Was Mozart zum Klima zu sagen hat
Porträt Der Regisseur Peter Sellars hat keine Scheu davor, Opernklassiker beherzt nach seinen Vorstellungen umzuformen. Das macht er jetzt wieder in Salzburg
Mozart-Verehrer fangen vorsichtshalber schon mal zu ächzen an. Peter Sellars ist wieder am Werk, und der Regisseur hat auch bereits angekündigt, für seine Neuinszenierung des „Idomeneo“in Salzburg tüchtig Hand anzulegen an Mozarts Oper. Radikale Striche in der Partitur will er vornehmen, sogar mit respektlosen Worten wie „dieses hohle Zeug“hat er sich zitieren lassen. Ist da eine Mozart-Schändung zu erwarten in einem Hort der Mozart-Pflege, bei den Salzburger Festspielen?
Dabei ist Sellars fast schon selbst eine Institution an der Salzach. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert inszeniert der mittlerweile 61-Jährige für das Sommerfestival, angefangen 1992 mit der legendären Einrichtung von Olivier Messiaens „Franziskus“-Oper. Einen wie ihn, stets standesgemäß flippig gekleidet,
wollen sich die Festspiele nicht entgehen lassen, zählt Sellars seit Jahrzehnten doch zu den heißdiskutierten Oper- und Schauspielregisseuren der Welt – gerühmt und je nach Perspektive auch gefürchtet dafür, Klassikern des Repertoires neue und vor allem zeitrelevante Facetten abzugewinnen.
Schon seit seinen Anfängen umweht den zierlichen USAmerikaner mit dem Irokesenschnitt der Hauch des Genialischen. Kaum hatte er die Elite-Uni in Harvard, wo er Literatur und Elektronische Musik studierte, mit Auszeichnung absolviert, wurde er schon heftig umworben von namhaften Bühnen. Eine Stiftung ließ dem Jungregisseur sogar einen erklecklichen „Genie-Zuschuss“zukommen. Seine Aktualisierungen altehrwürdiger Stoffe machten Furore, etwa wenn er für Shakespeares „Lear“einen Stadtstreicher von der Straße weg verpflichtete. Dass ihm immer wieder auch Gegenwind ins Gesicht blies, hat Sellars’ Karriere nie geschadet. Selbst dann nicht, als der Komponist György Ligeti zürnte, der Regisseur habe seine Oper „Le Grand Macabre“verunstaltet, als er die Szenerie in ein nuklearverseuchtes Wüstengebiet verpflanzte. Wie ein roter Faden zieht sich das Werk Mozarts durch die Arbeit Sellars’. Mozart, den er schon in den 80er Jahren ins Hier und Heute hob, indem etwa Don Giovanni einen Drogensüchtigen darstellte oder „Così fan tutte“in einem Coffeeshop spielte. In das seinerzeit noch weithin vorherrschende szenische Rokoko platzten solche Aktualisierungen wie eine Bombe.
Jetzt also wieder Mozart, der antike Vater-Sohn-Konflikt „Idomeneo“, wie schon vor zwei Jahren bei „Titus“erneut in Zusammenarbeit mit dem dirigierenden Enfantterrible Teodor Currentzis. Rezitative überwiegend raus, eine fremde Arie rein in die Oper, so hat Sellars es angekündigt, und überhaupt, der Klimawandel soll in der Inszenierung eine ganz wesentliche Rolle einnehmen. Ganz schön viel Zumutung für Salzburg, das als MozartGeburtsstadt ja immer ein besonderes Auge hat auf Wolfgang Amadé. Ob Sellars mit seinem Konzept überzeugen kann, wird man nach der Premiere am Samstagabend wissen.