„Eingriff ins Monopol des Staates“
FDP-Politiker Thomae lehnt Kirchenasyl ab
Herr Thomae, seit der Pfarrer von Immenstadt einen Strafbefehl über 4000 Euro erhielt, weil er einem afghanischen Flüchtling Schutz vor Abschiebung gewährt hatte, wird über das Kirchenasyl diskutiert. Was ist darunter eigentlich zu verstehen? Stephan Thomae: Das Kirchenasyl entstammt den Anfängen des Christentums, in denen Fundamente des Rechtsstaates wie Grundrechtsschutz und Gewaltenteilung nicht im heutigen Maß gewährleistet waren. Damals war die Kirche für bedrohte Menschen letzter Zufluchtsort vor Tod, Folter und Gewalt, auch aufgrund willkürlicher Entscheidungen des Staates. Spätestens seit den Fluchtbewegungen 2015 wird das „Kirchenasyl“vor dem Hintergrund der Verhinderung einer Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer diskutiert. „Kirchenasyl“ist aber kein Asyl im Rechtssinne. Vielmehr wird darunter der faktische Schutz verstanden, den kirchliche Einrichtungen abgelehnten Asylbewerbern gewähren, um sie vor der Durchsetzung der Ausreisepflicht zu schützen.
Wie ist das rechtlich zu bewerten? Thomae: Ein solches Vorgehen ist unserer Rechtsordnung systemfremd. Es stellt die Hoheitsgewalt des Staates in Frage. Ein Verhindern von Abschiebungen ist letztlich die Vereitelung staatlicher Vollstreckungsmaßnahmen und kann deshalb, wie im Fall des Immenstädter Pfarrers Ulrich Gampert, strafrechtlich sanktioniert werden.
Sollte der Staat das Kirchenasyl nicht respektieren?
Thomae: Die Gewährung von „Kirchenasyl“stellt die eigenen moralischen Überzeugungen von richtig und falsch, gerecht und ungerecht über eine staatliche Entscheidung und zweifelt damit an der Souveränität des Rechtsstaates.
Was sagt denn das Gesetz genau? Thomae: Für das „Kirchenasyl“fehlt es an einer gesetzlichen Legitimationsgrundlage. Weder das Grundrecht auf Asyl noch das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften oder die Religionsund Glaubensfreiheit rechtfertigen einen Eingriff in das staatliche Asylgewährungsmonopol.
Sollten Ausnahmen in humanitär begründeten Ausnahmefällen möglich bleiben?
Thomae: Trotz geringer Fallzahlen wäre die Signalwirkung verheerend, wenn die staatliche Souveränität aufgrund ethisch-moralischer Vorstellungen beschränkt werden könnte. Es wäre dann nur eine Frage der Zeit, bis neben den christlichen Kirchen auch andere Glaubensgemeinschaften den Vollzug staatlichen Handelns verhindern, weil es gegen ihre Wertvorstellungen verstößt. Dies kann vom Staat nicht hingenommen werden.
Stephan Thomae, 51, aus Kempten ist Rechtsanwalt und stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.