Mindelheimer Zeitung

Von wegen süß

Jagd Katzen sind neben Hunden die beliebtest­en Haustiere der Deutschen. Anderswo haben sie einen ganz schlechten Ruf. Denn sie sind eine große Gefahr für ohnehin schon bedrohte Tierarten

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Canberra Süße Samtpfoten oder gefährlich­e Vierbeiner – unter australisc­hen Artenschüt­zern fällt das Urteil über Katzen ziemlich eindeutig aus. Von den zahlreiche­n Tieren wie Schweinen, Pferden, Hasen oder Füchsen, die europäisch­e Siedler auf ihren Schiffen im 18. Jahrhunder­t nach Australien mitbrachte­n, waren es nämlich die in deutschen Haushalten beliebten Fellknäuel, die den heimischen Arten den größten Schaden zufügten. Gerade sie trugen nach Angaben des australisc­hen Umweltmini­steriums dazu bei, dass 27 Säugetiera­rten ausstarben und 124 Spezies bedroht sind.

Australien ist mit fast 7,7 Millionen Quadratkil­ometern mehr als zwanzig mal so groß wie Deutschlan­d, kommt aber lediglich auf 25 Millionen Einwohner. Neben den verwildert­en Katzen, deren Zahl auf zwischen zwei und 6,3 Millionen geschätzt wird, gibt es etwa 3,9 Millionen Hauskatzen. In Deutschlan­d sind es fast doppelt so viele. Freilebend­e Katzen sind oft Nachkommen von nicht kastrierte­n Hauskatzen oder auch ausgesetzt­en Tieren.

zog die australisc­he Regierung angesichts der dramatisch­en Ausmaße des Übels die Handbremse, erklärte wilde Katzen zu einer Plage und ergriff drastische Maßnahmen: Bis 2020 sollen zwei Millionen wildlebend­er Katzen getötet werden. Das Ziel: mehr als 100 bereits gefährlich dezimierte und nur in Australien vorkommend­e Arten vor dem Aussterben zu retten, darunter Vögel, Frösche, Grashüpfer, Schildkröt­en, Käfer und Krustentie­re. Seitdem rücken den ungeliebte­n Vierbeiner­n Rangers in den Nationalpa­rks mit Giftködern und Fallen zu Leibe, während Jäger oder Farmer auf ihrem eigenen Land zu Gewehren greifen.

Mehr als eine Million heimischer Vögel fallen pro Tag Katzen zum Opfer. „Bei Reptilien ist die Zahl noch höher – rund 650 Millionen sterben pro Jahr durch Katzen“, sagt Wissenscha­ftlerin Sarah Legge von der Australian National University in der Hauptstadt Canberra. Diese Zahlen basieren auf einer Studie, die das Magazin Wildlife Research 2018 veröffentl­ichte. Dafür hatten Forscher die Nahrung von 10000 Katzen landesweit untersucht. Im Magen eines einzigen Tieres fanden sie 40 Eidechsen. Katzen haben nicht viele natürliche Feinde „down under“– lediglich Dingos, Füchse und Keilschwan­zadler.

Nach ihrer Ankunft auf den Siedlersch­iffen brauchten Katzen in Australien „die nächsten 20 bis 30 Jahre, um im Raum Sydney Fuß zu fassen“, erzählt Legge. Binnen der folgenden 100 Jahre seien sie auf fast der ganzen Insel zu finden gewesen. Zu ihren „Opfern“gehören heimische Arten wie Kaninchen-Ratten oder Hüpfmäuse, die mittlerwei­le ausgestorb­en sind.

Allein 2016, dem ersten Jahr der Offensive, wurden in Australien geschätzte 211 000 Katzen getötet. Ein aktueller Bericht lässt bislang auf sich warten. Widerstand gegen die Aktion gibt es auch von Tierschütz­ern wenig. Die Tierrechts­organisati­on Peta sehe die Notwendigk­eit, die Population der verwildert­en Katzen zu kontrollie­ren, sagte Sprecherin Aleesha Naxakis. Die Methoden sollten allerdings sorgfältig ge2015 wählt werden. „Ob Katze oder Känguru – alle Tiere haben den gleichen Wunsch, ohne Schmerzen zu leben und zu sein. Wir schulden es ihnen, humane Lösungen zu finden, um ihre Zahl zu reduzieren.“Als wirksame Lösung plädiert sie für Sterilisie­rungskampa­gnen.

In Deutschlan­d stehen auf dem Speiseplan von Katzen am häufigsten Säugetiere wie Mäuse, danach Vögel, Amphibien und zuletzt Reptilien, wie Lars Lachmann vom Naturschut­zbund Nabu sagt. Er schätzt, dass Katzen im Jahr rund 20 bis 100 Millionen Vögel töten. Auch hierzuland­e gibt es die frei lebenden Artgenosse­n der domestizie­rten Samtpfoten. Nach Angaben des Deutschen Tierschutz­bunds stammen sie oft von nicht kastrierte­n Hauskatzen ab, die nicht mehr heimgefund­en haben. „Deshalb raten wir dringend dazu“, heißt es auf der Homepage des Bunds, „die eigene Katze nicht nur zu kastrieren, sondern auch zu kennzeichn­en und zu registrier­en – damit sie wieder sicher nach Hause gelangt, wenn ein Finder sie aufnimmt.“

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Foto: Axel Heimken, dpa Katzen sind im Grund ihres Wesens Raubtiere – und das ist in manchen Ländern ein Problem.

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