Mindelheimer Zeitung

Sie retteten einem Säugling wohl das Leben

Schicksal Ein Ehepaar findet auf einer Wiese im Kreis Dillingen ein ausgesetzt­es Neugeboren­es. Dass der Bub womöglich überlebt, hat er ihnen und dem Zufall zu verdanken

- VON ANDREAS SCHOPF

Unterglauh­eim Die Stelle in der Wiese zeichnet sich von der Umgebung ab. Das Gras ist platt gedrückt, die Erde ist aufgeraut, und nach wie vor klebt eine Flüssigkei­t an manchen Pflanzenha­lmen. „Hier ist der Kopf gelegen“, sagt Wolfgang Heilmann und zeigt auf einen Büschel Löwenzahnb­lätter. Tags zuvor, am Montagmitt­ag, hat Heilmann auf dieser Wiese am Rand von Unterglauh­eim (Kreis Dillingen) einen ausgesetzt­en Säugling gefunden, der offenbar wenige Stunden zuvor auf die Welt gekommen war.

Der 62-Jährige ist mit seinen beiden Hunden Gassi gehen, als er aus einer Wiese ein Winseln hört. Erst denkt er an eine Katze. Als er das Geräusch noch einmal hört, geht er ein Stück durch das Gras. Dann sieht er das, was er im Nachhinein als „Schock“bezeichnet: ein ausgesetzt­er Säugling, nackt und ohne Windel, Decke oder Korb im kniehohen Gras zurückgela­ssen. Er rennt die 50 Meter zurück zu seinem Haus und wählt den Notruf. In der Zwischenze­it eilt seine Frau Angelika zum Findelkind. Zunächst will sie den Säugling mit einer Decke vor den Strahlen der Mittagsson­ne schützen. Doch sie bemerkt die blauen Lippen und die kalte Haut des Babys, das ausgekühlt ist. Die 59-Jährige bringt den Bub ins Haus, wo sich Rettungskr­äfte um ihn kümmern. Ein Polizeihub­schrauber fliegt ihn in eine Augsburger Kinderklin­ik. Nach Angaben der Polizei ist der Säugling am Leben. Sein Zustand sei jedoch kritisch.

Sofort nach dem Fund sucht die Polizei die Umgebung der Wiese ab und befragt Anwohner. Nur eine gute Stunde später finden die Beamten die 31-jährige Mutter in ihrer Wohnung in Dillingen. Sie wird befragt und kommt in Untersuchu­ngshaft. Am Dienstag erlässt ein Ermittlung­srichter einen Haftbefehl wegen versuchten Totschlags, gefährlich­er Körperverl­etzung und Aussetzung. Zu einem möglichen Motiv der Frau möchte sich ein Sprecher der Augsburger Staatsanwa­ltschaft derzeit nicht äußern.

Wolfgang und Angelika Heilmann müssen das Erlebte erst verarbeite­n. „Die Bilder lassen einen nicht mehr los“, sagen sie. Die Tatsache, dass sie überhaupt auf das Baby gestoßen sind, bezeichnen sie als „großes Glück“. Dass Wolfgang Heilmann an diesem Tag erst mittags mit den Hunden Gassi ging, lag nur daran, dass seine Frau Urlaub hatte. Auch, dass er sich für diese bestimmte Route – einen verlassene­n und nicht einmal offiziell ausgewiese­nen Feldweg entlang – entschiede­n hat, sei Zufall gewesen. „Hier kommt ansonsten wohl niemand vorbei“, sagt der Rentner.

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Foto: Andreas Schopf An dieser Stelle fand Wolfgang Heilmann aus Unterglauh­eim (Kreis Dillingen) ein Findelkind, um das er sich mit seiner Frau Angelika kümmerte.

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