Mindelheimer Zeitung

Mehr Sicherheit am Ortseingan­g

Verkehr Anwohner in Anhofen würden Raser gerne ausbremsen. Doch das ist gar nicht so einfach

- VON SANDRA BAUMBERGER

Anhofen Es ist ein Problem, das vermutlich alle kennen, die an einem Ortseingan­g wohnen: Viele Autofahrer sind hier mit deutlich mehr als den eigentlich erlaubten 50 Stundenkil­ometern unterwegs. Auch Anhofen ist da keine Ausnahme: „Die, die von Markt Wald den Berg runterkomm­en, lassen’s einfach laufen und die, die aus Anhofen rausfahren, nehmen schon mal Schwung“, sagt Jutta Friebe.

Schon seit Jahren kämpft sie zusammen mit Renate Schmalholz stellvertr­etend für die Anwohner der Straße für eine Lösung – und ist allmählich „etwas verzweifel­t“. Denn gefährlich­e Situatione­n gebe es regelmäßig. „Ich kann manchmal nicht rückwärts aus der Ausfahrt raus“, erzählt Renate Schmalholz. Auch der Postbote fahre inzwischen nicht mehr in den Hof, sondern lasse das Auto lieber auf der Straße stehen.

„Es gibt hier kaum noch unverletzt­e Katzen“, sagt Jutta Friebe. Ein Anwohner halte inzwischen lieber einen Hund, weil keine seiner Katzen länger als ein halbes Jahr überlebt habe. Und Renate Schmalholz erinnert sich noch gut an die Zeit, als sie ihre Kinder mit dem Auto zur eigentlich nur wenige hundert Meter entfernten Bushaltest­elle gebracht hat, weil ihr der Weg dorthin einfach zu gefährlich war. Obwohl sie inzwischen schon Großmutter ist, habe sich daran nichts geändert. „Kein Kind besucht hier einen Freund zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Weil man ja weiß, wie gefährlich die Straße ist“, sagt Jutta Friebe.

Zu einem schlimmen Unfall ist es bislang nie gekommen. Doch genau das scheint – so zynisch es klingen mag – Teil des Problems zu sein: Weil die Strecke kein Unfallschw­erpunkt ist, gibt es für die Polizei keinen dringenden Handlungsb­edarf. Der aber müsste schon gegeben sein, um das einzige Lasermessg­erät der Polizeiins­pektion Bad Wörishofen gerade hier einzusetze­n – und nicht außerorts, wo laut Thomas Maier, dem Leiter der Polizeiins­pektion, „die meisten und schlimmste­n Unfälle passieren“. „Wir müssen einfach priorisier­en“, sagt er. Denn Wünsche, wo geblitzt werden solle, gebe es zuhauf, das Personal und die Messgeräte dafür aber eben nicht.

Eine Lösung könnte eine kommunale Verkehrsüb­erwachung sein, wie es sie in Türkheim und Bad Wörishofen gibt. Sie kümmert sich nicht nur um Park-, sondern auch um Temposünde­r. Bürgermeis­ter Peter Wachler ist von diesem Vorschlag allerdings wenig begeistert. „Die Technik muss angeschaff­t werden und kostet ein Vermögen und Personal braucht man ja auch.“Er ist überzeugt, dass die Zahl der Vergehen zu gering ist, um die Kosten für die Überwachun­g zu decken. „Das steht in keinem Verhältnis und kommt deshalb für uns nicht in Betracht.“

Ende vergangene­n Jahres hat die Gemeinde für einen Monat ein Geschwindi­gkeitsmess­gerät an den Ortseingan­g gestellt. Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Verkehrste­ilnehmer war zu schnell, einer raste gar mit 125 Stundenkil­ometern in den Ort. Als Maßstab für die Verkehrssi­cherheit gilt laut dem ökologisch­en Verkehrscl­ub VCD außerdem die sogenannte „85-Prozent-Geschwindi­gkeit“. Dabei handelt es sich um die Geschwindi­gkeit, die 85 Prozent der gemessenen Fahrer eingehalte­n und 15 Prozent überschrit­ten haben. Im Idealfall sollte sie unterhalb der zulässigen Höchstgesc­hwindigkei­t liegen. Übersteigt die 85-ProzentGes­chwindigke­it das Tempolimit um mehr als fünf Stundenkil­ometer, gilt die Straße als gefährlich. In Anhofen lag die 85-Prozent-Geschwindi­gkeit bei 61 Stundenkil­ometern.

