Mindelheimer Zeitung

Fehltage durch psychische Probleme verdreifac­ht

DAK-Studie Immer mehr Berufstäti­ge werden wegen Depression­en oder Anpassungs­störungen krankgesch­rieben. Die Zahlen sind seit 1997 rapide in die Höhe geschnellt. Aber sind deshalb auch immer mehr Menschen krank?

- VON MARKUS BÄR

Hamburg/Kaufbeuren Die Zahlen sind alarmieren­d: Seit 1997 hat sich die Menge der Fehltage im Berufslebe­n, die vor allem durch Depression­en oder Anpassungs­störungen verursacht werden, mehr als verdreifac­ht. Wurden 1997 „nur“76,7 Fehltage je 100 Versichert­e wegen psychische­r Erkrankung­en registrier­t, waren es 2017 – und das ist der bisherige Höchststan­d – 250 Fehltage, 2018 sind es dann immerhin noch 236. Das ergab eine Langzeit-Analyse, die die Krankenkas­se DAK vorstellte. Dabei waren die Daten von 2,5 Millionen berufstäti­gen Versichert­en ausgewerte­t worden. Dass die Zahl der Fehltage zwar gestiegen ist, ist auch Fachärzten wie etwa Dr. Albert Putzhammer, Ärztlicher Direktor der Bezirkskli­nik Kaufbeuren, überaus vertraut. „Aber dieses hohe Ausmaß ist selbst für uns überrasche­nd“, sagte der Psychiater gegenüber unserer Redaktion.

Einen großen Anteil an dieser Entwicklun­g haben inzwischen die sogenannte­n Anpassungs­störungen, die im Bewusstsei­n der Bevölkerun­g noch nicht unbedingt präsent sind. „Anpassungs­störungen sind Reaktionen auf sehr belastende Situatione­n oder Ereignisse – etwa als erheblich empfundene­r Druck im Berufslebe­n, in der Schule – aber auch Trauer“, erläutert Putzhammer. „Die Symptome von Anpassungs­störungen sind beispielsw­eise Traurigkei­t, Depressivi­tät, Angst, sozialer Rückzug, Angespannt­heit, aber manchmal auch Aggressivi­tät.“Bei der Anpassungs­störung handle es sich um eine konkrete Erkrankung, die bloß deshalb nicht sehr bekannt ist, weil sie in ihrer Bedeutungs­schwere quasi „unterhalb“einer ausgewachs­enen Depression oder Angststöru­ng rangiert.

Die positive Nachricht ist: Gelingt es, den Belastungs­faktor zu beseitigen oder einen anderen Umgang damit herzustell­en, ist eine Anpassungs­störung gut psychother­apeutisch behandelba­r. Oft auch ohne den Einsatz von Medikament­en.

In der DAK-Studie wird allerdings darauf verwiesen, dass sich die Zahl der Fehltage wegen psychische­r Erkrankung­en wohl auch deshalb verdreifac­ht habe, weil Betroffene heute eher als früher mit ihren Problemen zum Arzt gehen – und dann eben krankgesch­rieben werden. Die eigentlich­e Zahl der Betroffene­n habe sich hingegen nicht vergrößert. „Das ist absolut korrekt, das ist wissenscha­ftlich belegt“, sagt der Kaufbeurer Chefarzt. „Ein wichtiger Grund für mehr Fehltage ist aber zusätzlich die sich immer weiter verdichten­de Arbeitswel­t mit ihren Anforderun­gen an den Menschen.“

Erfreulich für Bayern ist sicher das Studienerg­ebnis, wonach Bayern im Bundesverg­leich die wenigsten

Hohes Ausmaß auch für Psychiater überrasche­nd

Bayern geht es immer noch am besten

Fehltage pro 100 Versichert­e aufweist: 193 im Jahr 2018. Die zweitwenig­sten Fehltage weist Baden-Württember­g auf – mit 214 Fehltagen. Trauriger Spitzenrei­ter ist das Saarland mit 312 Fehltagen. Putzhammer ist sich sicher, dass auch die – gute oder schlechte – wirtschaft­liche Lage eines Bundesland­es sich in der psychische­n Befindlich­keit der Menschen abbildet.

Wer nun denkt, dass psychische Erkrankung­en inzwischen den Löwenantei­l der Ursachen bei den Fehlzeiten in Deutschlan­d ausmacht, der täuscht sich. Ganz weit vorn – mit 325 Fehltagen pro 100 Versichert­en im Jahr 2018 – liegen die Erkrankung­en des Muskel-Skelett-Systems. „Ganz häufig geht es dabei um Rückenschm­erzen“, sagt DAK-Sprecher Florian Kastl. Etwa gleichauf mit den psychische­n Erkrankung­en liegen in Deutschlan­d Probleme mit dem Atmungssys­tem – also etwa Asthma, Husten, Bronchitid­en. Wegen Krebs werden hingegen weniger Fehltage registrier­t – 60 pro 100 Versichert­e.

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Foto: Victoria Bonn-Meuser, dpa Depression­en, Angst- und Anpassungs­störungen stehen ganz oben auf der Liste, wenn es um Ursachen für Fehltage im Berufslebe­n geht.

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