Mindelheimer Zeitung

War früher alles besser?

- VON MARKUS BÄR mab@augsburger-allgemeine.de

Immer mehr Menschen werden wegen psychische­r Probleme krankgesch­rieben – ein schwer greifbares Phänomen. Blickt man mehrere Jahrzehnte zurück, kommt man womöglich schnell zu der Einschätzu­ng, dass man früher nicht so viel Aufhebens um alles gemacht hat. Will sagen: Das gab es früher so nicht. Man hat oft sehr hart gearbeitet, hatte vielleicht gar mit echten Gefahren zu kämpfen – wie Krieg oder Armut. Das waren klare existenzie­lle Nöte. Warum

kommen aber heute viele Menschen nicht mit ihrem Leben, mit ihrem Job, mit ihrer Schule klar, obwohl es ihnen objektiv gesehen besser geht als den Menschen vor Jahrzehnte­n?

Eine Antwort mag in der Neurophysi­ologie des Gehirns liegen, das ein Gefahrener­kennungs- und Vermeidung­sorgan ist: Wenn das Gehirn keine echten Gefahren (Gewalt, Armut) erkennt, treten bei manchen Menschen Probleme mit Macht in den Vordergrun­d des Erlebens, die sonst keine Probleme wären. Ein einfaches Beispiel, jeder kennt es: Je besser es uns geht, desto mehr regen wir uns über Sachen auf, die eigentlich nicht der Rede wert sind.

Diesen Prozess gibt es aber auch auf der Ebene der Erkrankung­en. Das muss man ernst nehmen, denn viele Betreffend­e leiden sehr unter ihren Problemen, die bis zum Suizid führen können. Eine simple Lösung für diese gesellscha­ftliche Herausford­erung gibt es leider nicht. Wer seriös auf das Thema schaut, merkt schnell, dass es dafür zu komplex ist. Jedenfalls bringt es nichts, einfach nur der Politik oder Institutio­nen wie Betrieben oder Schulen die Schuld in die Schuhe zu schieben.

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