Deutschland in der Zwickmühle
Nahost Kramp-Karrenbauer geht auf die Amerikaner zu, die SPD lehnt einen Militäreinsatz im persischen Golf ab, während der US-Botschafter an das Gewissen des Verbündeten in Berlin appelliert
München/Istanbul Lange musste sie nicht auf ihren ersten Ernstfall warten: Gut zwei Wochen ist Annegret Kramp-Karrenbauer im Amt, da ringt die Große Koalition mit der weltpolitischen Lage. Denn mit den Spannungen in der Straße von Hormus wachsen die Erwartungen an Deutschland, sich an der Sicherung der strategisch wichtigen Meerenge im Persischen Golf zu beteiligen – vielleicht sogar militärisch. Die offizielle Bitte der USA liegt auf dem Tisch: Der Bündnispartner in Berlin solle sich an einer Mission zum Schutz von Handelsschiffen vor iranischen Angriffen beteiligen. Bei ihrem Antrittsbesuch am Mittwoch bei Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel stellt Annegret Kramp-Karrenbauer klar: „Wir prüfen zurzeit in enger Absprache mit Großbritannien und mit Frankreich diese Anforderungen.“
Und doch muss die Verteidigungsministerin zugeben: Die Wahrscheinlichkeit, dass Berlin den Amerikanern helfen wird, ist gering. So verweist sie darauf, dass Deutschland und die Europäer im Gegensatz zu den USA am Erhalt des internationalen Atomabkommens gelegen ist. Man setze alles daran, dass es zu einer diplomatischen Lösung mit dem Iran kommt und der Vertrag zur Verhinderung einer Atombombe eingehalten wird.
Deutlicher als Kramp-Karrenbauer wird Außenminister Heiko Maas (SPD), dessen Partei eine Beteiligung der Bundeswehr kategorisch ablehnt. „An der von den USA vorgestellten und geplanten Seemission wird sich die Bundesregierung nicht beteiligen“, sagt er in Warschau. „Wir befinden uns da in enger Abstimmung mit unseren französischen Partnern.“Die Bundesregierung halte die US-Strategie des „maximalen Drucks“auf den Iran für falsch. Deutschland setze weiterhin auf Diplomatie.
In den Vereinigten Staaten stößt die Haltung auf wenig Verständnis. Richard Grenell, US-Botschafter in Berlin, lässt keinen Zweifel daran, dass es sein Dienstherr Donald Trump nicht gerne sieht, dass sich Deutschland aus dem Konflikt heraushalten will, und appelliert an das Gewissen der Bundesregierung. „Amerika hat viel geopfert, um Deutschland dabei zu helfen, ein Bestandteil des Westens zu bleiben“, sagt Grenell im Gespräch mit unserer Redaktion. „Und wir haben zurzeit 34000 Soldaten in Deutschland stationiert – das sind Milliarden Dollar, die die amerikanische Bevölkerung ausgibt.“Deutschland sei die größte Wirtschaftsmacht in Europa. „Deswegen bringt dieser Erfolg globale Verantwortlichkeiten mit sich“, mahnt Richard Grenell.
Sollte die Bundeswehr in einen Einsatz im Golf geschickt werden, könnte sie Erfahrungen einbringen, die sie einige Jahre im Rahmen der EU-Mission „Atalanta“gesammelt hat. Bei diesem Einsatz am Horn von Afrika werden Handelsschiffe vor Angriffen somalischer Piraten geschützt. Bis 2016 waren regelmäßig deutsche Kriegsschiffe an der Mission im Indischen Ozean beteiligt. Derzeit sind etwa 30 deutsche Logistiker an Land dabei. Auch die Kapazitäten für einen Einsatz in der Straße von Hormus dürfte die Deutsche Marine haben. Derzeit sind nur zwei ihrer Kriegsschiffe im Auslandseinsatz – in der Ägäis und vor der libanesischen Küste.
Unterdessen laufen in der GolfRegion die diplomatischen Bemühungen auf Hochtouren. Der Iran habe noch nie einen Krieg gewonnen, aber bei Verhandlungen noch nie verloren, twitterte US-Präsident Trump. Sein Außenminister Michael Pompeo sagte, er sei zu einer Reise nach Teheran bereit. Irans Präsident Hassan Ruhani erklärte, Verhandlungen seien grundsätzlich möglich. Außenminister Dschawad Sarif schrieb auf Twitter an Trump gerichtet, Diplomatie sei Ausdruck von Klugheit, nicht von Schwäche. Dennoch wies er die Besuchsofferte Pompeos zurück. Die Aussage des US-Ministers sei „heuchlerisch“.
Im Zentrum der europäischen Bemühungen steht der französische Präsident Emmanuel Macron. Er hält mit dem iranischen Staatschef Ruhani Kontakt, hat einen guten Draht zu Trump und will am 19. August den russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen. Bei den von Frankreich geleiteten Vermittlungsbemühungen gehe es um Deeskalation, erklärte das französische Präsidialamt. Solange geredet wird, wird hoffentlich nicht geschossen, lautet die Überlegung dahinter.
Allerdings stehen die Gesprächspartner vor einem großen Problem: Die Gegensätze zwischen dem Iran und den USA sind so groß wie eh und je. Trump will die Iraner zu Zugeständnissen in ihrem Atomprogramm und zu einer friedlicheren Außenpolitik im Nahen Osten zwingen. Die Regierung in Teheran lehnt alle Zugeständnisse ab, solange Trumps Sanktionen in Kraft sind.
Vermittler wie Macron wandeln auf dünnem Eis, denn die Gefahr neuer militärischer Spannungen ist allgegenwärtig. Erst vorige Woche testeten die Iraner wieder Raketen – obwohl ihr Raketenprogramm einer jener Punkte ist, die Europäern und Amerikanern gleichermaßen Sorgen bereiten. Macron will zunächst einmal das bestehende Misstrauen überwinden und möglichst viele Akteure wie beispielsweise Putin mit ins Boot bringen.
Wie es weitergehen könnte, ist schwer zu sagen. Im anlaufenden US-Wahlkampf sind von Trump noch weniger substanzielle Zugeständnisse zu erwarten als in anderen Zeiten. Im Gegenteil: Am späten Mittwochabend (MESZ) lief die Eilmeldung, die US-Regierung ziehe die Zügel weiter an und verhänge nun auch Sanktionen gegen den Irans Außenminister. „Sarif ist das internationale Gesicht dieses Regimes, der die Propaganda und die Desinformationskampagnen zur Unterstützung von Teherans Nuklearprogramm, ballistischen Raketen und Terrornetzwerken anführt“, hieß es Sarif gilt als eher moderat innerhalb des iranischen Regimes. Sein Antwort kam prompt: Die Sanktionen seien „wirkungslos“weil weder er noch seine Familie über Besitz im Ausland verfüge. .
US-Sanktionen jetzt auch gegen Irans Außenminister