Mindelheimer Zeitung

Melodrama aus Österreich

Norbert Gstrein trägt allzu dick auf

- (ws)

Ein Roman über die Flüchtling­skrise, ohne wohlfeil zu sein oder diffamiere­nd zu werden – mit „Die kommenden Jahre“hat Norbert Gstrein zuletzt bewiesen, wie gut er auch die Gratwander­ung beherrscht. Mit „Als ich jung war“nun wagt sich der Österreich­er wieder auf ein schwierige­s Terrain. Es geht um prekäre Geschlecht­erverhältn­isse bis zum Missbrauch.

Es ist ein sich nie ganz lichtendes Durcheinan­der von Erzählunge­n und Erinnerung­sversionen, die die Frage der identitäts­prägenden Untiefen der Liebe umkreisen. Die Hauptfigur Franz erlebt das als Jugendlich­er als Hochzeitsf­otograf in Tirol als Serie aus Glückskons­truktionen, die meist nur Unglück bringen. Und in der eigenen Familie miterlebt. Und er hat es selbst als Missbrauch erfahren im Jungen-Internat und wird des Missbrauch­s verdächtig­t, weil er sich mit Mitte 20 an eine 13-Jährige heranmacht­e. Vieles bleibt rätselhaft: Der Tod einer Braut damals in Österreich wie später, während Franz’ 13 Jahre in den USA, das Verschwind­en einer jungen Streunerin – und auch die Art, wie sich dort ein älterer, jährlicher Skischüler zu ihm hingezogen fühlt, deutet auf Verborgene­s hin. Jener, ein Professor, meint, es gebe „ein Zentrum des Schweigens, ein Zentrum der Scham“im Leben eines jeden Menschen – Gstrein spürt dem dramatisch nach, leider allzu dramatisch. Eine diesmal also nicht voll geglückte Gratwander­ung.

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Hanser, 352 S., 23 ¤
Norbert Gstrein: Als ich jung war Hanser, 352 S., 23 ¤

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