Was Polizeiche­f Maier bei der Auswertung allerdings fehlt, sind Angaben, wann die Geschwindi­gkeit am häufigsten übertreten wird. Dann nämlich könnte sich die Polizei gezielt auf die Lauer legen. „Wir müssten wissen, wann’s besonders schlimm ist. Denn ich muss personell und logistisch haushalten – auch wenn ich verstehe, dass der Verkehr die Anwohner nervt wie die Sau.“Auch Daten, in welchem Bereich die meisten Geschwindi­gkeitsüber­tretungen liegen, wären hilfreich. „Sind’s über 70 Stundenkil­ometer, müssen wir was tun“, so Maier.

Ein weiteres Problem: Die Beamten dürfen erst 200 Meter nach dem Ortsschild messen. „Die Anwohner wohnen aber alle innerhalb dieser Toleranzzo­ne“, sagt Maier. Und selbst wenn dann eben „mitten im Ort“geblitzt werde, sei der Effekt überschaub­ar: „Erst ab 20 Stundenkil­ometern zuviel gibt’s einen Punkt und damit einen Denkzettel. Alles andere ist ein Fall für die Portokasse. Die Leute ärgern sich kurzzeitig – und fahren am nächsten Tag wieder genauso schnell“, ist seine Erfahrung. „Aber die Raser erwischen wir alle. Wenn nicht in Anhofen, dann woanders. Weil die fahren ja nicht nur in Anhofen zu schnell“, sagt er.

Bei einem Vor-Ort-Termin Ende April mit der Polizei, dem Staatliche­n Bauamt Kempten und dem Landratsam­t, Bürgermeis­ter Wachler, dem früheren Gemeindera­t Josef Dauner und den Anwohnerin­nen einigte man sich auf einige Maßnahmen: Das Ortsschild von Anhofen wurde weiter in Richtung Markt Wald versetzt, zwischen Markt Wald und Anhofen wurde die Geschwindi­gkeit auf 70 Stundenkil­ometer begrenzt und ein weiteres Schild weist darauf hin, dass hier Fußgänger kreuzen.

Gebracht hat all das laut Jutta Friebe und Renate Schmalholz nichts. Auch Anton, die Figur eines spielenden Kindes, die Jutta Friebe gebastelt und an den Straßenran­d gestellt hat, führte nur zu einem kurzfristi­gen Effekt – und zu Klagen von Autofahrer­n, dass man da ja wirklich erschrecke.

Auch eine Verkehrsin­sel war vor Jahren schon einmal im Gespräch, wurde aber letztlich nicht weiterverf­olgt, weil die Grundstück­sverhältni­sse „sehr, sehr schwierig“seien, so Wachler. „Eine bauliche Veränderun­g scheidet aus – zumal jetzt, wo die Dorferneue­rung komplett abgeschlos­sen ist“, sagt er. Möglicherw­eise könnten mobile Fahrbahnve­rengungen

Sind mobile Verengunge­n die Lösung?

eine Lösung sein, wie sie der Markt Türkheim wie berichtet in diesem Sommer testen will. Allerdings muss gewährleis­tet sein, dass die Straße dadurch für Lastwagen und landwirtsc­haftliche Maschinen nicht zu schmal wird.

Auf absehbare Zeit scheint den Anwohnern somit wenig anderes übrig zu bleiben, als weiter auf die Vernunft der Autofahrer zu hoffen. „Würde sich nicht jeder für sich selbst wünschen, sich in seinem Wohnort sicher und wohl zu fühlen?“, fragt Jutta Friebe – und gibt zu bedenken, dass ein womöglich schwerer Unfall nicht nur das Leben des Opfers, sondern auch das des Verursache­rs zerstören kann. Sie und Renate Schmalholz brauchen nicht nur viel Geduld, sondern auch ein dickes Fell: Vor Kurzem wurde „Anton“mutwillig beschädigt und bereits zum dritten Mal hat jemand die Schilder mit der Warnung „Vorsicht Kinder“aus dem Grünstreif­en an der Straße gerissen. Hoffnung auf Einsicht macht das nicht gerade.

 ?? Foto: Sandra Baumberger ?? Jutta Friebe (links) und Renate Schmalholz haben „Anton“gebastelt, um damit Raser am Ortseingan­g von Anhofen auszubrems­en. Der Erfolg ist allerdings überschaub­ar. Stattdesse­n wurde „Anton“jüngst beschädigt.
Foto: Sandra Baumberger Jutta Friebe (links) und Renate Schmalholz haben „Anton“gebastelt, um damit Raser am Ortseingan­g von Anhofen auszubrems­en. Der Erfolg ist allerdings überschaub­ar. Stattdesse­n wurde „Anton“jüngst beschädigt.

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