War früher alles besser?
Immer mehr Menschen werden wegen psychischer Probleme krankgeschrieben – ein schwer greifbares Phänomen. Blickt man mehrere Jahrzehnte zurück, kommt man womöglich schnell zu der Einschätzung, dass man früher nicht so viel Aufhebens um alles gemacht hat. Will sagen: Das gab es früher so nicht. Man hat oft sehr hart gearbeitet, hatte vielleicht gar mit echten Gefahren zu kämpfen – wie Krieg oder Armut. Das waren klare existenzielle Nöte. Warum
kommen aber heute viele Menschen nicht mit ihrem Leben, mit ihrem Job, mit ihrer Schule klar, obwohl es ihnen objektiv gesehen besser geht als den Menschen vor Jahrzehnten?
Eine Antwort mag in der Neurophysiologie des Gehirns liegen, das ein Gefahrenerkennungs- und Vermeidungsorgan ist: Wenn das Gehirn keine echten Gefahren (Gewalt, Armut) erkennt, treten bei manchen Menschen Probleme mit Macht in den Vordergrund des Erlebens, die sonst keine Probleme wären. Ein einfaches Beispiel, jeder kennt es: Je besser es uns geht, desto mehr regen wir uns über Sachen auf, die eigentlich nicht der Rede wert sind.
Diesen Prozess gibt es aber auch auf der Ebene der Erkrankungen. Das muss man ernst nehmen, denn viele Betreffende leiden sehr unter ihren Problemen, die bis zum Suizid führen können. Eine simple Lösung für diese gesellschaftliche Herausforderung gibt es leider nicht. Wer seriös auf das Thema schaut, merkt schnell, dass es dafür zu komplex ist. Jedenfalls bringt es nichts, einfach nur der Politik oder Institutionen wie Betrieben oder Schulen die Schuld in die Schuhe zu schieben.