
Schon seit Jahren sprudelt der sogenannte „Automatische Informationsaustausch über Finanzkonten“, auf den sich über hundert Nationen nach den großen Schwarzgeldskandalen geeinigt haben, detaillierte Angaben nach Deutschland – selbst über inzwischen aufgelöste Konten. Das Problem war bislang die Auswertung der Datenmassen. Nach langer Anlaufzeit läuft nun seit Anfang Juli beim Bundeszentralamt für Steuern in Bonn eine neue Supersoftware, die verdächtige Daten entschlüsselt und mögliche Steuersünder enttarnen soll.
Beim automatischen Informationsaustausch werden alle Daten rund um Auslandskonten übermittelt, sofern vorhanden: Kontonummern, Namen, Adressen, Geburtsdaten, Steueridentifikationsnummern und natürlich Guthaben, Einnahmen aus Zinsen, Dividenden oder Versicherungsverträgen. Die neue Software ordnet diese Daten nun den entsprechenden steuerpflichtigen Bundesbürgern zu.
„Diese Software ist als Bestandteil der gesamten Automationslandschaft der Länderfinanzverwaltung in die Systeme der Länder eingebunden“, erklärt die Sprecherin des baden-württembergischen Finanzministeriums, Antje Mohrmann. „In Baden-Württemberg werden die Daten voraussichtlich ab Anfang September den Finanzämtern zur Verfügung stehen.“Auch in Bayern rechnet man mit den Daten in den kommenden Monaten, spätestens im Laufe des kommenden Jahres, wie das bayerische Finanzministerium auf Anfrage erklärt.
Die Länder können die Auswertung unabhängig voneinander beginnen. „Die Mitteilungen aus dem internationalen Datenaustausch werden zunächst vorab maschinell zugeordnet, zusammengeführt und durchlaufen das Risiko-Management-System“, sagt die Stuttgarter Sprecherin. In Baden-Württemberg wolle man im Verdachtsfall Kontoinhaber zunächst bitten, ihre bisherigen Steuererklärungen zu überprüfen oder nachzureichen. „Den Finanzämtern wird ein Musterschreiben zur Verfügung gestellt, das auch einen Hinweis auf die Möglichkeit einer Selbstanzeige enthalten wird“, sagt die Sprecherin.
Der Augsburger Rechtsanwalt und Steuerberater Ulrich Derlien von der Kanzlei Sonntag & Partner gilt seit Jahren bundesweit als Experte für Selbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. „In besonders schweren Fällen könnte es durchaus zu Hausdurchsuchungen kommen, aber in der Regel scheint es so zu sein, dass ein Schreiben vom Finanzamt mit der Aufforderung zur Stellungnahme kommt und dabei auf die Möglichkeit zur Selbstanzeige hingewiesen wird“, bestätigt er.
Derlien kennt diese Schreiben bereits aus der Praxis: „Manche werden sicher noch eine Nacherklärung machen können, aber bei Selbstanzeigen sind die Regeln deutlich restriktiver geworden, hier besteht in jedem Fall Beratungsbedarf“, betont er. Schwierig werde es vor allem, wenn schon eine Selbstanzeige gestellt wurde, ohne dass dabei das entsprechende Konto auftaucht.
„Die Daten stammen in der Regel von Konten, die 2016 noch existiert haben, selbst wenn sie hinterher aufgelöst wurden“, sagt Derlien. „Die Steuern können dann bis mindestens 2008 rückwirkend fällig werden.“Tatsächlich existieren viele dieser Konten gar nicht mehr.
„Die Auslandsbanken haben in den vergangenen Jahren versucht, ihre Bestände zu bereinigen, und haben dabei gegenüber den Inhabern viele Auslandskonten gekündigt“, berichtet der Augsburger Experte. „Wir wissen, dass die Finanzämter oft auch auf Erben zukommen, wenn die Auslandskonteninhaber bereits verstorben sind.“
Derlien rechnet damit, dass „auch in Bayern in den nächsten Monaten Berge von Schreiben rausgehen“. Rollt damit bald eine neue Welle von Selbstanzeigen? „Das wird nicht die Riesenwelle von Selbstanzeigen wie 2014 nach dem Ankauf der Steuer-CDs, aber hier wird auf die Anwälte und Finanzämter einiges an Arbeit zukommen“, erwartet der Experte. Die Zahl der Selbstanzeigen in den Statistiken der Finanzämter sei aber ohnehin hoch. „Die Behörden werten heute im Bereich der Unternehmen selbst schlichte Nachkorrekturen als Selbstanzeige“, berichtet der Anwalt. „Das bietet den Finanzbehörden für Nachzahlungen deutlich längere Verjährungsfristen, auch beim Blick in die Vergangenheit“, erklärt er. Ebenso könnten die Finanzämter damit deutlich höhere Zuschläge auf Nachzahlungen erheben.
Die Steuerfahnder sitzen auf zehn Millionen Datensätzen