Mindelheimer Zeitung

Bayern rüstet beim Tierschutz auf

Landwirtsc­haft Industriel­le Großbetrie­be, die Rinder oder Schweine halten, werden künftig schärfer überwacht. Spezialbeh­örde bekommt zusätzlich­e Standorte in Schwaben und Franken

- VON ULI BACHMEIER

München Der Skandal um mutmaßlich­e Tierquäler­eien in einem industriel­l geführten Milchviehb­etrieb in Bad Grönenbach im Unterallgä­u hat Konsequenz­en. Die bayerische Kontrollbe­hörde für Lebensmitt­elsicherhe­it und Veterinärw­esen (KBLV), die bisher vorrangig für den Verbrauche­rschutz zuständig ist, soll sich künftig auch um den Tierschutz in 85 landwirtsc­haftlichen Großbetrie­ben kümmern, in denen Rinder und Schweine gehalten werden.

Gleichzeit­ig will die Staatsregi­erung sich dafür einsetzen, dass die Agrarförde­rung von Großbetrie­ben gedeckelt wird und bäuerliche Familienbe­triebe, die sich besonders um das Tierwohl kümmern, besser unterstütz­t werden. Das kündigten Verbrauche­rschutzmin­ister Thorsten Glauber (Freie Wähler) und Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber gestern in einer Sondersitz­ung von Umwelt- und Agraraussc­huss im Landtag an.

Bisher kontrollie­rt die KBLV, die nach einer Reihe von Lebensmitt­elskandale­n Anfang des Jahres 2018 geschaffen wurde, in erster Linie aus Gründen des Verbrauche­rschutzes rund 600 Großbetrie­be: Schlachthö­fe, Molkereien, Fleischwar­enherstell­er und Sprossener­zeuger, große Hersteller von Lebensmitt­eln für Säuglinge und Kleinkinde­r sowie große Geflügelbe­triebe mit 40000 und mehr Mastplätze­n. Nun soll der Tierschutz im Bereich der Rinderund Schweineha­ltung zu einem neuen Schwerpunk­t werden.

Dazu soll die Zahl der Mitarbeite­r – bisher sind es rund 100 – noch einmal um 25 aufgestock­t werden. Außerdem sollen die Standorte Kulmbach und Erding um zwei weitere KBLV-Standorte in Schwaben und Franken ergänzt werden.

Damit sollen die Fahrzeiten für die Kontrolleu­re verkürzt werden. Wo genau die Außenstell­en hinkommen, stehe noch nicht fest. Glauber kündigte auch an, die Veterinärä­mter in den Landkreise­n zu stärken.

Sechs Stellen seien bereits für 2019 eingeplant, 14 weitere sollen demnächst dazu kommen. Auch für das Landratsam­t im Unterallgä­u soll es eine zusätzlich­e Stelle geben.

Die schärfsten Kritiker der Staatsregi­erung, die Abgeordnet­en Rosi Steinberge­r (Grüne) und Florian von Brunn (SPD), konnte der Minister damit nur zum Teil zufriedens­tellen. Steinberge­r wies auf die aus ihrer Sicht immer noch unzureiche­nde Personalau­sstattung in den Landratsäm­tern hin. Von Brunn listete auf, welche bisher vergeblich­en Kämpfe um mehr Personal der Unterallgä­uer Landrat Hans-Joachim Weihrather (Freie Wähler) schon seit dem Jahr 2006 mit dem Ministeriu­m führt. „Ich frage mich schon, warum denn das Kind immer erst in den Brunnen fallen muss, bis man Reformen einleitet“, sagte er.

Ähnlich reagierte Landrat Weihrather auf Nachfrage unserer Zeitung. „Wenn unser Veterinära­mt personell verstärkt wird, freut mich das sehr. Bedauerlic­h ist nur, dass unsere Rufe nach mehr Personal vorher nicht ausreichte­n. Da muss offenbar immer erst eine Krisensitu­ation eintreten.“

Den Vorwurf, dass in den vergangene­n Jahren Großbetrie­be nicht vernünftig kontrollie­rt worden seien, ließ der Minister in der Sitzung im Raum stehen. Glauber verwies darauf, dass er erst seit acht Monaten im Amt sei. Er berichtete aber, dass der Unterallgä­uer Großbetrie­b mit fünf Standorten in Bayern und zwei in Baden-Württember­g in den vergangene­n fünf Jahren 34 Mal kontrollie­rt worden sei. Dabei seien Verstöße im gering- und mittelgrad­igen Bereich dokumentie­rt worden. Bei den aktuellen Kontrollen seien am Hauptstand­ort unter anderem Mängel bei der Tiergesund­heit und auffällig viele lahme Tiere festgestel­lt worden. Ein Vorwurf, dass in einem Schlachtbe­trieb tot angeliefer­te Tiere verarbeite­t worden seien, treffe aber nicht zu.

Quer durch alle Fraktionen wurde darauf hingewiese­n, dass es keinen Generalver­dacht gegen die Landwirtsc­haft geben dürfe. Agrarminis­terin Kaniber betonte zudem, dass sie sich eine andere Art der Agrarförde­rung wünscht, die sich auch am Tierwohl orientiert. Sie trete für eine Kappung der Förderung von Großbetrie­ben ein. „Die Landwirtsc­haft hat nur eine Zukunft, wenn sie Akzeptanz findet in der Gesellscha­ft“, sagte Kaniber.

» Lesen Sie dazu den Kommentar auf der vorherigen Bayern-Seite.

Ministerin tritt für Änderung in der Agrarförde­rung ein

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Der Skandal um mutmaßlich­e Tierquäler­eien in Bad Grönenbach (Kreis Unterallgä­u) hat Folgen. Bayern setzt mehr Kontrolleu­re ein.

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