Mehr Sicherheit am Ortseingang
Verkehr Anwohner in Anhofen würden Raser gerne ausbremsen. Doch das ist gar nicht so einfach
Anhofen Es ist ein Problem, das vermutlich alle kennen, die an einem Ortseingang wohnen: Viele Autofahrer sind hier mit deutlich mehr als den eigentlich erlaubten 50 Stundenkilometern unterwegs. Auch Anhofen ist da keine Ausnahme: „Die, die von Markt Wald den Berg runterkommen, lassen’s einfach laufen und die, die aus Anhofen rausfahren, nehmen schon mal Schwung“, sagt Jutta Friebe.
Schon seit Jahren kämpft sie zusammen mit Renate Schmalholz stellvertretend für die Anwohner der Straße für eine Lösung – und ist allmählich „etwas verzweifelt“. Denn gefährliche Situationen gebe es regelmäßig. „Ich kann manchmal nicht rückwärts aus der Ausfahrt raus“, erzählt Renate Schmalholz. Auch der Postbote fahre inzwischen nicht mehr in den Hof, sondern lasse das Auto lieber auf der Straße stehen.
„Es gibt hier kaum noch unverletzte Katzen“, sagt Jutta Friebe. Ein Anwohner halte inzwischen lieber einen Hund, weil keine seiner Katzen länger als ein halbes Jahr überlebt habe. Und Renate Schmalholz erinnert sich noch gut an die Zeit, als sie ihre Kinder mit dem Auto zur eigentlich nur wenige hundert Meter entfernten Bushaltestelle gebracht hat, weil ihr der Weg dorthin einfach zu gefährlich war. Obwohl sie inzwischen schon Großmutter ist, habe sich daran nichts geändert. „Kein Kind besucht hier einen Freund zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Weil man ja weiß, wie gefährlich die Straße ist“, sagt Jutta Friebe.
Zu einem schlimmen Unfall ist es bislang nie gekommen. Doch genau das scheint – so zynisch es klingen mag – Teil des Problems zu sein: Weil die Strecke kein Unfallschwerpunkt ist, gibt es für die Polizei keinen dringenden Handlungsbedarf. Der aber müsste schon gegeben sein, um das einzige Lasermessgerät der Polizeiinspektion Bad Wörishofen gerade hier einzusetzen – und nicht außerorts, wo laut Thomas Maier, dem Leiter der Polizeiinspektion, „die meisten und schlimmsten Unfälle passieren“. „Wir müssen einfach priorisieren“, sagt er. Denn Wünsche, wo geblitzt werden solle, gebe es zuhauf, das Personal und die Messgeräte dafür aber eben nicht.
Eine Lösung könnte eine kommunale Verkehrsüberwachung sein, wie es sie in Türkheim und Bad Wörishofen gibt. Sie kümmert sich nicht nur um Park-, sondern auch um Temposünder. Bürgermeister Peter Wachler ist von diesem Vorschlag allerdings wenig begeistert. „Die Technik muss angeschafft werden und kostet ein Vermögen und Personal braucht man ja auch.“Er ist überzeugt, dass die Zahl der Vergehen zu gering ist, um die Kosten für die Überwachung zu decken. „Das steht in keinem Verhältnis und kommt deshalb für uns nicht in Betracht.“
Ende vergangenen Jahres hat die Gemeinde für einen Monat ein Geschwindigkeitsmessgerät an den Ortseingang gestellt. Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Verkehrsteilnehmer war zu schnell, einer raste gar mit 125 Stundenkilometern in den Ort. Als Maßstab für die Verkehrssicherheit gilt laut dem ökologischen Verkehrsclub VCD außerdem die sogenannte „85-Prozent-Geschwindigkeit“. Dabei handelt es sich um die Geschwindigkeit, die 85 Prozent der gemessenen Fahrer eingehalten und 15 Prozent überschritten haben. Im Idealfall sollte sie unterhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegen. Übersteigt die 85-ProzentGeschwindigkeit das Tempolimit um mehr als fünf Stundenkilometer, gilt die Straße als gefährlich. In Anhofen lag die 85-Prozent-Geschwindigkeit bei 61 Stundenkilometern.
