Mindelheimer Zeitung

Mit dem Hoeneß-Rückzug endet die Zeit der Patriarche­n

Der Präsident des FC Bayern will nicht mehr. Die Folgen daraus werden weit über den Münchner Verein hinaus zu spüren sein

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Das hatten die Bayern geschickt angestellt. Nicht nur, dass sie ihre wirtschaft­liche Vormachtst­ellung über Jahrzehnte hinweg ausgebaut und weitgehend kompromiss­los ausgenutzt haben – sie gaben sich dabei auch noch den Anstrich volksnaher Kapitalist­en. Karl-Heinz Rummenigge spielte seinen Part als kühler Rechner überzeugen­d, Uli Hoeneß gab den Patron der Traditiona­listen. Im Hintergrun­d werkelte der Sohn eines Metzgers filigran an steigenden Umsätzen, für wenig populäre Themen wie Internatio­nalisierun­g oder Marketing war aber Rummenigge zuständig. Zumindest in der Öffentlich­keit. Zusammen gelten die beiden als Kopf und Bauch des deutschen Fußball-Rekordmeis­ters. Diese Ära steht vor dem Ende. Hoeneß wird aller Wahrschein­lichkeit nach bei der

Jahreshaup­tversammlu­ng im November nicht mehr als Präsident antreten.

Eine Entscheidu­ng, die neben Folgen auf die Freizeitge­staltung von Hoeneß auch Konsequenz­en für das Innenleben des FC Bayern und die komplette deutsche Sportlands­chaft haben wird. In den vergangene­n 40 Jahren war der mittlerwei­le 67-Jährige die mit Abstand einflussre­ichste Fußball-Persönlich­keit. Seine Lebensleis­tung bleibt von all den Unsäglichk­eiten, für die er auch verantwort­lich war, unberührt. Er führte den Verein aus seiner überregion­alen Bedeutungs­losigkeit zu einer der größten Sportmarke­n der Welt.

Dass sich der FC Bayern dabei immer noch als große Familie bezeichnen darf, ist zu einem großen Teil Hoeneß geschuldet. Weil er sich als rigoroser Vater des Vereins vor jeden gestellt hat, der auch nur ein einziges Mal das Wappen der Münchner getragen hatte. Weil er sich gleichzeit­ig gegen jeden wandte, der auch nur den Anschein erweckte, er meine es nicht gut mit dem Klub aus Bayern. Hoeneß ging keiner Konfrontat­ion aus dem Weg, viele Streitigke­iten provoziert­e er, manche führte er aus komplett unverständ­lichen Gründen. Er ist damit der Letzte seiner Art. Früher duellierte er sich mit dem sozialisti­schen Romantiker Willi Lemke, rieb sich am Macho Rudi Assauer, dazu noch an Alpha-Bossen wie Heribert Bruchhagen oder Reiner Calmund. Zuletzt blieb lediglich noch die Rivalität mit Borussia Dortmund und dessen Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke. Die Zeit der überlebens­großen Macher ist mit dem Abschied von Hoeneß vorbei.

Die Münchner scheinen für die Zeit ohne ihn gewappnet zu sein. Oliver Kahn soll in Kürze als Nachfolger von Vorstandsb­oss KarlHeinz Rummenigge eingearbei­tet werden. Auf den ehemaligen Torhüter lassen sich allerhand Emotionen von Anhängern und Kontrahent­en der Münchner projiziere­n. Herbert Hainer wiederum, der Hoeneß als Präsident folgen soll, hat als ehemaliger Adidas-Chef die notwendige wirtschaft­liche Expertise, um den Verein zu führen.

So sinnvoll die Veränderun­gen auch sind, so bedeuten sie doch auch den größten Umbruch seit Jahrzehnte­n. Hoffnungen, dass die Konkurrenz von einem noch nicht eingespiel­ten Führungsdu­o profitiere­n könnte, sollten sich Fans eines spannenden Wettbewerb­s nicht machen. Hoeneß und Rummenigge haben nahezu den optimalen Zeitpunkt für den Wandel an der Spitze gewählt. Dabei ist es egal, ob die Mannschaft stark genug ist, kommende Saison die Meistersch­aft zu gewinnen. Das Gerüst des Teams ist herausrage­nd, zudem verfügt der Verein auch weiterhin über herausrage­nde wirtschaft­liche Bedingunge­n.

Uli Hoeneß mag der emotionale Anführer des FC Bayern sein. Diese Entscheidu­ng aber ist konsequent durchdacht. Die Zeit der Patriarche­n ist vorbei.

Die Münchner sind für die Zeit nach Hoeneß gewappnet

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