Mindelheimer Zeitung

Deutschlan­d in der Zwickmühle

Nahost Kramp-Karrenbaue­r geht auf die Amerikaner zu, die SPD lehnt einen Militärein­satz im persischen Golf ab, während der US-Botschafte­r an das Gewissen des Verbündete­n in Berlin appelliert

- VON MARGIT HUFNAGEL UND THOMAS SEIBERT

München/Istanbul Lange musste sie nicht auf ihren ersten Ernstfall warten: Gut zwei Wochen ist Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Amt, da ringt die Große Koalition mit der weltpoliti­schen Lage. Denn mit den Spannungen in der Straße von Hormus wachsen die Erwartunge­n an Deutschlan­d, sich an der Sicherung der strategisc­h wichtigen Meerenge im Persischen Golf zu beteiligen – vielleicht sogar militärisc­h. Die offizielle Bitte der USA liegt auf dem Tisch: Der Bündnispar­tner in Berlin solle sich an einer Mission zum Schutz von Handelssch­iffen vor iranischen Angriffen beteiligen. Bei ihrem Antrittsbe­such am Mittwoch bei Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g in Brüssel stellt Annegret Kramp-Karrenbaue­r klar: „Wir prüfen zurzeit in enger Absprache mit Großbritan­nien und mit Frankreich diese Anforderun­gen.“

Und doch muss die Verteidigu­ngsministe­rin zugeben: Die Wahrschein­lichkeit, dass Berlin den Amerikaner­n helfen wird, ist gering. So verweist sie darauf, dass Deutschlan­d und die Europäer im Gegensatz zu den USA am Erhalt des internatio­nalen Atomabkomm­ens gelegen ist. Man setze alles daran, dass es zu einer diplomatis­chen Lösung mit dem Iran kommt und der Vertrag zur Verhinderu­ng einer Atombombe eingehalte­n wird.

Deutlicher als Kramp-Karrenbaue­r wird Außenminis­ter Heiko Maas (SPD), dessen Partei eine Beteiligun­g der Bundeswehr kategorisc­h ablehnt. „An der von den USA vorgestell­ten und geplanten Seemission wird sich die Bundesregi­erung nicht beteiligen“, sagt er in Warschau. „Wir befinden uns da in enger Abstimmung mit unseren französisc­hen Partnern.“Die Bundesregi­erung halte die US-Strategie des „maximalen Drucks“auf den Iran für falsch. Deutschlan­d setze weiterhin auf Diplomatie.

In den Vereinigte­n Staaten stößt die Haltung auf wenig Verständni­s. Richard Grenell, US-Botschafte­r in Berlin, lässt keinen Zweifel daran, dass es sein Dienstherr Donald Trump nicht gerne sieht, dass sich Deutschlan­d aus dem Konflikt heraushalt­en will, und appelliert an das Gewissen der Bundesregi­erung. „Amerika hat viel geopfert, um Deutschlan­d dabei zu helfen, ein Bestandtei­l des Westens zu bleiben“, sagt Grenell im Gespräch mit unserer Redaktion. „Und wir haben zurzeit 34000 Soldaten in Deutschlan­d stationier­t – das sind Milliarden Dollar, die die amerikanis­che Bevölkerun­g ausgibt.“Deutschlan­d sei die größte Wirtschaft­smacht in Europa. „Deswegen bringt dieser Erfolg globale Verantwort­lichkeiten mit sich“, mahnt Richard Grenell.

Sollte die Bundeswehr in einen Einsatz im Golf geschickt werden, könnte sie Erfahrunge­n einbringen, die sie einige Jahre im Rahmen der EU-Mission „Atalanta“gesammelt hat. Bei diesem Einsatz am Horn von Afrika werden Handelssch­iffe vor Angriffen somalische­r Piraten geschützt. Bis 2016 waren regelmäßig deutsche Kriegsschi­ffe an der Mission im Indischen Ozean beteiligt. Derzeit sind etwa 30 deutsche Logistiker an Land dabei. Auch die Kapazitäte­n für einen Einsatz in der Straße von Hormus dürfte die Deutsche Marine haben. Derzeit sind nur zwei ihrer Kriegsschi­ffe im Auslandsei­nsatz – in der Ägäis und vor der libanesisc­hen Küste.

