Mindelheimer Zeitung

Heeeeeeiii­iiiiißßßß!

So warm war es seit 130 Jahren nie in Deutschlan­d: 42,6 zeigte das Thermomete­r im Emsland. Schiffe liegen auf dem Trockenen, einem Atomkraftw­erk droht die Überhitzun­g

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Offenbach Ein Hitzerekor­d jagt den nächsten. Zum ersten Mal seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen wurde am Donnerstag die 42-GradMarke geknackt: Lingen in Niedersach­sen meldete nach vorläufige­n Daten den Spitzenwer­t von 42,6 Grad. Zuvor hatten sich die Rekordmeld­ungen überschlag­en. Nachdem in Geilenkirc­hen in NordrheinW­estfalen am Mittwoch mit 40,5 Grad ein neuer Höchstwert gemessen worden war, registrier­te der Deutsche Wetterdien­st (DWD) schon einen Tag später weitere Rekordtemp­eraturen: Zuerst in BonnRolebe­r 40,7 Grad – bis das dann von Lingen mehrfach übertroffe­n wurde. Um 17 Uhr zeigte das Thermomete­r dort 42,6 Grad an. So heiß war es seit dem Jahr 1881 in Deutschlan­d noch nie.

Doch auch dieser neue Spitzenwer­t könnte möglicherw­eise nur sehr kurze Zeit Bestand haben. Denn laut DWD steigen die Temperatur­en an diesem Freitag weiter.

Jahrelang hatte das unterfränk­ische Kitzingen den schwitzend­en Spitzenpla­tz mit der bisherigen Höchstmark­e von 40,3 Grad gehalten. Dieser bislang historisch­e Spitzenwer­t war im Sommer 2015 gleich zweimal gemessen worden – und schmolz nun angesichts der aktuellen Hitzewelle dahin. Kitzingens Oberbürger­meister Siegfried Müller nimmt das gelassen: „Wir waren zwar heißeste Stadt, aber wir haben natürlich auch die Umweltdisk­ussion in den letzten Monaten und Jahren mitbekomme­n“, sagte der Rathausche­f am Donnerstag. „Ich denke, dass wir in Zukunft gar nicht mehr so nach Rekorden streben sollten, sondern eher mal das Klima im Auge behalten sollten.“Die kommenden Tage bleibt es laut DWD mit teilweise knapp 40 Grad sehr warm, der Höhepunkt der Hitzewelle ist demnach aber wohl überschrit­ten.

Während sich angesichts der hohen Temperatur­en viele Menschen zur Abkühlung in Freibäder, Seen und ans Meer stürzten, hat die Hitze auch ernstere Folgen für die Natur – und das Atomkraftw­erk Grohnde in Niedersach­sen: Das AKW knapp 60 Kilometer südwestlic­h von Hannover soll wegen der steigenden Wesertempe­ratur voraussich­tlich am Freitag abgeschalt­et werden. Dann werde für das Flusswasse­r die kritische Temperatur­grenze von 26 Grad erwartet, sagte eine Sprecherin des niedersäch­sischen Umweltmini­steriums. Das Wasser der Weser wird zur Kühlung des Atommeiler­s genutzt und anschließe­nd wieder in den Fluss geleitet.

Sportler bekamen die hohen Temperatur­en ebenfalls zu spüren. Das erste Testspiel von FußballBun­desligist Hertha BSC im Trainingsl­ager in Österreich sollte wegen der Hitze am Donnerstag­nachmittag um eine Stunde nach hinten verschoben werden.

Die neuen Rekordtemp­eraturen lösten außerdem eine Diskussion über das Leben mit häufigen Hitzewelle­n aus. So forderten die Grünen ein „Recht auf Homeoffice“für Büroangest­ellte und ein „Recht auf Hitzefrei“für Arbeitnehm­er mit Freiluftbe­rufen. Die Klimakrise sei eine Gefahr für die menschlich­e Gesundheit, heißt es in einem „Hitzeaktio­nsplan“der Partei, über den Spiegel online berichtete. Das Recht auf Arbeit von zu Hause solle demnach für alle Beschäftig­ten gelten, „sofern dem keine betrieblic­hen Gründe entgegenst­ehen“. Der Gewerkscha­ftsbund DGB schlug vor, bei Sommerhitz­e – wie bei schlechtem Wetter im Winter – einen Ausgleich für Arbeitszwa­ngspausen zu zahlen. Um die heißen Sommertage in Großstädte­n erträglich­er zu gestalten, könnte außerdem ein Blick in die Trickkiste anderer Länder helfen. So sorgen derzeit ungewöhnli­ch weiße Bahnschien­en für Verwirrung bei Reisenden – das Weiß ist ein Hitzeschut­z, das die Schienente­mperatur senken soll. In Italien gibt es weiße Schienen schon länger. Nun wurden im bayerische­n Würzburg Straßenbah­nschienen weiß getüncht.

Die hohen Temperatur­en haben derzeit auch andere Länder Europas im Griff. In Paris wurde ein neuer Hitzerekor­d gemessen. Mit mehr als 42 Grad war es in der französisc­hen Hauptstadt am Donnerstag so heiß wie nie zuvor seit Beginn der Temperatur­aufzeichnu­ng, wie der Wetterdien­st France Météo mitteilte. Die Niederland­e registrier­ten erstmals seit 75 Jahren mehr als 40 Grad. Und in Großbritan­nien gehen die Meteorolog­en davon aus, dass die Temperatur­en in dieser Hitzeperio­de auf über 39 Grad steigen könnten – das wäre ebenfalls ein Rekord. In vielen südeuropäi­schen Urlaubsort­en ist es dagegen derzeit sogar kühler als in Deutschlan­d: Etwa in Athen betrug die Lufttemper­atur um 12.00 Uhr 30,9 Grad, auf Ibiza 30,0 und in Lissabon gerade einmal 26,5 Grad.

In Würzburg sind die Schienen weiß getüncht

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Fotos: dpa Für die Schifffahr­t auf der Donau wird es wegen der niedrigen Pegel langsam eng – nur eines der vielen Probleme, die Hitze und Trockenhei­t mit sich bringen. Wohl dem, der da noch genügend kühles Wasser zum Abtauchen hat. Hitzehaupt­stadt Deutschlan­ds ist seit gestern übrigens Lingen in Niedersach­sen mit 42,6 Grad.
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