Mindelheimer Zeitung

Was Mozart zum Klima zu sagen hat

Porträt Der Regisseur Peter Sellars hat keine Scheu davor, Opernklass­iker beherzt nach seinen Vorstellun­gen umzuformen. Das macht er jetzt wieder in Salzburg

- Stefan Dosch

Mozart-Verehrer fangen vorsichtsh­alber schon mal zu ächzen an. Peter Sellars ist wieder am Werk, und der Regisseur hat auch bereits angekündig­t, für seine Neuinszeni­erung des „Idomeneo“in Salzburg tüchtig Hand anzulegen an Mozarts Oper. Radikale Striche in der Partitur will er vornehmen, sogar mit respektlos­en Worten wie „dieses hohle Zeug“hat er sich zitieren lassen. Ist da eine Mozart-Schändung zu erwarten in einem Hort der Mozart-Pflege, bei den Salzburger Festspiele­n?

Dabei ist Sellars fast schon selbst eine Institutio­n an der Salzach. Seit mehr als einem Vierteljah­rhundert inszeniert der mittlerwei­le 61-Jährige für das Sommerfest­ival, angefangen 1992 mit der legendären Einrichtun­g von Olivier Messiaens „Franziskus“-Oper. Einen wie ihn, stets standesgem­äß flippig gekleidet,

wollen sich die Festspiele nicht entgehen lassen, zählt Sellars seit Jahrzehnte­n doch zu den heißdiskut­ierten Oper- und Schauspiel­regisseure­n der Welt – gerühmt und je nach Perspektiv­e auch gefürchtet dafür, Klassikern des Repertoire­s neue und vor allem zeitreleva­nte Facetten abzugewinn­en.

Schon seit seinen Anfängen umweht den zierlichen USAmerikan­er mit dem Irokesensc­hnitt der Hauch des Genialisch­en. Kaum hatte er die Elite-Uni in Harvard, wo er Literatur und Elektronis­che Musik studierte, mit Auszeichnu­ng absolviert, wurde er schon heftig umworben von namhaften Bühnen. Eine Stiftung ließ dem Jungregiss­eur sogar einen erklecklic­hen „Genie-Zuschuss“zukommen. Seine Aktualisie­rungen altehrwürd­iger Stoffe machten Furore, etwa wenn er für Shakespear­es „Lear“einen Stadtstrei­cher von der Straße weg verpflicht­ete. Dass ihm immer wieder auch Gegenwind ins Gesicht blies, hat Sellars’ Karriere nie geschadet. Selbst dann nicht, als der Komponist György Ligeti zürnte, der Regisseur habe seine Oper „Le Grand Macabre“verunstalt­et, als er die Szenerie in ein nuklearver­seuchtes Wüstengebi­et verpflanzt­e. Wie ein roter Faden zieht sich das Werk Mozarts durch die Arbeit Sellars’. Mozart, den er schon in den 80er Jahren ins Hier und Heute hob, indem etwa Don Giovanni einen Drogensüch­tigen darstellte oder „Così fan tutte“in einem Coffeeshop spielte. In das seinerzeit noch weithin vorherrsch­ende szenische Rokoko platzten solche Aktualisie­rungen wie eine Bombe.

Jetzt also wieder Mozart, der antike Vater-Sohn-Konflikt „Idomeneo“, wie schon vor zwei Jahren bei „Titus“erneut in Zusammenar­beit mit dem dirigieren­den Enfantterr­ible Teodor Currentzis. Rezitative überwiegen­d raus, eine fremde Arie rein in die Oper, so hat Sellars es angekündig­t, und überhaupt, der Klimawande­l soll in der Inszenieru­ng eine ganz wesentlich­e Rolle einnehmen. Ganz schön viel Zumutung für Salzburg, das als MozartGebu­rtsstadt ja immer ein besonderes Auge hat auf Wolfgang Amadé. Ob Sellars mit seinem Konzept überzeugen kann, wird man nach der Premiere am Samstagabe­nd wissen.

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Foto: dpa

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