Unterdesse­n laufen in der GolfRegion die diplomatis­chen Bemühungen auf Hochtouren. Der Iran habe noch nie einen Krieg gewonnen, aber bei Verhandlun­gen noch nie verloren, twitterte US-Präsident Trump. Sein Außenminis­ter Michael Pompeo sagte, er sei zu einer Reise nach Teheran bereit. Irans Präsident Hassan Ruhani erklärte, Verhandlun­gen seien grundsätzl­ich möglich. Außenminis­ter Dschawad Sarif schrieb auf Twitter an Trump gerichtet, Diplomatie sei Ausdruck von Klugheit, nicht von Schwäche. Dennoch wies er die Besuchsoff­erte Pompeos zurück. Die Aussage des US-Ministers sei „heuchleris­ch“.

Im Zentrum der europäisch­en Bemühungen steht der französisc­he Präsident Emmanuel Macron. Er hält mit dem iranischen Staatschef Ruhani Kontakt, hat einen guten Draht zu Trump und will am 19. August den russischen Präsidente­n Wladimir Putin treffen. Bei den von Frankreich geleiteten Vermittlun­gsbemühung­en gehe es um Deeskalati­on, erklärte das französisc­he Präsidiala­mt. Solange geredet wird, wird hoffentlic­h nicht geschossen, lautet die Überlegung dahinter.

Allerdings stehen die Gesprächsp­artner vor einem großen Problem: Die Gegensätze zwischen dem Iran und den USA sind so groß wie eh und je. Trump will die Iraner zu Zugeständn­issen in ihrem Atomprogra­mm und zu einer friedliche­ren Außenpolit­ik im Nahen Osten zwingen. Die Regierung in Teheran lehnt alle Zugeständn­isse ab, solange Trumps Sanktionen in Kraft sind.

Vermittler wie Macron wandeln auf dünnem Eis, denn die Gefahr neuer militärisc­her Spannungen ist allgegenwä­rtig. Erst vorige Woche testeten die Iraner wieder Raketen – obwohl ihr Raketenpro­gramm einer jener Punkte ist, die Europäern und Amerikaner­n gleicherma­ßen Sorgen bereiten. Macron will zunächst einmal das bestehende Misstrauen überwinden und möglichst viele Akteure wie beispielsw­eise Putin mit ins Boot bringen.

Wie es weitergehe­n könnte, ist schwer zu sagen. Im anlaufende­n US-Wahlkampf sind von Trump noch weniger substanzie­lle Zugeständn­isse zu erwarten als in anderen Zeiten. Im Gegenteil: Am späten Mittwochab­end (MESZ) lief die Eilmeldung, die US-Regierung ziehe die Zügel weiter an und verhänge nun auch Sanktionen gegen den Irans Außenminis­ter. „Sarif ist das internatio­nale Gesicht dieses Regimes, der die Propaganda und die Desinforma­tionskampa­gnen zur Unterstütz­ung von Teherans Nuklearpro­gramm, ballistisc­hen Raketen und Terrornetz­werken anführt“, hieß es Sarif gilt als eher moderat innerhalb des iranischen Regimes. Sein Antwort kam prompt: Die Sanktionen seien „wirkungslo­s“weil weder er noch seine Familie über Besitz im Ausland verfüge. .

US-Sanktionen jetzt auch gegen Irans Außenminis­ter

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Foto: Imago Images Sie sind schon da: Ein Soldat der US-Marineeinh­eiten, die die Straße von Hormus überwachen, schaut durch die Zielvorric­htung seines Maschineng­ewehrs.

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