Sie retteten einem Säugling wohl das Leben
Schicksal Ein Ehepaar findet auf einer Wiese im Kreis Dillingen ein ausgesetztes Neugeborenes. Dass der Bub womöglich überlebt, hat er ihnen und dem Zufall zu verdanken
Unterglauheim Die Stelle in der Wiese zeichnet sich von der Umgebung ab. Das Gras ist platt gedrückt, die Erde ist aufgeraut, und nach wie vor klebt eine Flüssigkeit an manchen Pflanzenhalmen. „Hier ist der Kopf gelegen“, sagt Wolfgang Heilmann und zeigt auf einen Büschel Löwenzahnblätter. Tags zuvor, am Montagmittag, hat Heilmann auf dieser Wiese am Rand von Unterglauheim (Kreis Dillingen) einen ausgesetzten Säugling gefunden, der offenbar wenige Stunden zuvor auf die Welt gekommen war.
Der 62-Jährige ist mit seinen beiden Hunden Gassi gehen, als er aus einer Wiese ein Winseln hört. Erst denkt er an eine Katze. Als er das Geräusch noch einmal hört, geht er ein Stück durch das Gras. Dann sieht er das, was er im Nachhinein als „Schock“bezeichnet: ein ausgesetzter Säugling, nackt und ohne Windel, Decke oder Korb im kniehohen Gras zurückgelassen. Er rennt die 50 Meter zurück zu seinem Haus und wählt den Notruf. In der Zwischenzeit eilt seine Frau Angelika zum Findelkind. Zunächst will sie den Säugling mit einer Decke vor den Strahlen der Mittagssonne schützen. Doch sie bemerkt die blauen Lippen und die kalte Haut des Babys, das ausgekühlt ist. Die 59-Jährige bringt den Bub ins Haus, wo sich Rettungskräfte um ihn kümmern. Ein Polizeihubschrauber fliegt ihn in eine Augsburger Kinderklinik. Nach Angaben der Polizei ist der Säugling am Leben. Sein Zustand sei jedoch kritisch.
Sofort nach dem Fund sucht die Polizei die Umgebung der Wiese ab und befragt Anwohner. Nur eine gute Stunde später finden die Beamten die 31-jährige Mutter in ihrer Wohnung in Dillingen. Sie wird befragt und kommt in Untersuchungshaft. Am Dienstag erlässt ein Ermittlungsrichter einen Haftbefehl wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Aussetzung. Zu einem möglichen Motiv der Frau möchte sich ein Sprecher der Augsburger Staatsanwaltschaft derzeit nicht äußern.
Wolfgang und Angelika Heilmann müssen das Erlebte erst verarbeiten. „Die Bilder lassen einen nicht mehr los“, sagen sie. Die Tatsache, dass sie überhaupt auf das Baby gestoßen sind, bezeichnen sie als „großes Glück“. Dass Wolfgang Heilmann an diesem Tag erst mittags mit den Hunden Gassi ging, lag nur daran, dass seine Frau Urlaub hatte. Auch, dass er sich für diese bestimmte Route – einen verlassenen und nicht einmal offiziell ausgewiesenen Feldweg entlang – entschieden hat, sei Zufall gewesen. „Hier kommt ansonsten wohl niemand vorbei“, sagt der Rentner.