Verkehrssünder muss nun radeln
Justiz Reuiger 19-Jähriger verliert seinen Führerschein – ist mit dem Gerichtsurteil aber trotzdem zufrieden
Memmingen Es ist eigentlich kein großer Kriminalfall, den das Amtsgericht Memmingen da verhandelt: Unfallflucht mit einem Sachschaden von 150 Euro. Doch der Prozess hat einige Besonderheiten. Der Angeklagte ist erst 19 Jahre alt und hat wegen fortgesetzter Verkehrsvergehen bereits zweimal eine Freiheitsstrafe zur Bewährung bekommen. Im Gerichtssaal fiebert seine Mutter dem Urteil entgegen. Wird der reuige Sohn im Schöffengericht um Jugendrichter Dr. Markus Veit gnädige Richter finden oder muss er jetzt ins Gefängnis?
Staatsanwältin Saskia Roßkopf wirft dem Angeklagten vor, dass er am 3. Januar dieses Jahres mit seinem Auto in Memmingen wegen zu hoher Geschwindigkeit von der Fahrbahn abkam, gegen ein Verkehrsschild prallte und dann einfach weiterfuhr. Dies gibt der Unfallflüchtige auch unumwunden zu. Ja, er habe den Anstoß bemerkt und sei einfach gedankenlos weitergefahren. Dessen Rechtsanwalt Wolfgang Eckl weiß, was auf dem Spiel steht, sein Mandant steht aktuell noch unter offener Bewährung.
Richter Veit kennt das Vorstrafenregister, das mehrfaches Fahren ohne Fahrerlaubnis, aber auch Beleidigung und Betrug auflistet. Der junge Mann hat derzeit noch die Fahrerlaubnis auf Probe und einen beachtlich hohen Punktestand in Flensburg, der ohnehin bald zum behördlichen Entzug der Fahrerlaubnis führen wird. Seine Affinität zu fahrbaren Untersätzen schlägt sich auch in seinem Berufswunsch nieder: Er will eine Lehre im KfzBereich beginnen.
Die Staatsanwältin wertet für den Angeklagten, dass er geständig ist und der angerichtete Schaden bereits beglichen wurde. Jedoch: „Die Rückfallgeschwindigkeit beim Angeklagten ist einfach zu hoch.“Saskia Roßkopf plädiert angesichts der noch offenen Bewährungsstrafe auf ein Jahr und vier Monate, die ausnahmsweise noch einmal zur Bewährung ausgesetzt werden sollen. Nach kurzer Beratung schließt sich das Gericht diesem Antrag an und ordnet gleichzeitig einen Fahrerlaubnisentzug von sechs Monaten an. Noch im Gerichtssaal gibt der Verkehrssünder seinen Führerschein ab und wird den Weg zu seiner künftigen Arbeitsstelle mit dem Fahrrad absolvieren. Verhaltene Zufriedenheit über das Urteil bei Rechtsanwalt Eckl, seinem Mandanten und dessen Mutter.
Richter Veit redet dem Angeklagten in der Urteilsbegründung nochmals eindringlich ins Gewissen und mahnt ihn zu verkehrsgerechtem Verhalten. Wie lange die Freude über das gnädige Urteil andauern wird, ist mehr als ungewiss. Denn auf dem Richtertisch liegt bereits ein neu eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten, der im April einen anderen Autofahrer genötigt haben soll. Sollte in der nächsten Verhandlung seine Schuld festgestellt werden, wird er auch das Fahrrad vorerst nicht mehr brauchen.