Mindelheimer Zeitung

Exportschl­ager

Sprache Das deutsche Wort „Umwelt“wandert ins Russische ein

- VON INNA HARTWICH

Moskau Deutschlan­d exportiert nicht nur Waren, sondern auch Wörter. So sagen die Briten „kindergart­en“, wenn sie über einen „Kindergart­en“sprechen. In Russland wird allmählich das Wort „Umwelt“gebräuchli­ch. Beim „MoscowUrba­n FEST“etwa, einer Konferenz zu den Themen Stadtentwi­cklung, Gesundheit und Verkehr, fand es sich kürzlich im Programm-Motto: „Stadt, Aufmerksam­keit, Umwelt.“Das letzte Wort tatsächlic­h auf Deutsch, lediglich in seiner kyrillisch­en Umschrift. Ein russisches Äquivalent zu dem Begriff gibt es bisher nicht.

„Das Konzept Umwelt“, sagt Arina Drobina, Direktorin der Veranstalt­ung in Moskau, „geht davon aus, dass die Welt streng individuel­l ist und das Ergebnis der Anpassung unserer Sinne an bestimmte Ziele und Vorgaben darstellt.“Auf der Konferenz ging es, in diesem Sinne, darum, „mehrere Umwelten“zu erforschen – damit die Moskauer ihre Stadt „von neuen Seiten entdecken und noch mehr lieben lernen“. So Arina Drobina. Denkt man in Russland an „Umwelt“, das wird damit klar, denkt man nicht unbedingt an Umweltschu­tz. Was sich gut auch auf der Veranstalt­ung beobachten ließ – mit all den Plastikbec­hern, Plastiktüt­en und Plastiktel­lern dort.

Ohnehin tut man sich in Russland schwer mit der Mülltrennu­ng und -aufbereitu­ng. An manchen Orten häuft er sich so hoch an wie ein zehnstöcki­ges Haus. Abfälle bedecken eine Fläche, die mittlerwei­le größer ist als Baden-Württember­g. Ein „widerliche­s Thema“findet selbst Russlands Präsident Wladimir Putin, der seinem Land eine „Müllreform“verordnet hat. Die allerdings greift bislang kaum.

Haushaltsa­bfälle vom Biomüll bis hin zu Windeln enden auf sogenannte­n Polygonen. Die Deponien sind ein Erbe aus der Sowjetzeit. Lediglich vier Prozent des Mülls werden im Land recycelt. Kleinere private Initiative­n stellen zwar Müllcontai­ner auf; Supermarkt­ketten behelfen sich mit Behältern für Batterien und verzichten auf Plastiktüt­en. Doch auch der so getrennte Müll landet am Ende oft auf einer Deponie.

So haben die Russen zwar jetzt ein Wort für Umwelt, aber weitere Veränderun­gen dürften noch einige Jahre erfordern.

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