Mindelheimer Zeitung

Draghi setzt deutschen Banken zu

Finanzen Die Europäisch­e Zentralban­k erhöht den Leitzins nicht, stattdesse­n sieht es so aus, als behielte sie ihre lockere Geldpoliti­k immer noch länger bei. Das wird für Banken zunehmend ein Problem – und damit für ihre Kunden

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Frankfurt am Main Für Sparer bleiben die Aussichten düster. Weil die Konjunktur im Euroraum sich gerade abkühlt, prüft die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) verschiede­ne Mittel, um Geld weiter günstig zu halten. Das freut alle, die Kredite brauchen, alle anderen eher nicht. Zinsen sind abgeschaff­t, und auch Provisione­n gibt es für Banken kaum noch. Das heißt: Sie versuchen, über Gebühren Geld zu verdienen – zulasten ihrer Kunden. Ein Überblick über die momentan geldpoliti­sche Lage:

Was hat die EZB bei ihrer jüngsten Sitzung besprochen?

Europas Währungshü­ter gehen davon aus, dass die Zinsen mindestens über die erste Hälfte des Jahres 2020 auf ihrem aktuellen Niveau oder „darunter“bleiben werden, wie die Notenbank am Donnerstag im Anschluss an eine Ratssitzun­g in Frankfurt mitteilte. Damit sind Zinssenkun­gen eine Möglichkei­t. Geprüft werden sollen zudem Optionen für neue Anleihenkä­ufe. „Alle Instrument­e sind auf dem Tisch“, sagte der Ende Oktober scheidende EZB-Präsident Mario Draghi. Angesichts der weltweiten Konjunktur­abkühlung und der Schwäche des Welthandel­s, der unter internatio­nalen Handelskon­flikten leidet, seien „signifikan­te geldpoliti­sche Impulse“notwendig, sagte der EZB-Präsident. Erste Entscheidu­ngen dürfte die Notenbank bei der Ratssitzun­g im September treffen, wenn aktuelle Konjunktur­und Inflations­prognosen für den Euroraum vorliegen. Am Donnerstag beließen die Währungshü­ter den Leitzins auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken erhalten somit frisches Geld bei der Notenbank zum Nulltarif. Auch an den 0,4 Prozent Strafzinse­n, die Kreditinst­itute zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB parken, rüttelte die Notenbank nicht. Es gilt als möglich, dass die EZB den Strafzins erhöhen könnte.

Warum erhöhen viele Banken und Sparkassen die Gebühren?

Niedrige Zinsen, hohe Regulierun­gskosten, teure Investitio­nen in Digitalisi­erung – die Gemengelag­e ist ungünstig für die Branche. Lange verdienten Banken und Sparkassen gut daran, dass sie mehr Zinsen für Kredite kassierten, als sie Sparkunden auf deren Einlagen zahlten. Doch üppige Zinsübersc­hüsse sind passé. Die EZB hat die Zinsen auf Rekordtief eingefrore­n, der Branche brechen die Erträge weg. Der Bundesverb­and der Deutschen Volksbanke­n und Raiffeisen­banken (BVR) rechnet noch für mindestens fünf Jahre mit Nullzinsen.

Was hat es mit den Strafzinse­n der EZB auf sich?

Seit Mitte Juni 2014 müssen Geschäftsb­anken Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Aktuell verlangt die EZB 0,4 Prozent Strafzinse­n. Nach Berechnung­en des Bundesverb­andes deutscher Banken (BdB) müssen die Banken derzeit monatlich mehr als 600 Millionen Euro an Negativzin­sen an die EZB zahlen. Aufs Jahr gerechnet komme eine Summe von rund 7,5 Milliarden Euro zusammen – Geld, das den Instituten für Investitio­nen fehlt. Besonders betroffen vom Strafzins sind deutsche Banken, die traditione­ll einen Überhang an Kundeneinl­agen haben. Sie tragen nach Angaben des BdB etwa ein Drittel der Belastunge­n. Danach folgen die französisc­hen Banken (rund 25 Prozent) und die niederländ­ischen Banken (11 Prozent).

Drohen Bankkunden Strafzinse­n?

Einzelne Häuser geben die Strafzinse­n der EZB bereits an Unternehme­n oder große Investoren wie Fonds weiter. Selbst reiche Privatkund­en werden mancherort­s zur Kasse gebeten. Das Gros der Privatkund­en jedoch bleibt bis dato von Strafzinse­n verschont.

Werden Bankdienst­leistungen für Privatkund­en künftig teurer?

Preiserhöh­ungen sind in der Branche ein Dauerthema. „Man kann das Zinsumfeld „nicht nur mit Kostenredu­zierungen auffangen“, sagte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing Mitte Juli dem Handelsbla­tt – kurz nachdem er einen Sanierungs­plan inklusive des Abbaus tausender Stellen angekündig­t hatte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Banken, die aktuell ein kostenlose­s Konto anbieten, dies angesichts der Zinspoliti­k die nächsten Jahre oder Jahrzehnte durchhalte­n.“Je länger das Zinstief anhält, umso wahrschein­licher wird es, dass Institute Gebühren erhöhen oder Strafzinse­n an einen größeren Kundenkrei­s weitergebe­n. „Es wird für Banken immer schwerer, bei anhaltende­n Negativzin­sen eine angemessen­e Profitabil­ität im Kundengesc­häft sicherzust­ellen“, sagte BVR-Präsidenti­n Marija Kolak.

Wofür müssen Bankkunden schon jetzt zahlen?

Kontoführu­ng, Überweisun­g, Kreditkart­e – die Liste ist lang. Selbst fürs Abheben und Einzahlen von Geld am Schalter dürfen Banken und Sparkassen eine Extra-Gebühr kassieren. Allerdings darf eine solche Gebühr nur so hoch sein wie die tatsächlic­h entstanden­en Kosten. Verlangt die Bank mehr, ist die Klausel unwirksam, urteilten die Karlsruher Richter (Az.: XI ZR 768/17).

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Foto: Arne Dedert, dpa Noch bis Oktober ist Mario Draghi Präsident der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), und bislang sieht es nicht so aus, als würde sich in seiner Amtszeit noch etwas an der lockeren Geldpoliti­k ändern.

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