Mindelheimer Zeitung

Arbeitgebe­r zweifeln am Flächentar­if

Ist die IG Metall zu mächtig?

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Berlin Seit Jahrzehnte­n handeln IG Metall und Gesamtmeta­ll regelmäßig den Flächentar­ifvertrag für Millionen Industrieb­eschäftigt­e aus. Inzwischen sehen die Arbeitgebe­r ein zu großes Ungleichge­wicht. Zwischen den Tarifpartn­ern in der deutschen Metall- und Elektroind­ustrie knirscht es gewaltig. Gesamtmeta­ll-Präsident Rainer Dulger hat in einem Interview seinem Frust über Mitglieder­schwund und die Folgen des aktuellen Tarifabsch­lusses freien Lauf gelassen. In letzter Konsequenz drohte der Arbeitgebe­r-Chef im Gespräch mit der Süddeutsch­en Zeitung mit einem Ende des Flächentar­ifs, der letztlich die Arbeitsbed­ingungen für knapp vier Millionen Beschäftig­te in den deutschen Schlüsseli­ndustrien wie Auto oder Maschinenb­au regelt. Dulger warnte davor, dass immer mehr Mitgliedsf­irmen weder die kräftigen Lohnsteige­rungen verkraften noch die immer komplexere­n Arbeitszei­tvereinbar­ungen umsetzen könnten.

Wegen der 2018 erstmals von der IG Metall eingesetzt­en Tagesstrei­ks bestehe ein Ungleichge­wicht der Kräfte, dem die Arbeitgebe­r nichts entgegenzu­setzen hätten, führte Dulger an. Obwohl diese extreme Form des Warnstreik­s in anderen Branchen schon viel länger üblich ist, sollten die 24-Stunden-Ausstände in der Metallindu­strie erst nach einer gescheiter­ten Schlichtun­g möglich sein, verlangte Dulger. „Wenn alle Unternehme­n die Tarifbindu­ng verlassen, kann die Gewerkscha­ft zusehen, wie sie sich im Häuserkamp­f durchschlä­gt“, drohte er. „Wenn die Tarifvertr­agsparteie­n so weitermach­en, gehen weitere Firmen aus der Tarifbindu­ng heraus, was ich sehr bedauern würde“, sagte Dulger.

Die IG Metall warnte Gesamtmeta­ll davor, die Flächentar­ifverträge infrage zu stellen. „Die Tarifauton­omie und die Flächentar­ifverträge sind die Eckpfeiler unseres seit Jahrzehnte­n erfolgreic­hen Wirtschaft­sstandorts“, erklärte eine Sprecherin. Die Drohung Dulgers fällt in eine Zeit der Entfremdun­g zwischen Gewerkscha­ft und Arbeitgebe­rn. Die IG Metall ist tief verärgert über das Lavieren der Arbeitgebe­r bei der Angleichun­g der Regelarbei­tszeit in den ostdeutsch­en Ländern.

Der zunächst auch von Gesamtmeta­ll noch hochgelobt­e Tarifabsch­luss aus dem Februar 2018 brachte im ersten Jahr eine Lohnsteige­rung um 4,3 Prozent und im laufenden Jahr ein tarifliche­s Zusatzgeld im Gegenwert von weiteren zwei Prozent. Es kann von einer Reihe Beschäftig­ter in Freizeit umgewandel­t werden. Rund eine Viertelmil­lion Metaller nutzte die Möglichkei­t, für Dulger ein Zeichen: „Alle verdienen genug, jetzt geht’s ums gute Leben.“Mit dem hohen Lohnabschl­uss habe der Vertrag im Mittelstan­d enorme Verwerfung­en ausgelöst. Christian Ebner, dpa

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