Mindelheimer Zeitung

Scholz schärft Geldwäsche­gesetz

Hintergrun­d Der Finanzmini­ster will verhindern, dass kriminelle Clans und die Mafia immer mehr Immobilien kaufen. Ein legales Steuerschl­upfloch soll dagegen nur ein wenig enger werden

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Schon lange liegen die Beete der Kleingarte­nkolonie „Einigkeit II“im Südosten von Berlin brach. Überall wuchern Unkraut und Gestrüpp. Die letzten sogenannte­n Laubenpiep­er, meist Rentner, sind schon lange ausgezogen – vertrieben von der arabischen Mafia, glaubt die Polizei. Das Grundstück ist nur eine von 77 Immobilien im Wert von geschätzte­n zehn Millionen Euro, die vor einem Jahr bei einer Razzia beschlagna­hmt wurden. Die wahren Eigentümer sollen Angehörige des berüchtigt­en R.-Clans sein.

Gekauft worden sind die Häuser, Wohnungen und die „Einigkeit II“, die wohl einmal zu wertvollem Bauland werden sollten, nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft mit der Beute aus zahlreiche­n Verbrechen. Es soll sich also um einen gigantisch­en Fall von Geldwäsche handeln. Deren Ziel ist stets, aus schmutzige­m Geld sauberes zu machen – denn an Mieten oder Verkaufser­lösen können sich die Kriminelle­n ganz legal erfreuen.

Die Organisati­on Transparen­cy Internatio­nal schätzt, dass bis zu 30 Prozent allen kriminelle­n Geldes inzwischen in „Betongold“fließen. Meist geschehe das über Strohleute.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz will jetzt die Gangart gegen die Geldwäsche im Immobilien­sektor deutlich verschärfe­n. In der Kabinettss­itzung am Mittwoch, die der SPD-Politiker als Urlaubsver­tretung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) leitete, stellte er einen Gesetzentw­urf vor, der unter anderem strengere Meldepflic­hten vorsieht.

So sollen etwa Notare und Makler künftig nicht mehr nur bei verdächtig­en Käufen die Behörden informiere­n müssen. Sondern auch bei der Vermittlun­g von Mietverträ­gen. Beträgt die Monatsmiet­e mehr als 10000 Euro, besteht künftig Anzeigepfl­icht bei der Anti-Geldwäsche­Einheit des Bundes. Diese Behörde soll zudem weitere Kompetenze­n erhalten, etwa einen besseren Zugriff auf Daten anderer Ermittlung­sbehörden. Das Transparen­zregister, das Aufschluss über die Besitzverh­ältnisse von Immobilien gibt, soll künftig für alle Bürger einsehbar sein. Bislang galt das nur für einen eingeschrä­nkten Personenkr­eis.

Beim Finanzmini­sterium heißt es: „Kriminelle nutzen Geldwäsche, um aus schweren – oft organisier­ten – Straftaten erzielte Einnahmen vor dem Zugriff des Staates zu verstecken. Teilweise werden aus diesen Vermögen dann auch terroristi­sche Straftaten finanziert.“Scholz hatte zuvor „Nachholbed­arf“eingeräumt. Das Gesetz, mit dem eine EU-Richtlinie gegen Geldwäsche umgesetzt wird, nimmt auch Edelmetall­händler, Auktionshä­user oder die Anbieter von Kryptowähr­ungen stärker in die Pflicht.

Zumindest eindämmen will Scholz eine ganz legale Art von Steuerverm­eidung: die sogenannte­n „Share Deals“. Während eine Familie, die ein Häuschen oder eine Eigentumsw­ohnung kauft, je nach Bundesland bis zu 6,5 Prozent des Preises an Grunderwer­bsteuer zahlen muss, umgehen große Firmen diese Pflicht häufig – mit einem ganz einfachen Trick: Sie kaufen statt der eigentlich­en Immobilien die Mehrheit

Ziel ist es, aus schmutzige­m Geld sauberes zu machen

Statt der Immobilien wird gleich die Firma gekauft

der Anteile an der Firma, die die Liegenscha­ften besitzt – meist 95 Prozent. Die restlichen Anteile können nach einer Haltefrist von fünf Jahren erworben werden. So wird keine Grunderwer­bsteuer fällig. Möglich bleibt diese Art von Geschäften nach dem Scholz-Plan weiterhin. Die Beteiligun­gsgrenze sinkt aber auf 90 Prozent, während sich die Haltefrist der restlichen Anteile von fünf auf zehn Jahre erhöht.

Lisa Paus, finanzpoli­tische Sprecherin der Grünen im Bundestag, kritisiert­e: „Das Steuerschl­upfloch Share Deals bleibt offen. Union und SPD bremsen sich mal wieder gegenseiti­g aus.“Das Resultat sei: „Faule Kompromiss­e und Minimallös­ungen. So kann bei großen Millionend­eals weiter die Grunderwer­bsteuer – wichtigste Steuer der Länder – umgangen werden.“

Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahl­er, warnte: „Die neue Regelung darf unternehme­risch sinnvolle Umstruktur­ierungen nicht benachteil­igen.“Werde ein Unternehme­n übertragen, bei dem einfach nur ein Grundstück zum Betriebsve­rmögen gehört, darf das nicht unnötig erschwert werden.

FDP-Fraktionsv­ize Michael Theurer forderte „eine unkomplizi­erte, unbürokrat­ische Neuregelun­g der Grunderwer­bsteuer“. Dazu zähle ein Freibetrag von 500000 Euro pro Person.

 ?? Foto: Wolfgang Kumm, dpa ?? Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) leitete selbst die Kabinettss­itzung, in der er die schärferen Regeln gegen Geldwäsche vorlegte.
Foto: Wolfgang Kumm, dpa Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) leitete selbst die Kabinettss­itzung, in der er die schärferen Regeln gegen Geldwäsche vorlegte.

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