Wenn der Schulmeister das Fräulein ehelichte …
MZ-Aktion Wir blicken auf den Schulalltag in früheren Zeiten zurück und suchen Ihre schönsten Schulgeschichten
Unterallgäu Wenn wir in der Geschichte des Volksschullehrerstandes weit zurückgehen, dann tun sich fast unglaubliche Tiefen auf. In früheren Jahrhunderten, als es noch keine Schulpflicht gab, gehörte der Lehrer zur untersten Klasse. Der Schulmeister, wie man ihn nannte, musste in seiner Gemeinde neben dem Unterricht auch noch viele niedere Arbeiten ausführen und war in erster Linie „Diener des Pfarrers“. Erst als im „neuen Bayern“1802 die allgemeine Schulpflicht eingeführt wurde, begann sich sein Status etwas zu ändern. Es wurden Lehrerseminare gegründet und die Vorbildung der Lehrer geregelt. Nach einer Verordnung von 1810 wurde dem Lehrer auch noch der Kirchendienst als hauptamtliche Aufgabe übertragen. Doch die Bezahlung war so dürftig, dass er seine Familie kaum ernähren konnte.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert ergriffen die Schulmeister dann selbst die Initiative. 1861 wurde der bayerische Volksschullehrerverein gegründet und die Lehrerzeitung geschaffen. Man wandte sich gegen Nebentätigkeiten, wie den niederen Kirchendienst oder die Gemeindeschreiberei. Tatsächlich gab es dann einige Verbesserungen durch die „Schulbedarfsgesetze“von 1861 und 1902.
Es veränderte sich zwar einiges, doch das Mindestgehalt blieb bescheiden. Die Besoldung war damals Gemeindeaufgabe und bestand aus Naturalien, die der Lehrer häufig auch noch selber einsammeln musste. Die Dienstwohnung war meist im Schulhaus und in Gemeinden unter 2500 Seelen kostenfrei. Wichtige Veränderungen kamen für die Lehrer mit dem Volksschullehrergesetz im Jahre 1919 und dem Besoldungsgesetz 1920. Die seit alters bestehende Verbindung des Schul- und Kirchendienstes wurde dabei gelöst. Auch die Schulaufsicht durch Geistliche wurde aufgehoben und die Besoldungsunterschiede zwischen Stadt und Land wurden beseitigt. Es ist also heuer genau 100 Jahre her, dass in Bayern der Staat das Volksschulwesen in die Hand genommen hat.
Als wesentliche Vorschrift bestand im Deutschen Reich und in Bayern schon seit dem Jahre 1880 das „Lehrerinnen-Zölibat“. Demnach galt: Wenn sich ein Fräulein Lehrerin zu heiraten entschied, musste sie ihre Stellung aufgeben und sie verlor dabei auch noch ihren Anspruch auf das Ruhegehalt. Schieden Lehrerinnen trotz Heirat nicht freiwillig aus, drohte ihnen die umgehende Kündigung. Wer also im Schuldienst bleiben wollte, musste auf die Ehe verzichten und auch noch mit einem geringeren Gehalt als ihre männlichen Kollegen zufrieden sein.
Begründet wurde das Eheverbot für Lehrerinnen damit, „dass die Pflichten einer Hausfrau und Mutter mit der Tätigkeit einer Lehrerin unvereinbar sind“. Außerdem war befürchtet worden, dass sie vom Unterricht abgelenkt würden. So auch generell die Eignung von Frauen für den Lehrberuf angezweifelt. In diese Kerbe schlug sogar eine Studie von 1905, die der Mehrzahl der Lehrerinnen bescheinigte, unter „Nervosität“bzw. „Neurasthenie“– einer als „reizbare Schwäche“bezeichneten psychischen Störung– zu leiden.
Doch auch für männliche Pädagogen gab es Hürden vor dem Traualtar. So war im bayerischen Amtsblatt anno 1899 festgelegt: „Schullehrer, Schulgehilfen und Schuldienstaspiranten bedürfen zu ihrer Verehelichung die dienstliche Bewilligung der vorgesetzten Regierung“. Diese Bewilligung wurde versagt, wenn der Leumund der Braut zu beanstanden war. Lehrer, die ohne Bewilligung heirateten, wurden sofort entlassen.
1919 wurde das Lehrerinnen-Zölibat zwar kurzfristig wieder abgeschafft, doch in den nachfolgenden Inflations- und Krisenjahren zur Sicherung der Arbeitsstellen für männliche Lehrer wieder als bindend eingeführt. Endgültig endete das Lehrerinnen-Zölibat dann erst zu Beginn der 1950-er Jahre. Damit verschwand auch die früher allgemein verbreitete Anrede einer Lehrerin mit „Fräulein“. Vor allem auf dem Land hielt sich jedoch der Begriff „s’Freila“für eine Lehrerin noch recht hartnäckig.
Grundlegend geändert hat sich auch die Lehrer- und LehrerinnenStruktur im Lauf der letzten Jahrwurde zehnte. Unterrichteten in früheren Zeiten überwiegend Männer an den Volksschulen, so ist der Beruf hier mittlerweile zu rund 85 Prozent weiblich geprägt.
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