Was Polizeichef Maier bei der Auswertung allerdings fehlt, sind Angaben, wann die Geschwindigkeit am häufigsten übertreten wird. Dann nämlich könnte sich die Polizei gezielt auf die Lauer legen. „Wir müssten wissen, wann’s besonders schlimm ist. Denn ich muss personell und logistisch haushalten – auch wenn ich verstehe, dass der Verkehr die Anwohner nervt wie die Sau.“Auch Daten, in welchem Bereich die meisten Geschwindigkeitsübertretungen liegen, wären hilfreich. „Sind’s über 70 Stundenkilometer, müssen wir was tun“, so Maier.
Ein weiteres Problem: Die Beamten dürfen erst 200 Meter nach dem Ortsschild messen. „Die Anwohner wohnen aber alle innerhalb dieser Toleranzzone“, sagt Maier. Und selbst wenn dann eben „mitten im Ort“geblitzt werde, sei der Effekt überschaubar: „Erst ab 20 Stundenkilometern zuviel gibt’s einen Punkt und damit einen Denkzettel. Alles andere ist ein Fall für die Portokasse. Die Leute ärgern sich kurzzeitig – und fahren am nächsten Tag wieder genauso schnell“, ist seine Erfahrung. „Aber die Raser erwischen wir alle. Wenn nicht in Anhofen, dann woanders. Weil die fahren ja nicht nur in Anhofen zu schnell“, sagt er.
Bei einem Vor-Ort-Termin Ende April mit der Polizei, dem Staatlichen Bauamt Kempten und dem Landratsamt, Bürgermeister Wachler, dem früheren Gemeinderat Josef Dauner und den Anwohnerinnen einigte man sich auf einige Maßnahmen: Das Ortsschild von Anhofen wurde weiter in Richtung Markt Wald versetzt, zwischen Markt Wald und Anhofen wurde die Geschwindigkeit auf 70 Stundenkilometer begrenzt und ein weiteres Schild weist darauf hin, dass hier Fußgänger kreuzen.
Gebracht hat all das laut Jutta Friebe und Renate Schmalholz nichts. Auch Anton, die Figur eines spielenden Kindes, die Jutta Friebe gebastelt und an den Straßenrand gestellt hat, führte nur zu einem kurzfristigen Effekt – und zu Klagen von Autofahrern, dass man da ja wirklich erschrecke.
Auch eine Verkehrsinsel war vor Jahren schon einmal im Gespräch, wurde aber letztlich nicht weiterverfolgt, weil die Grundstücksverhältnisse „sehr, sehr schwierig“seien, so Wachler. „Eine bauliche Veränderung scheidet aus – zumal jetzt, wo die Dorferneuerung komplett abgeschlossen ist“, sagt er. Möglicherweise könnten mobile Fahrbahnverengungen
Sind mobile Verengungen die Lösung?
eine Lösung sein, wie sie der Markt Türkheim wie berichtet in diesem Sommer testen will. Allerdings muss gewährleistet sein, dass die Straße dadurch für Lastwagen und landwirtschaftliche Maschinen nicht zu schmal wird.
Auf absehbare Zeit scheint den Anwohnern somit wenig anderes übrig zu bleiben, als weiter auf die Vernunft der Autofahrer zu hoffen. „Würde sich nicht jeder für sich selbst wünschen, sich in seinem Wohnort sicher und wohl zu fühlen?“, fragt Jutta Friebe – und gibt zu bedenken, dass ein womöglich schwerer Unfall nicht nur das Leben des Opfers, sondern auch das des Verursachers zerstören kann. Sie und Renate Schmalholz brauchen nicht nur viel Geduld, sondern auch ein dickes Fell: Vor Kurzem wurde „Anton“mutwillig beschädigt und bereits zum dritten Mal hat jemand die Schilder mit der Warnung „Vorsicht Kinder“aus dem Grünstreifen an der Straße gerissen. Hoffnung auf Einsicht macht das nicht gerade.