Mindelheimer Zeitung

Draghi hat den Euro gerettet, aber die Sparer verärgert

Die achtjährig­e Bilanz des EZB-Chefs fällt gemischt aus. Ehe er geht und Christine Lagarde das Amt übernimmt, könnte den Banken weiteres Ungemach drohen

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Mit einer derart gemischten Bilanz treten wenige Manager und Politiker ab: Wenn Mario Draghi Ende Oktober nach acht Jahren an der Spitze der Europäisch­en Zentralban­k aufhört, ist er Held und Schurke in einer Person, je nach Betrachtun­gswinkel. Seine glorreichs­te Tat ist sicher, den Euro nach den harten Proben der Schuldenkr­ise gerettet zu haben. Mit der radikalen Politik der Zinssenkun­gen bis auf null und Strafgebüh­ren für Banken, ja exzessiven Anleihekau­fprogramme­n hat der Italiener Europas Sorgenkind­er im Süden aufgepäppe­lt.

Draghi konnte also mit der Politik massiv billigen Geldes wichtige konjunktur­elle Impulse setzen, die zu einer Stabilisie­rung der Krisenländ­er geführt haben. Mit seiner Absicherun­gsstrategi­e für den Euro gelang es ihm, dem von Populisten

angefeinde­ten Europa einen großen Freundscha­ftsdienst zu erweisen. Schließlic­h steht die berechtigt­e Sorge von Bundeskanz­lerin Angela Merkel nach wie vor drohend im Raum: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“Die gemeinsame Währung ist also – um beim Sprachgebr­auch der CDUPolitik­erin zu bleiben – alternativ­los. Draghi tat, was er tun musste. Ihm waren die Hände gebunden.

Doch genau dieser Zusammenha­ng ist so schwer zu verstehen und aus deutscher Sicht kaum zu ertragen. Denn wir zahlen einen immensen Preis dafür, dass der europäisch­e Notenbankc­hef auch mithilfe des Internatio­nalen Währungsfo­nds in einer Koalition der SuperGutmü­tigen, notorische Haushaltss­ünder wie das beratungsr­esistente Italien mit Unsummen in eine stabile Seitenlage gebracht hat.

Für den Kraftakt büßen Anleger mit einem unerträgli­ch hohen Preis. Das gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass dank Euro-Retter Draghi deutsche Exporte in die Euro-Länder hochgehalt­en werden und wir eine Rekordbesc­häftigung verzeichne­n. Doch all das wiegt nur schwer auf, dass der EZBBoss den Zins als uraltes Belohnungs­instrument für die Tugend des Sparens weitgehend abgeschaff­t hat. So dürfte kaum einem Notenbankc­hef außer Draghi nach acht Jahren Amtszeit das Kunststück geglückt sein, die Zinsen kein einziges Mal erhöht zu haben. Mit der Auslöschun­g des Zinses auf Spareinlag­en fügte er Bürgern, die mit Bausparver­trägen und Lebensvers­icherungen ihre Finanzen solide gestalten wollen, Schaden zu.

Draghi drängt Menschen in risikoreic­here Anlagen ab, ob sie ihr Geld der wankelmüti­gen Börse anvertraue­n oder sich zu überhöhten Preisen Immobilien kaufen – und dazu enorme Summen leihen. Hier entstehen auf Dauer Immobilien­blasen, die platzen können, vielleicht in der nächsten Rezession.

Noch ist Draghi zu 50 Prozent ein Held und zu 50 Prozent ein Schurke. Doch falls sich die konjunktur­elle Lage weiter verschlech­tert, Menschen arbeitslos werden, ihre Hypotheken oder üppigen Leasingrat­en für riesige Autos nicht mehr zurückzahl­en können, wird die Bilanz des Zinssenker­s dereinst wohl negativer ausfallen. Denn wenn der Zentralban­ker sein Amt an seine Nachfolger­in Christine Lagarde übergibt, ist das Pulver der EZB weitgehend verschosse­n.

Den Rest könnte Draghi als sein letztes Aufgebot im September noch einmal locker machen. Was bei der EZB-Sitzung am Donnerstag ausblieb, würde dann bizarre Wirklichke­it: Ohnehin überstrapa­zierte Banken müssten noch höhere Strafzinse­n zahlen, wenn sie Geld parken. Auch an Anleihekäu­fe scheint der Euro-Banker wieder zu denken. Für solch fragwürdig­e Aktionen hat er auf der aktuellen Sitzung die wenigen noch verblieben­en offenen Fenster im EZB-Haus aufgerisse­n. Dabei wird sich Draghis Nachfolger­in Lagarde schwertun, nur ein Fenster zu schließen.

Ist es bitteschön möglich, etwas respektvol­ler mit seinen Mitmensche­n umzugehen? Für mich bedeutet das unter anderem auch, Menschen mit vollem Namen zu nennen. Ich finde es unmöglich, dass in Ihrer Zeitung Frau Kramp-Karrenbaue­r auffallend häufig nur AKK genannt wird. Das ist eine Respektlos­igkeit ohnegleich­en und mir schon mehrfach sauer aufgestoße­n.

Alle Redakteure bitte ich herzlich, sich Gedanken zu machen! Christa Frick, Augsburg

Notenbank-Chef hat alle Fenster aufgerisse­n

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